Meister gegen Vizemeister. Erst zum vierten Mal in der Geschichte dieses Wettbewerbs treffen die beiden stärksten Mannschaften der aktuellen Bundesliga-Saison aufeinander. Nie zuvor gab es die Konstellation, dass beide Finalisten gemeinsam mehr als jene 154 Ligapunkte gesammelt haben, die schon dem 2012er-Endspiel eine Ausnahmestellung gaben. Das 73. Endspiel um den DFB-Pokal wird somit das sportlich werthaltigste aller Zeiten.

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Zum Ende einer sowohl für Bayern München als auch Borussia Dortmund fabelhaft verlaufenen Saison, für beide aber auch geprägt vom schmerzhaften Aus auf internationaler Ebene kurz vor den Zielen Mailand bzw. Basel, treffen diese beide Mannschaften am 21. Mai im Berliner Olympiastadion aufeinander; zum vierten Mal nach 2008, 2012 und 2014. Und beide wollen die Saison mit einem Triumph beenden.

„Wir haben die Mittel, sie zu schlagen!“

„Es ist das letzte Spiel und eine große Chance für uns. Ich habe keinen Bock, in Berlin ein drittes Mal hintereinander zu verlieren. Wir sollten den Pokal dieses Mal mal wieder gewinnen“, hatte Sven Bender bereits nach dem Halbfinale betont. Die Mannschaft will, aber sie muss nicht zum vierten Mal nach 1965, 1989 und 2012 mit dem Pokal unterm Arm nach Dortmund zurückkehren, das unterstreicht allerdings die Geschäftsführung: „Von diesem Titelwahn müssen wir uns lösen“, sagte Hans-Joachim Watzke: „Wenn ich die Wahl habe zwischen dem DFB-Pokal und anschließenden Europa-League-Spielen oder der Vizemeisterschaft und der Champions League, weiß ich immer, was ich nehme. Insofern ist es schön, dass wir das eine haben und das andere noch kriegen können.“

Die Teilnahme an der UEFA Champions League hat die Mannschaft bereits seit sieben Wochen sicher. Jetzt will sie die Krönung. Entsprechend intensiv hat sie sich auf dieses Finale vorbereitet. Wenn das Ausscheiden aus der UEFA Europa League etwas Gutes hatte, dann das: Es konnte erstmals seit Anfang Februar wieder trainiert statt ausschließlich regeneriert werden.

Nur drei Niederlagen im Pokal seit 2011

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Dass eine athletisch wie spielerische Top-Leistung am oder sogar über dem Limit her muss, um die Bayern zu besiegen, ist keine Frage. „Gegen sie zu spielen, ist eine der größten Aufgaben im Weltfußball“, äußert Mats Hummels, „aber wir haben die Mittel, sie zu schlagen“. Zuletzt gelang dies 2015, im Halbfinale dieses Wettbewerbs, den die Bayern seit jeher, beide Klubs seit 2011 gemeinsam so prägen wie keine anderen. Die Münchner verloren von den letzten 28 Partien in diesem Wettbewerb nur zwei (beide gegen den BVB), die Borussen verließen im gleichen Zeitraum – seit Juli 2011 – nur drei Mal den Rasen als Verlierer (zwei Mal gegen Bayern, ein Mal gegen Wolfsburg).

„Beide wissen voneinander, dass sie den jeweils anderen besiegen können. Das ist reizvoll und spannend“, sagt Hans-Joachim Watzke vor dem Anpfiff der letzten Partie der Spielzeit 2015/16. Für seine Borussen ist es das 56. Pflichtspiel, für die Bayern die 53. Partie.

„Wir sind ab 2011 auf den Geschmack gekommen, jedes Spiel sehr ernst zu nehmen, um nach Berlin zu kommen. Jetzt wartet der stärkste Gegner auf uns, dafür arbeitet man das ganze Jahr“, erläutert Marcel Schmelzer: „Wir spielen eine herausragende Saison und wollten uns in der Europa League belohnen. Das hat leider nicht geklappt. Jetzt haben wir noch eine Chance im Pokal.“

Im fünften Jahr in Serie in einem großen Finale

Als erster deutscher Klub überhaupt steht Borussia Dortmund in fünf aufeinanderfolgenden Jahren in einem großen Finale. Doch nur 2012 (5:2 über Bayern München) gelang ein Sieg. „Wir waren in den letzten Jahren zu häufig in einem Finale, um es zu selten zu gewinnen“, meint Roman Weidenfeller und spielt auf die unglücklichen Niederlagen 2013 in der Champions League gegen Bayern München (das 1:2 fiel in der letzten Minute), 2014 im Pokal gegen denselben Kontrahenten (Stichwort: nicht gegebenes Hummels-Tor) und 2015 gegen Wolfsburg an, als man es verpasste, den Vorsprung früh auf 2:0 auszubauen, stattdessen drei nicht unvermeidbare Gegentore kassierte. „Dieses Mal“, so Weidenfeller, „müssen und wollen wir es besser machen!“

Bayern München ist allerdings bei den Buchmachern Favorit. Wer einen Euro setzt, bekommt bis zu zwei Euro für einen Sieg der Münchner ausgezahlt, jedoch vier bei einem Erfolg der Dortmunder. Das Schöne vor einem großen Finale ist die Kaffeesatzleserei. Rodel-Doppelolympiasiegerin Natalie Geisenberger, die vor dem Anpfiff um 20 Uhr die Trophäe ins Olympiastadion tragen wird, hat andere Sorgen: „Jetzt ist noch die Frage, barfuß oder nicht?“, rätselt die 28-Jährige: „Mit Stöckelschuhen auf Rasen – das kann ich nicht.“

18er Schraubstollen sind für die Schuhwahl wohl das probatere Mittel, um den 52 Zentimeter hohen, mit 250 Gramm Feingold sowie zwölf Turmalinen, zwölf Bergkristallen und 18 Nephriten verzierten Pokal zu gewinnen...
Boris Rupert