Natürlich, sie musste kommen, die Frage nach den zwei Abwehr-Gesichtern von Borussia Dortmund im Anschluss an den 3:0-Sieg in Anderlecht. Während Borussia Dortmund die Gruppe D der UEFA Champions League ohne Verlustpunkt und ohne Gegentor anführt, schlug es in sechs Ligaspielen schon elf Mal im BVB-Gehäuse aus.

„Auch ich habe mitbekommen, dass wir in der Champions League in zwei Spielen fast genauso viele Punkte geholt haben wie in sechs Ligaspielen – und auch, dass es da noch kein Gegentor gab“, sagte Jürgen Klopp und fügte rhetorisch hinzu: „Hätten wir deshalb in Anderlecht absichtlich schlechter spielen sollen?“

Natürlich nicht! Stattdessen betonte Jürgen Klopp einmal mehr: „Wir suchen nicht nach Entschuldigungen, sondern nach Erklärungen. Wir verharmlosen nichts, sehen aber auch die guten Dinge.“ Und weiter: „Wir reden nicht von einem Abwehrproblem, sondern von einer Defensivproblematik, die angesichts von elf Gegentoren sicher da ist.“ Und die nachvollziehbar ist angesichts der personellen Situation, den damit verbundenen Umstellungen und vor allem der Tatsache, dass diese Abläufe derzeit nicht trainiert werden können. Nicht in dieser „englischen Woche“, die mit der Partie gegen den Hamburger SV das siebte Spiel innerhalb von 22 Tagen bereithält, nicht aber auch in der anstehenden „Länderspielpause“. Da finden zwar keine BVB-Spiele statt – aber es sind auch so gut wie keine BVB-Spieler da, mit denen das Trainerteam an mannschaftstaktischen Dingen arbeiten könnte.

Dass in Anderlecht die Null stand, zum dritten Mal in dieser Saison nach Bayern München (Supercup, 2:0) und Arsenal London (Champions League, 2:0) war auch ein bisschen dem Spielglück geschuldet. „So etwas gehört eben auch dazu“, verweist Klopp auf einen Pfostentreffer der Belgier, eine knappe Abseitsentscheidung zugunsten seiner Mannschaft sowie einer Klasse-Parade von Torhüter Weidenfeller. „Wir haben nicht alle Situationen perfekt verteidigt“, erläuterte der Trainer: „Uns fehlen gewohnten Abläufe in Bundesliga wie in Champions League.“

Bundesliga - der wichtigere Wettbewerb

Am Samstag steht wieder „Bundesliga“ auf dem Spielplan, der „für uns absolut wichtigere Wettbewerb“, wie der Coach betont, und mit dem HSV kommt ein Gegner in den Signal Iduna Park, der nicht zuletzt beim 0:0 gegen Bayern München gezeigt hat, dass er deutlich unter Wert in der Tabelle platziert ist. „Dieser Kader in Hamburg hat Qualität“, sagt Jürgen Klopp und ahnt: „Jedes Fitzelchen, das wir ihnen hinwerfen, wird gnadenlos aufgenommen. Unser Auftrag muss es sein, sie nicht selbstbewusster werden zu lassen in diesem Spiel.“

Die Rechnung ist ganz simpel. Der HSV hat in Dortmund nichts zu verlieren – und demzufolge viel zu gewinnen. Und die Hamburger haben einen weiteren Vorteil: „Sie gehen ausgeruht ins Spiel.“ Nach nur zwei Ruhetagen zwischen Anderlecht und Hamburg sagt Klopp: „Dieses Spiel wird über die Fähigkeit zur Überwindung entschieden.“

Dabei setzt der BVB auf sein Plus, das größer sein sollte als der Nachteil kurzer Regeneration: die Fans. „Die Zuschauer werden weiterhin sensibel sein für unsere Situation“, so Klopp, „und wir wollen mit ihrer Hilfe dann die entsprechende Reaktion zeigen, egal in welcher personellen Konstellation. Wir wollen die Derbyscharte ausmerzen, und ich hoffe, dass man uns das auch ansehen kann.“

Keine Pause für Aubameyang und Kagawa

Aubameyang und Kagawa werden wohl keine Pause bekommen (können), Großkreutz benötigt ohnehin keine. Zur Rotation gezwungen sein könnte der Coach im defensiven Mittelfeld nach Kehls Sprunggelenksblessur. „Das Problem bei englischen Wochen ist immer, dass nur zwei, drei Tage Zeit sind, um eine Verletzung wieder in den Griff zu bekommen. Aber wir werden alles dafür tun“, sagte der Spieler. Rotation möglich ist im Angriffszentrum, aber auch in der Abwehr, wo Hummels und Durm ins Team rutschen könnten. Es geht trotz aller personeller Probleme darum, Belastung einigermaßen gleichmäßig zu verteilen, die Spieler zu fordern, sie aber nicht zu überfordern. „Wir werden Entscheidungen treffen aufgrund von Eindrücken und Gesprächen“, kündigte der Coach an.

Im siebten Spiel binnen 22 Tagen wollen sich die Borussen mit einem Sieg in die Pause verabschieden. Denn es ist noch einiges gutzumachen – und vieles aufzuholen. Klopp: „Wir haben in Anderlecht nicht die Derbyniederlage ausgebügelt oder gar eine Wende herbeigeführt, sondern nur ein Spiel gewonnen.“
Boris Rupert