Es war ein Marathon, den Robert Lewandowski nach dem Spiel gegen Hertha BSC Berlin absolvieren musste. Dabei hatte er seine Arbeit doch eigentlich schon erledigt. Gefühlten 20 Kamerateams musste sich der Pole stellen, von einer TV-Box wurde er in die nächste geschickt. Doch Lewandowski nahm es gelassen. Mit einem Lächeln beantwortete er geduldig alle Fragen der Journalisten, ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Dabei immer in seinen Händen: die Torjägerkanone.

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Robert Lewandowski ist erst der dritte BVB-Spieler, der Bundesliga-Torschützenkönig geworden ist.

Lewandowski hielt sie fest. Die ganze Zeit über. Beinahe schien es, als ob er sie nie wieder hergeben wolle, diese Kanone. „Ich bin Torschützenkönig“, sagte er stolz und beinahe ehrfürchtig. „Das war immer mein Ziel.“ Und stolz kann er auch sein, hat er doch mittlerweile vier Jahre in der Bundesliga auf diese einzigartige Trophäe hingearbeitet. Noch im letzten Jahr war sie ihm am letzten Spieltag, quasi in letzter Minute, von Stefan Kießling, der in der 90. Minute gegen den Hamburger SV getroffen hatte, entrissen worden. Bitterer, knapper geht es eigentlich nicht.

Nun hat Lewandowski den Spieß umgedreht. 18 Tore hatten er und sein Konkurrent Mario Mandzukic aus München vor dem letzten Spieltag auf dem Konto. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das der 25-jährige Borusse beeindruckend für sich entschied. Ein flacher, platzierter Schuss ins rechte Eck des Tores – Lewandowskis 19. Saisontor vereinte all die Tugenden, für die die BVB-Fans ihn in den letzten vier Jahren kennen und lieben gelernt haben. Perfekte Ballannahme, perfekte Drehung, perfekter Abschluss.

Doch was bei seinem 20. Saisontor folgte, war das Sahnehäubchen, das Lewandowski selbst auf den Kuchen setzte. Ein Freistoß, gut 20 Meter vor dem Tor der Hertha. Eigentlich eine Sache für Marco Reus, Nuri Sahin oder Pierre-Emerick Aubameyang. Folgerichtig machte der Gabuner sich auch schon zur Ausführung bereit, überließ dann aber bereitwillig Lewandowski das Feld. Und der Pole – eigentlich nicht als Freistoßspezialist bekannt – vollstreckte. Butterweich hob er den Ball über die Mauer, ließ die Kugel ins linke obere Eck des Tores krachen und Torhüter Kraft keine Abwehrmöglichkeit. Verblüfft rieb sich der ein oder andere die Augen. Einmal mehr hatte Lewandowski seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. „Ich habe ein paar Freistöße geübt“, gab er später zu.

Großes Lob von allen Seiten
Und so verwundert es kaum, dass alle Mannschaftskollegen, der Trainer, der Sportdirektor, einfach alle im großen BVB-Tross, nur Lob für ihren „Weltklassestürmer“ übrig hatten. „Robert Lewandowski ist ein einzigartiger Spieler. Er kann sehr stolz auf diesen Titel sein“, sagte Michael Zorc. Roman Weidenfeller ergänzte, Lewandowski sei „außergewöhnlich“, und auch Marcel Schmelzer meinte: „Die Kanone ist absolut verdient.“

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Lewandowski bejubelt das 1:0 gegen Hertha BSC. Ab diesem Moment war ihm die Kanone nicht mehr zu nehmen.

Doch nicht nur der Titel des Torschützenkönigs fand höchste Anerkennung bei seinen Kollegen. Lewandowski gebührt Respekt für beinahe alles, was er in den letzten vier Jahren für den BVB erreicht hat. „Robby hat Außergewöhnliches für diesen Verein geleistet“, stellte Roman Weidenfeller heraus, „ihm gebührt der allergrößte Respekt von allen, denen etwas an diesem Verein liegt.“ Marcel Schmelzer fügte hinzu: „Robert hat uns und dem gesamten Verein sehr, sehr viele schöne Momente verschafft.“

Nun verlässt er Dortmund. Waren die Zweifel vor der Saison bei vielen groß, Lewandowski würde angesichts des bevorstehenden Wechsels nach München nicht mehr voll bei der Sache sein, so hat er diese Zweifel verfliegen lassen. Lewandowski ist ein Vollblutprofi.  Er hat die Zweifel nicht nur verfliegen lassen, er hat sie mit 20 Toren in der Liga, sechs Toren in der Champions League und – bislang – zwei Treffern im DFB-Pokal geradezu pulverisiert. „Es ist bitter, dass wir einen solchen Weltklassestürmer verlieren“, sagt Marcel Schmelzer folgerichtig, „aber ich wünsche ihm trotzdem alles Gute.“

Das tut auch Michael Zorc, auch wenn der Sportdirektor betont: „Einmal muss Robert noch seine Extraklasse für uns unter Beweis stellen.“ Nächste Woche. Gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber. Dann wird Lewandowski letztmals in Schwarzgelb auflaufen. Vor zwei Jahren war der 1,85 Meter große Stürmer mit drei Toren an selber Stelle der Garant für den Double-Sieg des BVB. Einer dieser „vielen schönen Momente“, die Lewandowski dem BVB bescherte. Einen weiteren dieser Momente kann er noch folgen lassen. Nächste Woche. In Berlin. Im Pokalfinale.
Dennis-Julian Gottschlich