Ein Schulleiter, der seine Zöglinge seit Generationen zu weltoffenen und toleranten Staatsbürgern erzieht, wird des Amtes enthoben, weil Rechtsradikale nachts Hakenkreuze an seine Schule geschmiert haben.

Ein Busfahrer wird fristlos entlassen, weil ein Fahrgast „Ausländer raus!“ geschrien hat. Dass der Fahrer den Typen sofort auf die Straße gesetzt hat, rettet ihm nicht den Job. Ein Wirt verliert seine Schanklizenz, weil sich ein Besoffener an der Theke über Schwule und Lesben lustig gemacht hat. Der Gastronom hat den Idioten sofort rausgeschmissen. Lokalverbot! Den Behörden ist‘s egal! Die Kneipe bleibt zu.

Alle drei Beispiele sind natürlich erfunden und eigentlich völlig realitätsfern. Niemand käme auf die Idee, anständige Menschen zu bestrafen, in deren „Zuständigkeitsbereich“ homophobe, rassistische oder antisemitische Subjekte ihren Schmutz abgesondert haben. Nur beim Fußball gehen die Uhren anders. Voller Aktionismus ziehen die Funktionäre die gleichgesinnten Clubs und Fans zur Verantwortung. Sie verhängen Geldstrafen und Tribünensperren gegen jene, die es am wenigsten verdient haben. Und sie machen – und das ist das Schlimmste – die niederträchtigen Menschenfeinde stark. Jeder hat inzwischen die Gelegenheit, als Individuum den Fußball aus den Angeln zu heben.

Es war ein bewegender Moment, als 55.000 Menschen in Hamburg der Legende Hermann Rieger gedachten. HSV-Fans und Borussen waren vereint in Andacht, Trauer und Pietät. Dann der unsägliche „Sieg-Heil-Schrei“ eines Einzelnen, der zu kollektiver Empörung führte. Der Typ stand völlig alleine, wurde weggeführt und vom BVB mit einem mehrjährigen Stadionverbot belegt. Genauso muss unsere Gesellschaft mit Fremdenhass und Rassismus umgehen. Und wegen dieses
Schreis soll irgendwann die Südtribüne frei von Fans bleiben?! Das ist Wahnsinn.

Ortswechsel. Südkurve München. Kaum ein Fan-Bereich in Deutschland hat sich über Jahre so entschieden für Toleranz und Mitmenschlichkeit eingesetzt. Die Choreografien für den großen Kurt Landauer waren machtvolle Mahnungen, Erinnerungen an einen Menschen, der den Fußball liebte und von den Nazis ins KZ Dachau gesteckt wurde. Dass junge Menschen ihr Geld und ihre Freizeit opfern, um gemeinsam mit der Initiative „Nie wieder!“ den Rechtsradikalismus zu attackieren und an den Rand unserer Gesellschaft zu treiben, ist den Fußball-Funktionären völlig egal.

Sie richten die Augen der Öffentlichkeit lieber auf ein Transparent einiger weniger Spinner, die mit den Worten „Gay Gunners“ Arsenalfans beleidigen wollten. Und jetzt blieb, obwohl jeder beim FC Bayern dieses erbärmliche Geschreibsel aufs Strengste verurteilt, ein Block in der Allianz-Arena frei. Das ist nicht nur lächerlich, das ist gefährlich.

Diejenigen, die inzwischen systematisch anständige Fans und hilflos-wehrlose Vereine bestrafen, sollten schnell zur Besinnung kommen. Vielleicht hält ein armseliger Rechtsradikaler ja irgendwann ein Plakat direkt vor einer Verbandszentrale hoch. Und dann müssten sich alle Funktionäre, ihrer eigenen Logik folgend, selbst aus dem Verkehr ziehen.
(Hansi Küpper)

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Die Kolumne spiegelt die Meinung des Autors wider.