Gold für die U19, Silber für die U17 – Borussia Dortmunds älteste Nachwuchsmannschaften spielten wieder einmal eine fabelhafte Saison und bescherten dem Klub im sechsten Jahr in Serie eine Deutsche Meisterschaft. Die Strukturen im Nachwuchsbereich werden weiter professionalisiert.

Zum 22. und 23. Mal standen in diesem Sommer Nachwuchsmannschaften von Borussia Dortmund im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, übertroffen wird diese Bilanz nur vom VfB Stuttgart mit 29 Finalteilnahmen. Nach der Niederlage der U17 bleibt es dabei: In beiden Altersklassen in einem Jahr gleichzeitig zu triumphieren, hat noch nie ein Klub geschafft.

Dabei war die U17 – im Gegensatz zur U19 – hoch favorisiert ins Endspiel gegen den 1. FC Köln gegangen. Alles schien wie gemalt: das Wetter, die Kulisse und dazu noch Heimrecht vor 10.000 Besuchern in der ausverkauften "Roten Erde". Ungeschlagen war die Mannschaft von Sebastian Geppert durch die Saison marschiert, hatte die Bundesliga West beherrscht und mit neun (!) Punkten Vorsprung auf den späteren Finalgegner 1. FC Köln gewonnen. In den Halbfinals wurde der VfL Wolfsburg klar mit 4:1 und 2:0 ausgeschaltet.

Doch der Fußball ist nunmal nicht berechenbar. Im Endspiel – nach zuvor 23 Siegen und fünf Unentschieden – lief alles gegen die Schwarzgelben. Zunächst liefen sie neben sich her und erstmals in dieser Saison einem 0:2-Rückstand hinterher, sie verschossen einen Elfmeter und glichen dennoch zum 2:2 aus, sie kassierten das 2:3 und liefen weiter an – gegen eine Wand von elf Abwehrspielern, die das Glück auf ihrer Seite hatte, als Dortmund den Pfosten traf und später ein Ball auf der Torlinie geklärt werden konnte. "Die Kölner haben es sich verdient", sagte Nachwuchskoordinator Lars Ricken, "sie haben eine Top-Leistung gebracht in einem tollen Endspiel. Gerade in solchen Finalspielen kommt es auch darauf an, dass du gnadenlos effizient bist. Das hatten uns die Kölner voraus." Mitfühlend fügte der 42-Jährige, der in seiner Karriere sowohl in der Jugend als auch als Profi die Meisterschaft gewann, hinzu: "Unsere U17 hat eine fantastische Saison gespielt und sich als Team weiterentwickelt. Am Ende schleichen sie zwar hier mit hängenden Köpfen vom Platz. Aber auch das ist eine Erfahrung, die sie mitnehmen werden. Die Jungs werden nächstes Jahr in der U19 einen neuen Anlauf nehmen."

Während am vergangenen Sonntag bei der U17 Trauer herrschte nach der ersten Niederlage im letzten Spiel der Saison, hatte die U19 zwei Wochen zuvor eine zwischenzeitlich schwierige Spielzeit mit dem achten Meistertitel, dem dritten seit 2016, gekrönt und ihrem scheidenden Trainer Benjamin Hoffmann damit einen großartigen Abschied beschert. Der Spielverlauf war irgendwie auch ein Spiegelbild der vergangenen Monate. Zur Pause lag der BVB gegen Pokalsieger VfB Stuttgart mit 1:3 zurück. "Wir waren mausetot", so Hoffmann, "aber dann haben wir wieder den Punch bewiesen, der uns auszeichnet." Er hatte in seinem letzten Spiel als Trainer der U19 alles richtig gemacht und spielentscheidende Entscheidungen getroffen: Immanuel Pherai rückte ins offensive Mittelfeld und war einer der spielentscheidenden Akteure. Pherai bereitete den Ausgleich vor, provozierte den Platzverweis des Stuttgarters Luca Mack (53. Minute) und verkürzte kurze Zeit später auf 2:3. Zudem hatte Hoffmann in der Pause Paul Besong eingewechselt. Der robuste Stürmer traf zum 3:3-Ausgleich per Kopf und mit einem strammen 20-Meter-Schuss zum 4:3. Enrique Pena Zauner setzte in der Nachspielzeit den Schlusspunkt.

Nachwuchs-Koordinator Lars Ricken spricht "ein Riesenkompliment an alle Beteiligten" aus und fügt nach einem an Höhepunkten reichen Spieljahr hinzu: "Sowohl für die U19 als auch die U17 begann die Saison im Juli vergangenen Jahres. Jetzt, fast zwölf Monate später, haben sie sich dafür mit Platz eins und Platz zwei belohnt. Es ist das Ergebnis einer harten Arbeit, nicht nur bei diesen Mannschaften, sondern auch der unteren Bereiche, die mit ihrem langjährigen Engagement überhaupt Sorge dafür tragen, dass wir im U17-/U19-Bereich entsprechend starke Mannschaften haben."

Auch wenn es mit der erhofften Doppel-Meisterschaft nicht geklappt hat: Wie fällt das Fazit aus?
Es ist eine herausragende Bilanz mit sechs Deutschen Meisterschaften in den zurückliegenden sechs Jahren. Das wird es in dieser Form im Jugendfußball nie wieder geben, sondern etwas Einmaliges bleiben, weil die Leistungsdichte in allen Nachwuchsleistungszentrum extrem hoch geworden ist. Das sieht man allein schon daran, dass die anderen Endrunden-Teilnehmer in beiden Altersklassen aus fast komplett unterschiedlichen Vereinen kamen. Nur Wolfsburg war auch mit der U17 und der U19 im Halbfinale.

Die angesprochene Leistungsdichte ist jedoch nicht erst in diesem Jahr gewachsen. Warum hat es Borussia Dortmund seit 2014 geschafft, in jedem Jahr mindestens eine Mannschaft, insgesamt acht Teams, ins Finale zu bringen und sechs/sieben Titel zu holen?
Was uns vielleicht von Anderen unterscheidet ist die Tatsache, dass wir dieses Ziel, um Platz eins mitspielen zu wollen, relativ offen und forsch formulieren. Ambitioniert zu sein, ist eines unserer Ausbildungsziele. Das ist einer von vielen Gründen, warum hochtalentierte Spieler gerne zum BVB wechseln. Wir können das Trainings- und Spielniveau der Profis nicht simulieren, wir wollen aber so gut wie möglich ausbilden, damit jeder Junge sein bestmögliches Leistungsniveau erreichen kann.

Dafür, dass kein Stillstand eintritt, sprechen zwei bemerkenswerte Personalentscheidungen: Michael Skibbe und Otto Addo kehren zur kommenden Saison zum BVB zurück. "Damit professionalisieren wir uns im elementar wichtigen Übergangsbereich der Altersklassen U17 bis U23, um eine konstant hohe Durchlässigkeit zur Profi-Abteilung zu gewährleisten", erläutert Sportdirektor Michael Zorc. Skibbe (53) löst den aktuellen U19-Coach Benjamin Hoffmann ab, der die sportliche Leitung im Aufbaubereich von U12 bis U16 übernimmt und damit eine neue, wichtige Funktion im Nachwuchsleistungszentrum einnimmt. An der Schnittstelle zu den Profis setzt die Arbeit von Addo an. Der 43 Jahre alte frühere BVB-Stürmer (1999 bis 2005) soll die Top-Talente an die Porfimannschaft heranführen und ist für die Betreuung und zusätzliches Training dieser Spieler zuständig. 

Wie hat man sich die Aufgabe, die Otto Addo übernimmt, konkret vorzustellen?
Es ist ein umfangreiches Gebiet, das er als Bindeglied zwischen den Profis, der U23 und den ältesten Nachwuchsmannschaften abdeckt. Durch eine intensivere Kommunikation zwischen diesen drei Säulen erwarten wir eine höhere Durchlässigkeit. Gleichzeitig soll er die Belastung dieser Spieler optimal steuern, weil sie mitunter in mehreren Teams spielen, beispielsweise wenn sie ab und zu bei den Profis mittrainieren, in der U23 aktiv sind, aber auch in der U19, wenn wir in der UEFA Youth League antreten, und dazu noch Nationalspieler in ihrer Altersklasse sind.

Wird er bei den Trainingseinheiten beobachtend dabei sein, oder wird er den einen oder anderen Spieler auch individuell trainieren?
Durch die Schul-Kooperation haben wir am Mittwoch und Donnerstag die Möglichkeit, im Vormittagsbereich zu trainieren. Das wollen wir ausweiten, individuell oder in kleinen Gruppen. Otto wird sich zudem nicht nur die mannschaftlichen Trainingseinheiten anschauen, sondern auch die Spiele der U23, der U19 und der U17, damit die Rückmeldung gewährleistet ist.

Michael Skibbe arbeitete schon von 1989 bis 1998 im BVB-Nachwuchs. In seine Zeit fallen fünf A-Jugendmeisterschaften in Serie – etwas bis heute Einzigartiges im deutschen Nachwuchsfußball –, darunter drei mit dem Trainer Skibbe. Ab 1. Juli übernimmt er die U19.
Ein ungewöhnlicher Trend, weil momentan viele Trainer aus dem NLZ-Bereich zu den Profis wechseln. Michael geht den umgekehrten Weg. Wir haben in der Vergangenheit viele Stellen intern vergeben, wollen uns aber externen Einflüssen nicht verschließen. Ich freue mich, dass Michael wieder da ist. Ich selbst wurde als Jugendspieler Deutscher Meister, als er Nachwuchskoordinator war. Mit seiner Reputation, mit seinem Wissen und mit seiner Erfahrung wird er den Jungs im U19-Bereich zeigen, was auf höchstem Niveau gefordert ist. Er war sieben Jahre Nationaltrainer – vier Jahre in Deutschland und drei Jahre in Griechenland. Er hat acht Erstligisten trainiert. Von diesem Erfahrungsschatz können unsere Jugendspieler immens profitieren. 

Wie überzeugt man einen Mann wie Michael Skibbe, der 2002 im WM-Finale stand, zurückzukehren zu seinen Wurzeln, die im Alter von 23 Jahren bei Borussia Dortmund begannen?
Schon bei den ersten Telefonaten habe ich bei ihm die Begeisterung für diese Aufgabe herausgehört. Er hat große Lust, Spieler weiterzuentwickeln und ihnen den letzten Schliff für den Seniorenbereich zu geben. In den nächsten Jahren kommen hoch veranlagte Jungs hoch. Ab der U14 stehen alle unsere Mannschaften auf Platz eins – das würden sie nicht, wenn sie keine Toptalente in ihren Reihen hätten. 

Trotz der großen Erfolge der Nachwuchsmannschaften ist die Zahl jener, die es in den Profikader und dort den Durchbruch geschafft haben, überschaubar. In den vergangenen Jahren waren dies Christian Pulisic und Jakob Bruun Larsen.
Der Anspruch bei Borussia Dortmund ist hoch. Wir wollen mal wieder Deutscher Meister werden, wir sind ein Top-10-Klub in Europa. Im Profikader steckt eine enorme Qualität. Deshalb ist der Weg für einen talentierten Nachwuchsspieler nicht einfach. Doch die Durchlässigkeit ist da! In Luca Unbehaum, Tobi Raschl und Patrick Osterhage rücken auf – hinter ihnen sehe ich weitere tolle Talente. 

Mal angenommen, ein junger Spieler aus Argentinien – nennen wir ihn "Lionel" – klopft an oder ein Portugiese namens "Cristiano". Beide 14 Jahre alt. Was würdest Du ihnen sagen?
(Ricken lacht) Wenn Ihr Profifußballer werden wollt: herzlich willkommen beim BVB!
Autor: Boris Rupert