Sie hätten sich hinter den objektiven Daten verstecken oder auf fehlendes Spielglück – vorne wie hinten – verweisen können. Doch das Ergebnis überstrahlte alles. Entsprechend eindeutig war auch die Selbstkritik, die Schwarzgelb nach dem 1:5 von München, der höchsten Niederlage seit sechs Jahren, übte.

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Robert Lewandowski versetzte Lukasz Piszczek und Co. mit seinen beiden Toren in der zweiten Halbzeit den K.O.

„In München kann man verlieren. Dass es am Ende aber fünf Gegentore wurden, tut weh“, sagte Kapitän Mats Hummels. „Wir haben es den Bayern zu einfach gemacht“, kritisierte Trainer Thomas Tuchel: „Ich hätte mir gewünscht, wenn wir schon Gegentore kassieren, dass es keine so leichten sein würden.“ Gonzalo Castro: „Letztlich ist die Niederlage ein bisschen zu hoch ausgefallen, weil die Tore aus dem Nichts passieren. Der Sieg für München geht aber in Ordnung.“

Fünf zu eins! Und das nach 25 taktisch, kämpferisch und spielerisch richtig starken Minuten, als Borussias 4-4-2 den Bayern Rätsel aufgab und Dortmund insbesondere über die linke Seite, über Piszczek und Mkhitaryan Nadelstiche setzte. „Wir hatten Probleme, uns in den ersten 15 Minuten der Raute anzupassen“, sagte Bayern-Trainer Pep Guardiola: „Da haben wir viele einfache Bälle verloren.“

Die umformierte Abwehr stand bis dahin felsenfest. Sokratis hielt Costa in Schach, Bender gewann in der ersten Halbzeit im Abwehrzentrum sechs von sieben Zweikämpfen, Hummels entschied bis dahin sogar jedes Duell für sich. „Wir haben gut begonnen“, so Tuchel: „In unserer guten Phase hatten wir in den letzten 20 Metern des Feldes Möglichkeiten, um torgefährlich zu werden, aber es nicht geschafft. Entweder war ein Bein dazwischen, oder wir haben die falsche Entscheidung getroffen.“

„Diese Fehler darfst du nicht machen, nicht in München“

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Woran lag's, Julian Weigl?

Immerhin ging es mit 1:2 in die Halbzeitpause, weil Aubameyang einen Klasse-Konter über Mkhitaryan und Castro mit dem Anschlusstreffer vollendete, nachdem die Münchner quasi mit ihrer ersten Chance in Führung gegangen waren und Müller einen sicherlich diskutablen Elfmeter zum 2:0 genutzt hatte. „Ich weiß nicht, ob man da pfeifen muss. Der Schiri hat aber so entschieden, und das gehört dazu“, meinte Castro, und sein Trainer lenkte den Blick vielmehr auf die Entstehung und klagte die eigenen Reihen an: „Wir hätten den Konter viel besser verteidigen müssen. Da fehlte uns der Anker, da fehlte die Absicherung.“ Er listete in der Entstehung des 2:0 „drei Fehler“ auf, „die darfst du nicht machen, nicht in München“.

Besonders ärgerlich waren die Gegentore Nummer eins und drei, eingeleitet durch Boatengs lange Bälle aus der eigenen Hälfte. Dabei war dies im Vorfeld thematisiert worden! „Unsere Taktik war ganz klar, Boateng und Alaba nicht frei spielen zu lassen“, so Hummels, „diese langen Bälle nicht zuzulassen. Ich weiß nicht genau, warum das in den beiden Fällen nicht funktioniert hat, warum Jerome Boateng völlig ohne Druck spielen konnte. Wir stehen da natürlich relativ hoch. Aber das war – theoretisch – gepaart mit dem Druck auf den Gegner das Ziel. Wenn der Gegner dann keinen Druck hat, ist das natürlich tödlich. Die Bayern haben das nach den beiden sensationellen Pässen dann überragend ausgenutzt.“

„Der Pass vor dem 1:3 war einer der bittersten Bälle, die man überhaupt bekommen kann: über zehn eigene Spieler hinweg, ein 40-Meter-Flugball“, klagte Tuchel, der seinen Torhüter allerdings aus der Kritik ausnahm: „Roman kann da gar nichts machen. Weil die Bälle nicht in den Raum gehen, sondern in den Fuß gespielt sind.“

Guardiola lobt den Gegner in höchsten Tönen

Die erste Niederlage im 15. Pflichtspiel der Saison darf trotz ihrer Eindeutigkeit nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mannschaft im ersten Saisonviertel Großartiges geleistet hat. Auch wenn aus den letzten drei Spielen nur zwei Punkte verbucht werden konnten und der Trend somit nach unten zeigt, sind 17 Zähler nach acht Spieltagen ein starker Wert. Nur vier Mal waren es mehr (drei Mal 19, ein Mal 21).

„Wir haben gegen eine der besten Mannschaften in Europa gewonnen“, sagte Pep Guardiola auf der Pressekonferenz: „Dortmund ist nicht nur eine Kontermannschaft. Wenn wir sie im Spiel lassen, sind wir kaputt. Sie sind eine Maschine. Gegen den BVB zu gewinnen ist nicht einfach. Ich bin sehr zufrieden. Der Unterschied war unser drittes Tor.“ Der Treffer unmittelbar nach der Pause verschob das Pendel in diesem Spitzenspiel, das den Ansprüchen und Erwartungen gerecht wurde, eindeutig in Richtung der Bayern. „Wir haben uns vorbereitet, um zu gewinnen“, so Tuchel: „Nun müssen akzeptieren, dass wir hoch verloren haben.“
Boris Rupert