Thomas Tuchel sieht gute Chancen für seine Mannschaft im Topspiel am Samstag (18.30 Uhr) gegen den FC Bayern München, erwartet vor den Augen der Fußballwelt aber auch „Phasen, in denen wir leiden“ und setzt auf die stimmgewaltige Unterstützung von den Rängen.

Die englische Woche, die vierte von sechs in Serie für Borussia Dortmund, sorgt dafür, dass bei Thomas Tuchel und seiner Mannschaft die Anspannung erst langsam steigt vor dem Gipfeltreffen jener beiden Klubs, die die Meisterschaft seit 20 Jahren fast unter sich ausmachen. Durch die überraschende Niederlage der Münchner am Mittwoch gegen Mainz kommt möglicherweise nochmal Spannung rein ins Meisterschaftsrennen: Borussia Dortmund hat es in der Hand, den Rückstand auf den Tabellenführer binnen drei Tagen von acht auf zwei Punkte einzudampfen.

„Ich rechne mit den stärksten Bayern, die man sich vorstellen kann“

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Thomas Tuchel

„Ich halte es für komplett unangebracht, etwas zu erzählen, ohne in Vorleistung gegangen zu sein“, sagt Tuchel vor dem Duell mit dem Spitzenreiter: „Noch sind es fünf Punkte. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Bayern diese Situation umdeuten und sich sagen: Wir haben die Möglichkeit, im Stadion unseres ärgsten Verfolgers mit einem Auswärtssieg die Vorentscheidung zu schaffen. Ich rechne mit den stärksten Bayern, die man sich vorstellen kann.“ Und so geht es um eine Chance – nicht mehr und nicht weniger –, etwas näher heranzurücken. „Die Mannschaft hat unglaublich hart dafür gearbeitet, dass die Konstellation jetzt so ist, wie sie ist. Für uns hätte es auch keinen Unterschied gemacht“, wenn die Bayern am Mittwoch nicht gestrauchelt wären, versichert der Coach: „Wir wollen das Spiel so oder so gewinnen.“

Fernsehzuschauer aus 208 Ländern sind morgen live dabei; Borussia Dortmund hätte weit über 200.000 Eintrittskarten verkaufen können. Doch bei 81.359 ist nunmal auch im Stadion mit dem größten Fassungsvermögen Deutschlands Schluss. Die Vorfreude ist beim BVB-Trainer groß: „Es wird das gewisse Etwas sein. Wir werden dieses besondere Knistern, diese besondere Energie spüren.“

Dabei setzen die seit genau elf Monaten im eigenen Stadion ungeschlagenen Borussen (Bilanz seitdem: 14 Siege, ein Remis) auch auf die Unterstützung von den Rängen. „Das ist natürlich ein komplett anderes Gefühl, in dieser Konstellation in unserem Signal Iduna Park zu spielen als in München. Wir brauchen unsere Fans, und wir brauchen sie komplett auf unserer Seite“, so Tuchel: „Alle in Dortmund sprechen von diesem Spiel, und durch die veränderte Ausgangslage hat sich die Vorfreude nochmals gesteigert.“

 „Wir brauchen angesichts dieses Handlungsdrucks extremste Präzision“

Die Aufgabe wird dadurch freilich nicht einfacher. Wer die Bayern vor anderthalb Wochen in Turin in ähnlicher personeller Konstellation hat spielen sehen, der teilt Tuchels Ansicht, dass es sich um „eine der zwei, drei besten Mannschaften auf der Welt“ handelt: „Es wäre nicht das erste Mal, dass sie in einer solchen Situation ihre beste Leistung bringen. Sie werden einen unglaublichen Druck ausüben.“

Deshalb erwartet der Cheftrainer „Phasen, in denen wir leiden“ und äußert über die Taktik der Bayern: „Sie möchten schnelle Entscheidungen bei ihren Gegnern provozieren, denn schnelle Entscheidungen sind oft ungenaue. Wir brauchen angesichts dieses Handlungsdrucks extremste Präzision.“ An die Adresse seiner Mannschaft gerichtet, sagt er: „Wenn wir es da schaffen, ruhig, aber auch mutig zu bleiben, und wenn wir dann auch noch das nötige Quäntchen Glück haben, können wir dieses Spiel gewinnen. Wir wollen uns mit den Besten messen und hier im Signal Iduna Park die Besten schlagen. Sich darauf zu freuen, ist der Schlüssel dazu, dass es klappen kann.“

Das sagt Tuchel auch vor dem Hintergrund des eindeutigen 1:5 aus dem Hinspiel: „Es ist möglich, dass du hoch gegen die Bayern verlierst, wenn du nur kleinste Fehler machst.“ Daraus hat die Mannschaft ihre Lehren gezogen. „Die bittere Niederlage hat uns“, sagt Tuchel, „zu dem gemacht, was wir jetzt sind. Wir fühlen uns bereit, in das nächste direkte Duell zu gehen.“

„Wir haben viel zu gewinnen! Ich hoffe, dass man uns das anmerkt!“

Dabei fliegen – im Gegensatz zu manchen Vorjahren – keine „Giftpfeile“ von der Isar an die Ruhr und wieder zurück. Beide Trainer äußerten auf ihren Pressekonferenzen gegenseitigen Respekt („Pep ist aktuell der Beste“ / „Tuchel ist einer der besten Trainer der Welt“) und die Vorfreude auf ein Fußballfest auf dem Rasen. Guardiola: „Wir haben es bislang sehr gut gemacht, und sie sind trotzdem nur fünf Punkte hinter uns. Das zeigt, wie gut sie sind.“

Hoffentlich sieht man es den Schwarzgelben abermals an. „Wir haben viel zu gewinnen“, sagt Tuchel: „Ich hoffe, dass man uns das anmerkt.“ Sollten die Zähler tatsächlich in Dortmund bleiben, „dann, aber auch nur dann, können wir uns über eine veränderte Tabellensituation unterhalten, in einer dann immer noch langen Saison.“
Boris Rupert

BVB total!-Video: Die Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bayern München