Vier Minuten und eine Sekunde gibt der Italiener Rizzoli im 58. Endspiel um den Europapokal der Landesmeister drauf. Dann pfeift er das Champions-League-Finale ab. Auf fast schon tragische Weise verliert Borussia Dortmund das Finale im wichtigsten Klubwettbewerb der Welt mit 1:2 gegen den FC Bayern München.

„Hätte Dortmund eine der guten Chancen in den ersten 30 Minuten genutzt, hätte das einen enormen Vorteil für den weiteren Spielverlauf bedeutet, doch Neuer war einfach nicht zu überwinden. Bayern konnte dazu von Glück reden, dass Dante nach seinem Foul an Reus vor dem Elfmeter kein Gelb-Rot sah“, ist später im kicker Sportmagazin nachzulesen. Nicht nur die nationale, sogar die weltweite Anerkennung für eine formidable Leistung ist der Borussia gewiss. Doch Präsident Dr. Rauball spricht einen weisen Satz: „Leider hat die Geschichte keinen Platz für zweite Plätze.“

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Es fehlt nur eine Nuance, vielleicht ein Quäntchen Glück, der Meisterschaft 2011 und dem Doublesieg 2012 den Champions-League-Coup 2013 folgen zu lassen. „Es ist bitter, wenn du kurz vor Schluss solch einen Nackenschlag bekommst, das 1:2 kassierst und keine Zeit mehr hast, das zu reparieren“, sagt Sportdirektor Zorc über Robbens Treffer in der 89. Spielminute: „Es gab nur ganz kleine Unterschiede, die aber dazu geführt haben, dass Bayern gewonnen hat.“ 360 Millionen Menschen sitzen weltweit vor den Fernsehgeräten; keine Sportsendung erzielt 2013 eine höhere Quote.

Blättern wir noch einmal den kicker auf: „Klopp hatte sein Team mit einer klaren Marschroute aufs Feld geschickt: Früh und aggressiv attackieren, damit den Spielaufbau der Bayern immer wieder zerstören, und gleichzeitig nach Ballgewinnen flott nach vorne spielen. Lewandowski und Reus griffen im Sprint die beiden Münchner Innenverteidiger an, um sie zu Abspielen nach außen oder zu langen Bällen zu zwingen. Die Bayern waren damit zunächst völlig überfordert und kamen zu keinem klaren Spielfluss, weil auch Robben und Ribery aggressiv angegangen wurden. Im zentralen Mittelfeld dominierten Bender und Gündogan, die nicht nur vielfach Bälle eroberten, sondern dann auch gekonnt die Offensivspieler einsetzten. Reus tauchte auf beiden Flügeln auf, interpretierte seine Rolle wie eine zweite Spitze, spielte seine Kollegen immer wieder frei, die dies dank der tollen Paraden von Neuer aber nicht in Tore ummünzen konnten.“

Borussia verpasst es jedenfalls in einem überragenden ersten „Viertel“ – „meine Mannschaft hat das phasenweise so gut umgesetzt, dass mir dazu die Worte fehlen“, so Klopp – angesichts von 6:0 Torschüssen eine oder sogar zwei der teilweise hochkarätigen Torchancen zu nutzen. Stattdessen trifft Mandzukic nach einer Stunde. Nach Gündogans Ausgleich per Elfmeter in der 68. Minute können die Münchner nochmal deutlich  zulegen. Hummels: „Man muss anerkennen, dass der Gegner am Ende vielleicht einen Tick besser gewesen ist. Doch je näher du am Cup bist, im Finale stehst und siehst, dass du den Gegner schlagen kannst, umso mehr tut es auch weh, ihn nicht geholt zu haben.“

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Im Mai bleibt der BVB in der Liga sieglos, bringt Tabellenplatz zwei und damit die Vizemeisterschaft dennoch ins Ziel. Im Vorlauf für Wembley trennen sich Borussia Dortmund und der FC Bayern München im Signal Iduna Park mit 1:1 (Tor: Großkreutz), in Wolfsburg legt die Mannschaft nach 1:3-Rückstand (Bender) in der Schlussphase einen Zahn zu, holt durch einen Doppelschlag von Reus (84./87.) noch einen Punkt, unterliegt dann aber eine Woche vor dem großen Finale der TSG Hoffenheim im eigenen Stadion mit 1:2. Dabei sieht es nach Lewandowskis frühem Führungstor und Chancen in Hülle und Fülle nach einem Sieg zum Ligaabschluss aus, doch in der Schlussphase gibt es zwei Elfmeter für Hoffenheim samt Roter Karte für Weidenfeller. Großkreutz rückt ins Tor und ist in der Nachspielzeit gar an Schmelzers vermeintlichem Ausgleichstreffer beteiligt, den Schiedsrichter Drees nach langen Diskussionen dann aber doch nicht anerkennt.

Blicken wir noch einmal nach London. Es wird schon hell über der Themse, als die Spieler nach einer langen Nacht das Natural History Museum verlassen. Die Finalniederlage hat die Party zunächst zwar etwas schwerer in Schwung kommen lassen – umso ausgelassener aber endet sie. Der Stolz auf das Geleistete hat sich schon wieder seinen Platz erkämpft in den Köpfen der Spieler. „Unterm Strich“, sinniert Neven Subotic, „war es eine überragende Saison. Wer hätte gedacht, dass eine kleine Mannschaft wie der BVB die Großen so in Schwierigkeiten bringen würde…“
Boris Rupert