„Wir waren oft da, um dann vieles falsch zu machen“, resümierte Jürgen Klopp nach dem Spiel in Marseille: „Ruhig zu bleiben war nicht einfach. Die Mannschaft aber hat Ruhe bewahrt und sich durch ein gewürgtes Tor belohnt.“

Haben Sie nach der Vielzahl von vergebenen Chancen noch an ein Happy-End geglaubt?
Wir waren gedanklich ja nicht so weit weg vom Sieg und haben immer daran geglaubt. Wer allerdings so viele Möglichkeiten auslässt, ist im Fußball schon mal hart bestraft worden. Wir haben gegen einen leidenschaftlichen Gegner kaum etwas zugelassen, aber dennoch ein Tor kassiert, das unglücklicherweise auch noch abseits war. Wir waren überzeugt, dass wir diese eine Chance noch bekommen: Dass der Ball dann so labbrig rein geht, war nicht zu erwarten.

Was bedeutet es, als Gruppensieger weitergekommen zu sein? Und haben Sie einen Lieblingsgegner für das Achtelfinale?
Mit dem Gruppensieg haben wir uns vor dem Spiel nicht beschäftigt, sondern nur damit, wie wir es schaffen können, eine Runde weiterzukommen. Ich war überglücklich über diese Situation und ehrlich gesagt sogar überrascht über die Nachricht, dass wir Gruppenerster geworden sind.

Wie hat Hans-Joachim Watzke das Drama ertragen?
Er war sehr angespannt, schon vor dem Spiel. Dabei sollte er sich daran gewöhnt haben, dass es bei uns mal eng werden kann…

Sind die nicht genutzten Chancen auch auf den Druck zurückzuführen?
Es besteht da sicher ein Zusammenhang: Bei vielen Momenten, wo wir am Flügel durchkommen, aber zu hektisch und damit zu ungenau gespielt haben. Hinzu kam ein nicht wahnsinnig toller Platz, der sehr uneben war. Der Nerven waren angespannt; das lässt Genussfußball nicht zu. Wir sind so lange dran geblieben, bis das Ding drin war.

Nuri Sahin hat mit einem Bänderanriss gespielt, Marian Sarr zum allerersten Mal. Was sagen Sie zu der Leistung der beiden?
Mit beiden war ich super zufrieden. Nuri hat mit seiner Leistung gezeigt, wie wichtig er für dieses Spiel war. Oder um es anders zu sagen: Trotz Nuri war es schwer genug, in torgefährliche Räume zu kommen. Marian hat mehr gezeigt, als ich erhofft oder sogar erträumt hatte. Er war cool am Ball, hat keinen wichtigen Zweikampf verloren und sich am Ende für eine Gelbe Karte geopfert. Für ein erstes Spiel war das richtig gut!

Wie bewerten Sie den Verlauf der Gruppenphase?
Das erste negative Highlight habe ich in Neapel gesetzt und dadurch beigetragen, dass das Spiel so hektisch wurde. An dieser Niederlage halte ich große Aktien. Danach hatten wir großartige Momente im Heimspiel gegen Marseille und auswärts in London. Nach der Heimniederlage gegen Arsenal standen wir unter riesigem Druck, mussten gegen eine starke italienische Mannschaft nicht nur gewinnen, sondern das sogar mit zwei Toren Unterschied. Die Mannschaft hat phantastische Reaktionen gezeigt in einem Halbjahr, in dem viel gegen uns gelaufen ist, vor allem mit den Verletzungen. Wir sind zurückgekommen und haben das Rennen für uns entschieden. Das ist außergewöhnlich gut.
Aufgezeichnet von Boris Rupert