In einer an Spannung und Dramatik kaum zu überbietenden Partie hat Borussia Dortmund den vierten DFB-Pokalsieg der Vereinsgeschichte nach 1965, 1989 und 2012 verpasst: Im Endspiel von Berlin verlor der BVB gegen den FC Bayern München mit 3:4 nach Elfmeterschießen. Am Ende der regulären Spielzeit sowie der Verlängerung hatte es 0:0 gestanden.

Vor 74.322 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion hatte lange Zeit die Taktik das Geschehen geprägt, spätestens ab der zweiten Halbzeit war es jedoch klasse, was sich auf dem Rasen abspielte. Die Bayern optisch überlegen, hatten ein Chancenplus und agierten gerade in der zweiten Hälfte enorm druckvoll. Der BVB verteidigte jedoch mit großer Leidenschaft, hatte durch Pierre-Emerick Aubameyang nach einem Konter sogar die Möglichkeit zum 1:0 (85.).

In der Verlängerung gelang Erik Durm eine Großtat, als er Lewandowskis Schuss aus elf Metern im 16er weggrätschte (94.). Wahnsinn! Auf der anderen Seite hätte Mkhitaryan (104.) die Partie ebenfalls entscheiden können. Roman Bürki wiederum war es zu verdanken, dass es überhaupt zum Elfmeterschießen kam. Der Schweizer bewahrte sensationell Schwarzgelb gegen Alaba vor dem 0:1 (114.).

Das Elfmeterschießen auf das Marathon-Tor

1:0 Kagawa, 1:1 Vidal, Neuer hält gegen Bender, 1:2 Lewandowski, Sokratis schießt an den Pfosten, Bürki hält gegen Kimmich, 2:2 Aubameyang, 2:3 Müller, 3:3 Reus, 3:4 Douglas Costa.

Es berichtet Felix Ulrich

Ausgangslage
2012, 2014 und 2015 stand der BVB im DFB-Pokalfinale, 2013 in dem der UEFA Champions League. 2016 heißt es erneut DFB-Pokal. Keine alltägliche Bilanz, aber auch Zeit, den nächsten Schritt zu gehen. „Wenn man fünf Mal in fünf Jahren in einem Endspiel steht, ist eine Final-Teilnahme nicht mehr genug!“, sagte Thomas Tuchel kurz vor dem Anpfiff. Seine Mannschaft solle sich nicht mit der Außenseiterrolle zufrieden geben. Tuchel: „Wir wollen in Berlin der Gegner sein, der in der Lage ist, die Bayern in diesem einen Spiel zu bezwingen.“

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Sicherer Rückhalt: Roman Bürki.

Personalien
Nach dem 2:2 in der Bundesliga nahm Thomas Tuchel zwei Veränderungen in der Startelf vor: Mkhitaryan und Piszczek liefen für Kagawa und Ramos auf. Beide saßen aber auf der Bank. Nicht mit dabei in Berlin waren die Verletzten Subotic, Park und Gündogan. Bayerns Coach Pep Guardiola wechselte im Vergleich zum 3:1 gegen Hannover 96 drei Mal: Douglas Costa, Kimmich und Müller spielten für Benatia, Coman (beide Bank) und Götze (Rippenbruch).

Taktik
Der BVB agierte bei eigenem Ballbesitz in einem 3-5-2-System mit Aubameyang und Reus in der Spitze. Defensiv wiederum rückten Piszczek und Schmelzer nach hinten, so dass sie gemeinsam mit Bender, Sokratis und Hummels in der Abwehr eine Fünferkette bildeten. Davor verteidigten auf einer Linie Mkhitaryan, Weigl und Castro in einem Dreier-Verbund. Die Münchner traten in einem 4-1-4-1 an.

Spielverlauf und Analyse
Zu Beginn passierte fußballerisch erst mal relativ wenig. Es war ein Abtasten. Denn sowohl der BVB als auch der FC Bayern waren darauf bedacht, möglichst keine Fehler zu machen. Szenen in Strafraumnähe gab es in Hälfte eins so gut wie keine. Weil die Borussia den Bayern, die mehr Ballbesitz hatten und durch Müller aus der Distanz (4.) und per Kopf (22.) trotzdem keine ungefährlichen Szenen hatte, Räume eng machte und leidenschaftlich verteidigte.

Erster Schuss aufs Tor in der 33. Minute

Es dauerte in einer intensiv geführten Partie bis zur 33. Minute, bis es den ersten Schuss aufs Tor gab. Douglas Costa hatte aus 18 Metern abgezogen, Bürki den für ihn verdeckten Abschluss aber pariert. Lewandowskis anschließenden Zweikampf mit Sokratis um den Abpraller, bewertete Schiedsrichter Marco Fritz (Korb) korrekt und gab keinen Elfmeter.

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Marcel Schmelzer im Duell mit Arturo Vidal.

Doch die 33. Minute war noch nicht vorbei: Schwarzgelb konterte über Aubameyang und kam in Hälfte eins zumindest zum ersten und einzigen Torschuss, der allerdings deutlich das Ziel verfehlte. Bayern-Keeper Neuer musste nicht eingreifen.

Für den Aufreger der ersten Halbzeit sorgte Franck Ribery: Der Franzose fasste Castro ins Gesicht und drückte den Dortmunder weg. Beide Akteure sahen Gelb (39.). Für Castro vertretbar, für Ribery nicht. Für sky-Experte Lothar Matthäus, der aufgrund seiner Vergangenheit nicht unbedingt als Bayern-Feind bekannt ist, war die Sache klar: Es hätte Rot geben müssen. „Ribery ist mit einem blauen Auge davon gekommen.“

Nach dem Wechsel ging es gleich hitzig weiter: BVB-Fans zündeten Pyrotechnik, so dass sich der Wiederanpfiff verzögerte, dann sah Vidal nach einer Grätsche gegen Weigl Gelb (47.), und hatte wenig später nach einem taktischen Foul an Mkhitaryan (49.) Glück, dass es nicht Gelb-Rot gab.

Fußballerisch und in Sachen Abschlussfreude schalteten beide Teams einen Gang höher. Riberys Schuss ging knapp vorbei (52.), und an die Flanke von Douglas Costa kamen weder Müller noch Lewandowski heran (56.). Auf Seiten des BVB zog Aubameyang aus zehn Metern halbrechts im Strafraum ab, leider drüber (57.). Glück hatte der BVB, als Müller zu Lewandowski querlegte, der Pole aber knapp über die Latte zielte (64.).

Mats Hummels angeschlagen ausgewechselt

In der 70. Minute musste Schwarzgelb das erste Mal wechseln: Verletzungsbedingt ging Schmelzer vom Platz, für ihn kam Durm. Die Bayern erhöhten von nun an immer weiter den Druck. 64 Prozent Ballbesitz und 11:5 Torschüsse hatte der FCB sogar bereits vor der Schlussviertelstunde verbucht - und durch Ribery die große Chance zum 1:0 gehabt. Bürki klärt den abgefälschten Schuss aber zur Ecke (75.).

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Aubameyang hatte bei einem Konter das 1:0 in der 85. Minute auf dem Fuß.

Wenig später war das Kapital Mats Hummels und Borussia Dortmund beendet: Der Kapitän musste angeschlagen und Gelb-vorbelastet runter, für ihn rückte Ginter in die Innenverteidigung (78.). Gut fünf Minuten vor dem Ende hatte der BVB die Riesenchance zum Sieg. Aus einer 5-4-1-Ausrichtung heraus, ließ sich Schwarzgelb zwar von den Bayern hinten reindrängen, lauerte aber auf Konter. Einen davon vollendete Aubameyang, nach Piszczek-Flanke schoss der Gabuner aber über das Bayern-Tor (85.).

Nach Ende der regulären Spielzeit war der FC Bayern zwar mit Blick auf die Statistik die optisch überlegene Mannschaft (Ballbesitz 64 Prozent, Torschüsse 13:6, Zweikampfquote 52:48 %), der BVB setzte aber immer wieder Nadelstiche, war defensiv kaum zu knacken und stellte den Rekordmeister somit vor Probleme.

Durm rettet in höchster Not gegen Lewandowski

Die Verlängerung begann mit einer Wahnsinns-Großtat von Erik Durm: Der 24-Jährige rutschte gerade noch rechtzeitig in den Schuss von Lewandowski und verhinderte so im Strafraum das 0:1 (94.). Die Bayern-Fans hatten da schon den Torschrei auf den Lippen. Selbiger blieb zehn Minuten später auch den Borussen im Halse stecken: Mkhitaryan hatte am rechten Pfosten stehend das lange Ecke anvisiert, aber haarscharf vorbeigezielt (104.).

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In der zweiten Hälfte der Verlängerung waren beide Mannschaften merklich platt, mehrfach wurde die Partie unterbrochen, damit sich gedehnt werden konnte. Bürki war jedoch noch topfit und rettete den BVB ins Elfmeterschießen: Der Schweizer klärte zunächst eine abgefälschte Flanke von Douglas Costa zur Ecke (113.). Und direkt im Anschluss zeigte er eine Monster-Parade beim Schuss von Alaba aus 15 Metern (114.). Die Schlussphase gehörte den BVB-Fans: „Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz“ hallte es durch das Olympiastadion bis Schiedsrichter Marco Fritz abpfiff.

Ausblick
Das Endspiel im DFB-Pokal war für den BVB der Schlusspfiff für die Saison 2015/16. Nach 56 Pflichtspielen verabschiedeten sich die Profis in die Sommerpause. Für einige geht es am 9. Juni bei der Europameisterschaft in Frankreich weiter. Auftakt für die Saison 2016/17 ist bei der Borussia Anfang Juli.

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