Borussias erster Fußball-Weltmeister ist tot: Heinrich Kwiatkowski entschlief am gestrigen Freitag nach langem, mit Würde ertragenem Leiden im Alter von 81 Jahren. Dortmund, der Fußball-Westen, ganz Fußball-Deutschland beklagen den Tod eines der fairsten Sportsmänner dieses Landes. Im St. Josef-Seniorenheim in Dortmund-Derne erlag der am 16. Juli 1926 geborene Westfale im Beisein seiner geliebten Ehefrau Katharina seiner jahrelangen schweren Krankheit.

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Das Leder fest im Griff hatte Heinrich Kwiatkowski.

Er hinterlässt zudem Tochter Barbara-Monika und seinen Enkelsohn Mike, mit dem er in früheren Zeiten gern die Spiele seines Clubs besuchte.
Der gebürtige Schalker, der bei der dortigen Westfalia begann, über den S04 (1947 - 50) und Rot-Weiß Essen (1950 - 52) anno 1952 zum Borsigplatz kam, war ein Torwart der alten Schule. 1,80 Meter lang, eine makellose Figur und ein exakter Scheitel auf dem Schopfe kennzeichneten den "Sir" unter den Schlussleuten der 50er und 60er Jahre. Ihm war keine Zusatzschicht zuviel, denn er war ehrgeizig. "Nach dem Training habe ich mir immer den Nippo (Alfred Niepieklo) geschnappt, der mir dann noch ein paar Bälle draufhaute", berichtete "der Heini", wie ihn alle riefen, gern von den damaligen Methoden.
Der Lohn blieb nicht aus. Der damalige Bundestrainer Sepp Herberger berief "Kwiat" in die deutsche Nationalelf und in das 22er Aufgebot zur Weltmeisterschaft in der Schweiz 1954. Hinter dem Düsseldorfer Toni Turek war er "zweiter Mann" - wie auch Heinz Kubsch vom FK Pirmasens. Diese beiden unternahmen dann auch auf dem Thuner See eine Kahn-Tour - mit Folgen. "Wir wollten eigentlich nur raus, um uns eine Zigarette zu rauchen", erzählte "Kwiat" die Episode gern, "aber beim Besteigen des Kahns fiel ich ins Wasser und konnte nicht schwimmen. Ich wurde aber gerettet. Das Zigarettenrauchen habe ich mir dann abgewöhnt, dafür habe ich später das Schwimmen gelernt." Fazit der Geschichte: Herberger stellte den Dortmunder im Vorrundenspiel gegen die Ungarn mit einer sogenannten B-Elf in die "Kiste" - das Spiel endete 3:8. Diesen 20. Juni 1954 in Basel hatte "Heini" nicht mehr vergessen. "Ich habe gebetet, dass es nicht zweistellig wird", erinnerte er sich an dieses Spiel. Vergessen hatte er aber auch nicht, schließlich kehrt er mit seinen Kameraden als erster Fußball-Weltmeister in die Heimat zurück.
Bei der Borussia stand er in der legendären 56er und 57er Meistermannschaft (24. Juni 1956 in Berlin 4:2 gegen den Karlsruher SC, 23. Juni 1957 in Hannover 4:1 gegen den Hamburger SV). 1961 stand er - dieses Mal als Kapitän - nochmals im Finale in Hannover (0:3 gegen den 1.FC Nürnberg), 1963 zählte er zum Kader des Deutschen Meisters BVB (3:1 gegen den 1. FC Köln in Stuttgart). Die Bundesliga startete - und "Kwiat" absolvierte auch noch drei Partien in der neuen Umgebung (409 waren es in der Oberliga, 31 Endrundenspiele, zehn Europapokal-Begegnungen). Die WM-Teilnahme 1958 rundete das große Gesamtbild dieses untadeligen Sportlers ab.

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1961 führte Kwiatkowski (l.) den BVB ins Finale gegen den 1. FC Nürnberg.

Heinrich Kwiatkowski, der gelernte Schlosser, arbeitete fortan bei der Bildstelle der Dortmunder Stadtwerke, bevor er nach 25 Jahren dort im Jahre 1989 in den verdienten Ruhestand ging. Dort hegte und pflegte er seinen Garten in der Nähe des Stadions und erfreute sich seiner Lieben. Borussia hielt er immer die Treue. So spielte er jahrelang in der Traditionsmannschaft (noch mit 63 Jahren hechtete er an der Mosel dem runden Leder hinterher und entnervte dabei 40 Jahre jüngere Stürmer). Er war Mitglied des Ältestenrates seines Clubs, zeitweilig sogar der 2. Vorsitzende in diesem Gremium.
Der "Gentleman" der Schwarz-Gelben war ein stets willkommener Gast bei Veranstaltungen rund um den BVB, denn er erzählte so schön von früher. Die Alten mochten ihn - die Jungen auch. Selten hatte ein Mann aus dieser Region ein solches Maß an Popularität erreicht, ohne sich dafür verbiegen zu müssen. Denn eins war "der Heini" immer: ein aufrechter Zeitgenosse. So werden am kommenden Donnerstag viele Tränen auf dem Weg zur letzten Ruhestätte vergossen werden...
Fritz Lünschermann