Zwischen Schockstarre und Enthusiasmus. Im April macht nicht nur das Wetter, was es will. Jürgen Klopps Ankündigung, den BVB zum Saisonende zu verlassen, ist in der „Tagesschau“ die Meldung des Abends. Nach Mitch Langeraks Paraden knallen in Dortmund die Sektkorken: Borussia gewinnt in München und zieht ins Pokalfinale ein.

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Pierre-Emerick Aubameyang trifft in München zum 1:1.

Während in Dortmund Silvesterraketen den Nachthimmel erleuchteten und eine Stadt den Einzug ihres Fußballvereins in das 72. Endspiel um den DFB-Vereinspokal feiert, spielen sich 600 Kilometer entfernt, in der Stätte des Triumphes, unglaubliche Szenen ab. 2:0 nach Elfmeterschießen! 1:1 nach spannenden 120 Minuten. Borussia ist im Finale!

Dabei sieht es lange nach einem Sieg der Bayern aus, die nach einer halben Stunde durch Robert Lewandowski in Führung gehen. Aus spitzem Winkel gelingt Pierre-Emerick Aubameyang eine Viertelstunde vor Schluss der Ausgleich. In der Schlussphase der regulären Spielzeit hat der BVB durch Marco Reus und Henrikh Mkhitaryan das 2:1 auf dem Fuß. Kevin Kampl sieht in der Verlängerung Gelb-Rot, Borussia rettet sich ins Elfmeterschießen. Dort passiert das Unfassbare: Bei den Bayern rutschen Philipp Lahm und Xabi Alonso weg, während Ilkay Gündogan und Sebastian Kehl verwandeln. 2:0 für den BVB. Mitch Langerak pariert Elfer Nummer drei gegen Mario Götze, Manuel Neuer den dritten Dortmunder Schuss von Mats Hummels. Neuer setzt den Schlusspunkt – an die Latte. „Alle sind glücklich und erleichtert, dass wir aus dieser Saison doch noch richtig etwas rausholen können“, freut sich Hummels.

Schon das Viertelfinale eine Runde zuvor ist eine hochspannende Angelegenheit. Gegen die TSG Hoffenheim setzt sich Borussia in einer dramatischen Partie nach einem 1:2-Rückstand zur Pause noch mit 3:2 in der Verlängerung durch. Mann des Tages ist Sebastian Kehl mit einem Traumtor aus 25 Metern in der 107. Minute. Außerdem treffen Neven Subotic und Aubameyang.

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Pokal-Held Sebastian Kehl mit Mats Hummels nach dem Sieg gegen Hoffenheim.

Auch in der Bundesliga treffen Borussia und der FC Bayern im April aufeinander. Der BVB bereitet dem designierten Meister große Probleme, steht am Ende aber mit leeren Händen da – 0:1. Das Tor des Tages erzielt ausgerechnet Ex-Borusse Lewandowski, der sich einen Jubel jedoch verkneift und später sagt: „Ich habe sehr großen Respekt vor dem Verein und seinen Fans. Ich hatte in Dortmund vier schöne Jahre.“ Den durchaus möglichen Ausgleich verhindert Bayern-Keeper Neuer mit einer phantastischen Reaktion bei Marco Reus’ (fast) perfektem Freistoß kurz vor dem Ende.

In Gladbach folgt eine weitere Niederlage. Klopps Elf ist insgesamt zwar feldüberlegen, gerät jedoch zum dritten Mal in dieser Saison in der ersten Spielminute in Rückstand und strahlt gegen den Tabellendritten zu wenig Torgefahr aus. Ilkay Gündogan gelingt lediglich eine Ergebniskorrektur.

Den SC Paderborn besiegen die Schwarzgelben vor ausverkauftem Haus souverän mit 3:0. Mkhitaryan, Aubameyang und Shinji Kagawa erzielen die Tore. Es folgt ein 2:0 gegen Eintracht Frankfurt durch frühe Tore von Aubameyang und Kagawa. Der BVB klettert in der Tabelle auf den achten Platz und stellt Tuchfühlung zu den Europa-League-Rängen her.

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Überstrahlt werden all diese Nachrichten vom Rücktritt Jürgen Klopps. Mehr als 100 Journalisten drängen sich in den Presseraum im Signal Iduna Park, als Hans-Joachim Watzke am 15. April den Wunsch des Trainers nach einer vorzeitigen Auflösung des bis 30. Juni 2018 laufenden Vertrags bekannt gibt: „Der ewige Dank aller Borussen wird Dir zuteil. Das einzige, was mich tröstet, ist, dass unsere Freundschaft bestehen bleibt.“ Sportdirektor Michael Zorc: „Wir haben in den letzten sieben Jahren ein modernes Fußballmärchen geschrieben.“

Die Entscheidung habe nichts mit der sportlichen Situation zu tun, versichert Klopp. Er habe „die Frage, ob ich noch der perfekte Trainer für diesen außergewöhnlichen Verein bin, in den letzten Tagen nicht mehr eindeutig mit Ja beantworten“ können. In seiner Ära ist der BVB zwei Mal Deutscher Meister (2011 und 2012) geworden, zwei Mal Vizemeister (2013 und 2014) sowie Pokalsieger (2012) und erreicht das Champions-League-Finale (2013). Mit einem Punkteschnitt von 1,92 Zählern pro Bundesligapartie ist Klopp der erfolgreichste BVB-Trainer aller Zeiten – vor Ottmar Hitzfeld (1,85) und Matthias Sammer (1,74). Aus Respekt vor ihm fällt die Nachricht von der Verpflichtung seines Nachfolgers vier Tage später bewusst kurz aus: Thomas Tuchel kommt.

Die Handball-Damen feiern die Rückkehr in die Bundesliga, und Borussias Engagement gegen Diskriminierung jeglicher Art findet im Ausland immer mehr Beachtung. Ein israelischer Fernsehsender lädt anlässlich des nationalen Holocaust-Gedenktages den Fanbeauftragten Daniel Lörcher nach Tel Aviv ein. Thema: Der BVB und sein Kampf gegen Antisemitismus.
Boris Rupert