Es war der 30. Juli 1966: London, Wembley-Stadion – die 101. Spielminute im WM-Finale zwischen England und Deutschland läuft, als Geoff Hurst beim Stand von 2:2 in der Verlängerung das Leder unter die Querlatte jagt. Der Ball springt zurück ins Spielfeld, doch der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst entscheidet nach Rücksprache mit dem sowjetischen Linienrichter Tofik Bachramov auf Tor.

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Ein Tor, das keines war, entscheidet nicht nur dieses Spiel (4:2 für England), nein es prägt fortan auch das Leben des Hans Tilkowski, jenem Torhüter von Weltklasse, der am 12. Juli 2015 seinen 80. Geburtstag begeht.

Nunmehr fast 50 Jahre lang wird der „schwarze Til“ auf diese vielleicht brisanteste Szene der Fußball-Geschichte überhaupt immer wieder angesprochen. Das Tor als Wegbegleiter eines untadeligen Sportsmannes, der in einer Zechen-Kolonie in Dortmund-Husen das Licht der Welt erblickte. Beim SV Husen 19 erlernt er von 1946 bis 49 das Fußball-ABC, bevor er zum Landesligisten SuS Kaiserau wechselt. 1955 holt ihn Trainer Fritz Langner zum Oberligisten Westfalia Herne. Der „schwarze Panther“ entwickelt sich zum erstklassigen Torwart und feiert am 3. April 1957 beim 2:1-Erfolg in Amsterdam über Holland seine Länderspiel-Premiere (übrigens gemeinsam mit Aki Schmidt). Er wird auf insgesamt 39 Spiele im Nationaltrikot kommen und damit lange Rekord-Nationalspieler auf dieser Position sein.

Bundestrainer Sepp Herberger mag die besonnene Art des Westfalen, dem Ähnlichkeit mit Paul Newman nachgesagt wird, dem aber freilich jegliche Schauspielerei fremd ist. So kann er bei der WM 1962 in Chile – als Nummer 1 gesetzt – auch schwerlich seinen Ärger verbergen, als der „Bundes-Sepp“ den jungen „Flieger“ Wolfgang Fahrian vorzieht. „Til“ will abreisen, bekommt allerdings keinen Flug. Fortan herrscht „Funkstille“. Über zwei Jahre!

Herberger holt Tilkowski zurück

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Zwischenzeitlich hatte der „Hannes“ beim BVB angeheuert und mit Glanzparaden dafür gesorgt, dass die schwarzgelbe Armada im Achtelfinale des damaligen Landesmeister-Wettbewerbs gegen den amtierenden Titelträger Benfica Lissabon nicht hoffnungslos in das Rückspiel ging. Es galt, ein 1:2 wettzumachen. Borussias Sternstunde erlebten über 40.000 Besucher am Abend des 4. Dezember 1963. Es war bitterkalt, doch die in goldgelben Flutlichttrikots aus Seide auflaufenden Borussen waren „heiß“ und entzauberten das damalige Weltklasseteam mit sage und schreibe 5:0. Bundestrainer Herberger meldete sich beim Schlussmann der Borussen und konnte ihn schließlich erweichen.

Es folgten die Jahre des Hans Tilkowski: 1965 DFB-Pokalsieger (2:0 über Alemannia Aachen), im gleichen Jahr als erster Torhüter „Fußballer des Jahres“, 1966 Europapokalsieger (2:1 n.V. über Liverpool) und im gleichen Jahr Vize-Weltmeister. 1967 nahm „Til“ Abschied aus Dortmund und spielte bis 1970 noch für Eintracht Frankfurt. Er kam auf insgesamt 121 Bundesligaspiele – ohne jemals eine Gelbe oder Rote Karte gesehen zu haben. Am 17. Oktober 1970 bestand er das Trainer-Diplom an der Sporthochschule in Köln. Stationen als Trainer bei Werder Bremen, 1860 München, 1.FC Nürnberg, 1. FC Saarbrücken und AEK Athen folgten.

Großes Engagement im sozialen Bereich

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Hans Tilkowski vor der nach ihm benannten Schule in Herne.

Seit Jahren engagiert sich der gradlinige Familienvater (seit 56 Jahren verheiratet mit Ehefrau Luise, die Kinder Susanne, Ralf und Uwe sind längst erwachsen – die Enkelkinder heißen Elisabeth, Paula, Antastasia und Alexia) für soziale Zwecke, insbesondere für Multiple Sklerose Erkrankte, die Mukoviszidose-Stiftung von Marianne Herzog und für das SOS-Kinderdorf in Oberhausen. Viel Geld hat er mit Prominenten-Spielen zugunsten Leukämie und Tumor sowie Krebs erkrankter Kinder zusammengetragen. Und so war es auch selbstverständlich, dass vor zehn Jahren – an seinem  70. Geburtstag – wie heute in der Spielbank Hohensyburg der karitative Zweck im Vordergrund stand.

Hans Tilkowski ist sich immer treu geblieben. Bodenständigkeit und Beharrlichkeit gehören zu seinen Wesenszügen wie auch der kritische Dialog mit den heutigen Zeitgenossen. Einen echten Freund aus den Glanzzeiten bei Borussia hat er immer behalten: „Hoppy“ Kurrat, der Kleine mit dem großen Kämpferherzen. Er wird zur Gratulationscour für einen ganz Großen seines Faches die besten Wünsche übermitteln. Wir schließen uns gerne an und freuen uns, dass „unser Til“ bei bester Gesundheit und voller Tatendrang stets ein guter Botschafter des Fußballs geblieben ist.  

„Und ewig fällt das Wembley-Tor“

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Hans Tilkowski vor dem Tofik-Bachramov-Denkmal in Baku

In seiner langjährigen Heimatstadt Herne, wo er bis 1963 die große Ära der Westfalia mitprägte, ist er Namensgeber einer Hauptschule! Die Sportschule Kaiserau, einst sein „zweites Zuhause“, hat ganz frisch ein Sporthaus des Fußball-und Leichtathletik-Verbandes Westfalen mit seinem Namen errichtet. Darauf kann der Sportler mit Leib und Seele mit Fug und Recht stolz sein.

Seine Biographie „Und ewig fällt das Wembley-Tor“, geschrieben von seinem langjährigen Freund, dem Journalisten Hans Ost, skizziert einen Mann, der westfälische Tugenden verkörpert wie kein Zweiter. 

Herzlichen Glückwunsch, lieber „Til“!
Fritz Lünschermann