Es gibt Kommentare, die vergisst man nicht. Wie den von Herbert Zimmermann aus dem Jahr 1954: „Aus, aus, aus, aus. Das Spiel ist aus!“ Oder jenen vom 28. Mai 1997, auch wenn er von Marcel Reif ist: „Ricken…, Lupfen jetzt! JAAAAAAAA! – Fünf Sekunden auf dem Platz. Fünf Sekunden! Lars Ricken!“

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Was war passiert? Der Dortmunder Spieler Ricken, 20, hatte soeben mit einem Lupfer aus vollem Lauf und satten 30 Metern Torentfernung über den verdutzten Angelo Peruzzi hinweg das Champions-League-Finale entschieden. 3:1! Für Außenseiter Borussia Dortmund gegen Titelverteidiger Juventus Turin. Es wird das offizielle „Tor des Jahres“ 1997 – und später gar zum BVB-Jahrhunderttor gekürt.

20 Jahre sind seitdem vergangen. Doch Ricken, mittlerweile 40, wird noch immer und immer wieder gefragt, wie oft er sich dieses eine Tor danach denn wohl angeschaut habe. „Anscheinend sind manche Menschen der Meinung, dass ich mir das Tor nachts ansehe, damit ich besser schlafen kann“, hat Ricken einmal gemutmaßt.

Ihn selbst allerdings berühren andere Erinnerungen rund um den Triumph von 1997 noch mehr. Wie die an den Tag danach, an dem die Helden von München in einem offenen Bus durch Dortmund gefahren sind. „Mir haben am Borsigplatz Fans sogar ihre Kinder entgegenhalten, damit ich sie kurz berühre. In diesem Moment ist mir bewusst geworden, was diese Erfolge für die Fans von Borussia Dortmund bedeuten“, erzählt Lars Ricken in einem Interview mit 11FREUNDE.

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Oder aber jener Rückblick an den Spielort. München. Ausgerechnet München. Der größte Triumph der Vereinsgeschichte gelang im Stadion des größten nationalen Widersachers. „Ich habe in der Meisterschaft während meiner ganzen Karriere nicht in München gewonnen. Gleichzeitig habe ich aber in diesem Stadion meine größten Erfolge gefeiert. Das waren die Deutsche Meisterschaft 1996 und der Gewinn der Champions League 1997“, sagt Ricken – und ergänzt: „Es ist schon etwas Besonderes, in der Münchener Kabine den Champions-League-Sieg zu feiern.“

Dabei hatte die finale Reise der Saison 1996/97 für den 20-jährigen Shootingstar, der in den Runden zuvor bereits die entscheidenden Treffer gegen AJ Auxerre und Manchester United beigesteuert hatte, eher mau begonnen. Am Telefon hatte Trainer Ottmar Hitzfeld seinen Spieler darüber unterrichtet, dass er zunächst auf der Bank sitzen würde. „Er hat mich einen Abend vorher angerufen und es mir gesagt.“ Ricken war enttäuscht.

Auch wenn er es bereits geahnt hatte. Schließlich war die 97er Mannschaft gespickt mit Nationalspielern und Weltstars. Und mit Ausnahme von Julio César waren alle fit. Aber: „Nach einem sehr guten Gespräch mit Ottmar Hitzfeld wusste ich, dass ich nah an der Mannschaft bin und zu meiner Chance kommen würde.“

Und so hatte das Bankdrücken auch sein Gutes. Ricken hatte einen Platz in der ersten Reihe, mit bestem Blick aufs Spielfeld. Er konnte die „Alte Dame“ beobachten, sie studieren, um sie danach zu sezieren. Er sah, dass sich der klare Favorit früh wie der sichere Sieger fühlte. Vor allem aber fiel ihm auf, dass Turins Torwart Angelo Peruzzi bisweilen sehr weit vor seinem Kasten stand. „Vor der Halbzeit gab es eine Situation, in der er sich rund 30 Meter von seinem Gehäuse entfernt hatte“, erzählt Ricken: „Als ich das von der Bank aus sah, habe ich gesagt, dass ich den Ball bei meinem ersten Ballkontakt blind draufhaue.“

Das wiederum war gar nicht nötig. Andreas Möller hatte ihn derart passgenau in den freien Raum bedient, dass Dortmunds Nummer 18 sogar wohl überlegt zum Weitschuss ansetzen konnte. Und dann sprach Marcel Reif: „Ricken… Lupfen jetzt! JAAAAAAAA! – Fünf Sekunden auf dem Platz. Fünf Sekunden! Lars Ricken!“

Manche Kommentare vergisst man einfach nicht.
Nils Hotze