Es war die bisher denkwürdigste Nacht dieser Saison. Nach dem harterkämpften 3:2-Sieg im Pokal-Halbfinale beim FC Bayern München stand ausnahmslos allen Spielern, Betreuern und Fans die immense Freude buchstäblich ins Gesicht geschrieben. „Das war pure Freude gerade eben in der Kabine“, sagte Marco Reus. Doch die Feierlaune währt nur kurz. Schon heute liegt der Fokus auf der Vorbereitung für das wichtige Spiel gegen den 1. FC Köln am Samstag.

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„Es ist noch ein bisschen Zeit, wir können uns jetzt ein bisschen freuen. Aber nur ein bisschen, denn es ist wichtig, dass wir in der Bundesliga nachlegen. Wir wollen dort Dritter werden, damit wir nicht in die Champions-League-Qualifikation müssen“, führte Marco Reus weiter aus. Bewundernswert, wie schnell er und seine Teamkollegen vom Feier- in den Vorbereitungsmodus umschalten. Keine zwei Stunden waren zum Zeitpunkt dieses Statements seit Abpfiff in der Allianz-Arena vergangen.

Auch Marcel Schmelzer pflichtete Reus bei: „Eine riesengroße Leistung. Großes Kompliment an die Mannschaft, vor allem auch an die jungen Spieler. Es ist nicht einfach, hier in München so zu spielen, so zurückzukommen und ins Finale einzuziehen“, so der Kapitän, „aber die Kunst liegt jetzt darin, diesen Sieg in Berlin zu vergolden und den Pokal nach Dortmund zu holen. Nur gegen Bayern zu gewinnen, reicht uns nicht.“ Schmelzer spricht aus Erfahrung. Die letzten drei Finals gingen im Olympiastadion verloren. „Wir wollen in diesem Jahr nicht nur nach Berlin. Wir wollen nach Berlin, um zu gewinnen“, gab auch BVB-Coach Thomas Tuchel direkt nach dem Spiel die Marschroute vor.

„Ich glaube, dass wir dieses Jahr dran sind“

Einer, der dem Spiel in München seinen Stempel aufdrückte, obwohl er kein Tor erzielt hatte, glaubt auf jeden Fall fest an den vierten DFB-Pokalsieg nach 1965, 1989 und 2012. „Ich glaube, dass wir dieses Jahr dran sind. Wir haben eine super Truppe, mit einer hohen Qualität und einer ganz starken Mentalität“, sagte Sven „Manni der Fußballgott“ Bender. „Wir sind auf jeden Fall – das kann man sagen – finalerfahren. Das sollten wir ausspielen und endlich mal wieder den Titel holen.“

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Ein entscheidender Moment: Sven Bender lenkt den Ball mit der Fußspitze an den Innenpfosten.

Denn obwohl es am Ende Marco Reus, Pierre-Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé waren, die die Partie bei den Bayern mit ihren Toren entschieden: Bender hatte mit einer überragenden Abwehrleistung mindestens genauso viel Anteil daran. Allein seine Rettungstat mit der Fußspitze (!!) gegen Arjen Robben in der 63. Minute – mindestens genauso viel wert wie ein Tor. „Ich habe einfach nur versucht, an den Ball zu kommen. Dann habe ich irgendwie den Überblick verloren, weil ich gar nicht wusste, wo der Ball hingegangen ist“, schilderte Bender nach dem Spiel die Situation. „Ich habe nur den Pfosten gehört, geguckt - und dann war der Ball auf einmal draußen.“

Genau dieses Quäntchen Glück brauche man in diesen Situationen an solchen Abenden, so Bender weiter und ergänzte mit einem Augenzwinkern: „Da nehme ich es dann auch gerne mal hin, dass ich meinen Fuß länger machen musste, als er überhaupt ist.“ Marcel Schmelzer sprach seinem langjährigen Weggefährten ein Sonderlob aus: „Besonders muss man natürlich die geile Klärungsaktion von Manni erwähnen. Wenn da das dritte Tor fällt, ist das Spiel gelaufen.“

Nächste Woche das kleine, am 27. Mai das große Finale

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So bereitete der Innenverteidiger den Weg zum Sieg. „Da sind wir mit dem Schrecken davongekommen“, gestand Thomas Tuchel: „Solche Situationen beeinflussen so ein Spiel auf diesem Niveau. Sie haben uns jedenfalls die Zuversicht zurückgegeben.“ Am Ende war es die von Bender, aber auch seinen Teamkollegen angesprochene bärenstarke Mentalität, die der Borussia zum Sieg in München verholfen hat. Die Mentalitätsmonster sind zurück. Schon am zurückliegenden Wochenende konnten die Schwarzgelben nach einer Achterbahnfahrt in Mönchengladbach das Spiel für sich entscheiden. Nach den Vorkommnissen der letzten Wochen scheint die Mannschaft enger zusammengerückt denn je. Siege wie die in Mönchengladbach oder München geben extrem viel Selbstvertrauen für den Saisonendspurt.

Dort wartet neben dem Pokalfinale nämlich ein nicht minder wichtiges Rennen um Platz drei in der Bundesliga. Vergangene Woche konnten sich die Westfalen diesen nach langer Zeit zurückerobern. Nun gilt es, ihn in den verbleibenden vier Spielen ins Ziel zu bringen. Zwei Heimspiele in Serie warten auf den BVB: Zunächst an diesem Samstag gegen Köln; das noch wichtigere Duell steigt kommende Woche gegen die TSG Hoffenheim. Im Kampf mit dem direkten Konkurrenten um Rang drei könnte man Tatsachen schaffen. Ein sogenanntes Sechs-Punkte-Spiel und das erste kleine Finale für Schwarzgelb in dieser Saison. Das große Finale steigt dann am 27. Mai in Berlin. Dort will der BVB die zweite denkwürdige Nacht folgen lassen.
Dennis-Julian Gottschlich