„Wir haben genug eigene Probleme“

Wir sind mitverantwortlich für die Bedingungen, die Menschen in die Flucht treiben. Die Politik der westlichen Industriestaaten ist nicht an allem schuld, aber: In einer Welt, in der global gehandelt und Politik gemacht wird, ist nicht zu leugnen, dass wir ganz klar mitverantwortlich für die Bedingungen sind, die Menschen in die Flucht treiben. Im Übrigen: Dass Zuwanderung den deutschen Staat Geld kostet, ist falsch. Man errechnete 2014, dass Menschen ohne deutschen Pass im Schnitt pro Jahr 3300 Euro mehr an Steuern zahlen, als sie an staatlichen Leistungen erhalten. Menschenrechte zu beachten kostet Geld. Und das können wir uns leisten. Zudem können Flüchtlinge viel leisten - wenn man sie lässt. Auch Flüchtlinge wollen lernen und arbeiten, viele von ihnen sind beruflich qualifiziert. Flüchtlinge zu schützen ist jedoch eine humanitäre und völkerrechtliche Verpflichtung, die keiner Kosten-Nutzen-Rechnung unterliegen darf.

„Die nehmen uns doch die Arbeitsplätze weg“

Dann ist es verwunderlich, dass Arbeitslosenquote von Ausländern mit 15% fast doppelt so hoch wie die deutscher Bürger (8%) ist. Arbeit ist keine Ware, die zugeteilt werden kann. Unternehmen schreiben Stellen aus, prüfen Bewerbungen und suchen sich ihre Mitarbeiter entsprechend ihrer Qualifikation aus. Wer sich beklagt, ein Ausländer würde nun gerade „seinen“ Arbeitsplatz einnehmen, gesteht damit indirekt ein, dass dieser Mensch möglicherweise fleißiger oder qualifizierter ist oder schlicht besser den Anforderungen des Unternehmens entspricht als er selbst.

Abgesehen von ihrer Qualifikation dürfen Asylbewerber zunächst neun Monate lang gar nicht in Deutschland arbeiten. Erst nach Ablauf dieser Frist kann die Arbeitsagentur einer Beschäftigung zustimmen. Allerdings muss dafür sichergestellt sein, dass die Stelle nicht adäquat durch einen EU-Bürger besetzt werden kann. Gerade in strukturschwachen Regionen bedeutet das ein faktisches Arbeitsverbot. Darüber hinaus schaffen Ausländer in Deutschland auch Arbeitsplätze. Rund 240.000 selbstständige Ausländer beschäftigen ca. 600.000 Arbeitnehmer.

Zudem ist die Rechnung, jemand würde einer anderen Person den Arbeitsplatz wegnehmen, zu platt. So etwas lässt sich nicht einfach „eins gegen eins“ rechnen. Denn besetzte Arbeitsplätze schaffen auch neue Arbeitsplätze und zum anderen sieht es in der Realität leider so aus, dass die große Mehrheit der Arbeitsmigranten in den untersten Berufssparten landen. Das heißt, sich als nächtliche Putzkräfte und unterbezahlte Pflegerinnen verdingen müssen – Jobs, die die deutsche Bevölkerung zu großen Teilen nicht übernehmen möchte. Sie bilden also einen Puffer am unteren Ende der sozialen Skala – und werden im Krisenfall auch noch als erste entlassen.

„Das Boot ist voll. So viele Flüchtlinge können wir uns doch gar nicht leisten.“

Solche Aussagen zeugen von der Angst vor Überfremdung. Auslöser dafür ist das Gefühl, Deutschland nehme unverhältnismäßig viele Flüchtlinge auf. Richtig ist: In Deutschland werden die meisten Asylanträge in Europa gestellt. Das sagt zum einen aber nichts darüber aus, wie viele davon tatsächlich angenommen werden. Zum anderen ist Deutschland aber auch eins der größten und wohlhabendsten Länder Europas. Setzt man die Asylanträge in Relation zur Bevölkerungszahl liegt Deutschland europaweit sogar nur auf Rang zehn (Stand 2013). Wesentlich mehr Anträge werden in Belgien, der Schweiz und Malta gestellt. In Schweden sind es sogar fünfmal so viel wie hierzulande.

Viel wichtiger aber ist die Tatsache, dass aufgrund der demografischen Entwicklung Deutschland Zuwanderung braucht. Nach heutigem Stand befindet sich 2040 die Hälfte der Bevölkerung im Rentenalter, würden wir die Zuwanderung stoppen. Das gesamte Sozialversicherungssystem würde aus den Fugen geraten. Gleichzeitig verlieren wir bis dahin zehn bis 20 Millionen Fachkräfte im erwerbsfähigen Alter. Deutsche allein werden diese Lücke niemals schließen können. Beispielsweise im Jahr 2013: 885.000 Menschen nicht deutscher Staatsangehörigkeit sind in diesem Jahr eingewandert (darunter übrigens nur 109.000 Asylsuchende, das sind gerade einmal 12%). Gleichzeitig wanderten aber auch 367.000 Deutsche aus. Experten aus Wirtschaft und Politik sind sich einig, dass selbst ein Zuwanderungsplus von rund einer halben Millionen Menschen pro Jahr (wie 2013) nicht ausreicht, um unsere Renten in Zukunft abzusichern.

„Das sind doch alles Wirtschaftsflüchtlinge. Die kommen nur her, um unseren Sozialstaat auszunutzen“

Zunächst ist es nicht verwerflich, aus wirtschaftlichen Gründen umzuziehen. Zwischen 1989 und 1998 zogen fast zwei Millionen Ostdeutsche nach Westdeutschland, um ihren Lebensstandard zu erhöhen. Niemand fand oder findet das schändlich. Zu unterstellen, dass Menschen, die aus Kriegsgebieten flüchten, aufgrund ihrer Religion verfolgt werden oder schlicht Hunger leiden, nur nach Deutschland kommen, um den Sozialstaat auszunutzen, zeugt jedoch schlicht von Unkenntnis. Umso erschreckender, dass laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (2014) ( Link: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf) fast 30% der Deutschen dieser Aussage zustimmen. Dabei waren vor rund 70 Jahren erst Menschen gezwungen, aus unserem eigenen Land zu flüchten um ihr Leben zu retten.

Die Menschen, die aus Ländern wie Syrien, dem Irak oder Afghanistan in Richtung Europa kommen, setzen sich kaum leichtfertig in ein marodes Boot, lassen Angehörige zurück und bezahlen dubiosen Schleppern mit ihrem letzten Ersparten in der Hoffnung auf den Bezug von Sozialleistungen (sofern sie überhaupt wissen, dass es diese gibt). Flüchtlingen außerhalb von Europa ist es aufgrund des Schengener Abkommens überhaupt nur schwer möglich, nach Deutschland zu kommen. Wir nehmen 1,5 Flüchtlinge pro 1.000 Einwohner auf, im Libanon(!) sind es hingegen 178. Zudem erhalten Menschen, die als Asylbewerber nach Deutschland kommen zunächst nur eine Geldleistung, die weit unterhalb des Hartz IV-Satzes liegt, nämlich 40 Euro Taschengeld im Monat. Dazu ein Mindestkontingent für Essen, Wohnen und Körperhygiene.  Ein Anspruch auf Sozialleistungen hat in den ersten drei Monaten niemand – eine Maßnahme übrigens, um den Sozialtourismus einzudämmen. Darüber hinaus dürften Asylbewerber in Deutschland zunächst für neun Monate nicht arbeiten. Wirklich keine Bedingungen, für die man leichtfertig seine Heimat verlässt.

„Ausländer sind krimineller als Deutsche.“ / „Diese Rumänen und Bulgaren sind doch alle Zigeuner. Die sind dreckig, stinken und klauen. Von wegen qualifizierte Zuwanderer.“

Eine sehr schnelle und einfache Behauptung. Dabei sprechen wissenschaftliche Studien zu diesem Thema Bände: Aus einer Untersuchung der IW Köln (Link: http://www.iwkoeln.de/_storage/asset/87628/storage/master/file/1941956/download/05072012%20Pressemitteilung%20Zuwanderung.pdf)  aus dem Jahr 2012 geht beispielsweise hervor, dass die Gewaltkriminalität bei Ausländern um 1,5% gestiegen ist und bei Deutschen um 12,3%. Migranten sind vielmehr ein Gewinn für unsere Gesellschaft. Viele Migranten sind hochqualifiziert und tragen dazu bei den Fachkräftemangel in Deutschland einzudämmen

Besonders positiv für die Innovationskraft Deutschlands wirkt sich aus, dass rund 10 Prozent aller erwachsenen Zuwanderer über einen Hochschulabschluss in einem MINT-Fach verfügen. Sie sind also in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik qualifiziert. Unter den Rumänen und Bulgaren liegt dieser Anteil bei gut 8 Prozent, während es in der Gesamtbevölkerung nur 6 Prozent sind. Wesentlich dramatischer ist, dass viele dieser Abschlüsse von deutschen Behörden nicht anerkannt werden oder Flüchtlingen enorme bürokratische Hürden überwinden müssen, um überhaupt eine Arbeitserlaubnis zu erhalten.

Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass Menschenrechte kein veräußerbares Gut sind. Das Recht auf ein Leben in Frieden und Wohlstand ohne Folter und Armut hängt eben nicht davon ab, ob jemand wirtschaftlich ertragreich arbeitet. Es ist schlickt eine historische Errungenschaft und sollte auch als solche verteidigt werden.

„Wer etwas gegen Rechtsextremismus macht, muss auch etwas gegen Linksextremismus machen.“

Ohne Straftaten zu entschuldigen oder zu verharmlosen, kann diese Aussage als unsachlich eingestuft werden. Bereits der Begriff „Extremismus“ ist in der Sozialwissenschaft sehr umstritten, da es sich bei vermeintlich „linken“ Forderungen zumeist um die Einforderung der Einhaltung von normalem Menschenverstand handelt. So werden Aussagen wie „Refugees Welcome“ (Flüchtlinge Willkommen) oder „Nazis raus“ oft als „links“ bezeichnet, drücken aber lediglich Grundforderungen einer demokratischen Gesellschaft aus, die sogar im Grundgesetz verankert sind (Artikel 16a GG).

Auch muss die Qualität der Vergehen der jeweiligen Personengruppen unterschieden werden. Wohingegen Straftaten, die dem „linksextremen“ Spektrum zugerechnet werden, zumeist Sachbeschädigungen oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (Beispielweise bei Sitzblockaden gegen Neo-Nazi Demonstrationen) umfassen, begehen Rechtsextreme sehr häufig Gewalttaten. Jene beginnen bei der Einschüchterung von „linken“ Aktivisten, was häufig durch öffentliche „Outing-Kampagnen“ oder „Hausbesuche“ zum Ausdruck gebracht wird. Allerdings schrecken Rechtsextreme auch nicht vor Körperverletzungs- und Tötungsdelikten zurück, was die Terrorakte des NSU auch der breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht haben. Neben diesen in der Öffentlichkeit weithin bekannten Terrorakten, starben im Zeitraum von 1990 bis 2012 in Deutschland 174 Menschen infolge rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Diese Zahl stellt jedoch lediglich eine Dunkelziffer dar, da viele durch Rechtsextreme Ermordete nicht als Todesopfer politisch rechts motivierter Gewalt in den staatlichen Statistiken verzeichnet sind.