Die allergrößte Schmach ist Borussia Dortmund erspart geblieben: Nach dem späten Hannoveraner Ausgleich beim 2:2 in Freiburg wird der BVB nicht als Ligaschlusslicht in die Winterpause gehen, sondern „nur“ als Vorletzter. Die sportliche Situation ist nach einer völlig verkorksten und enttäuschenden Hinrunde jedoch auch nicht wirklich besser.

Der Deutsche Vizemeister 2014 und aktuelle Achtelfinalist in der UEFA Champions League befindet sich in der Bundesliga im Abstiegskampf. Und der BVB ist nicht nur dabei, sondern mittendrin. 15 Zähler aus 17 Partien sind ein Horror-Wert, keine Mannschaft holte noch weniger Punkte. „Die Angst vor dem Abstieg ist auf jeden Fall da – und derzeit auch groß“, sagte Kapitän Mats Hummels nach dem 1:2 bei der Werder Bremen.

An der Weser waren die Borussen zuvor kräftig baden gegangen. Bereits nach drei Minuten schockte der 18-jährige Davie Selke die Gäste mit einem schönen Schlenzer. Zum dritten Mal kassierte der BVB in den ersten fünf Minuten ein Gegentreffer – kein Team befindet sich nach dem Anpfiff häufiger im Tiefschlaf. Das 2:0 entsprang, wie schon so oft einer Fehlerkette: Hummels wurde von Selke einfach stehen gelassen, und in der Mitte störten weder Piszczek noch Ginter Werders Bartels (62.).

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Mats Hummels erzielte in Bremen das 1:2, war allerdings auch an beiden Gegentoren beteiligt..

„So wie wir spielen, stehen wir zu recht da unten drin. Das muss man ganz klar sagen. Wir haben gerade auswärts eine der schlechtesten Hinrunden gespielt, die man sich nur ausmalen kann“, analysierte Mats Hummels, der in der 69. Minute per Kopf nach einem Gündogan-Eckball den 1:2-Endstand erzielte. „Die ganze Vorrunde war nicht einfach für uns, wir haben nie konstant unser Potenzial abrufen können. Der Auftritt in Bremen war ein Sinnbild der Hinrunde“, erklärte Matthias Ginter.

In der Bundesliga-Geschichte ist das Überwintern des BVB auf einem Abstiegsplatz – das erste Mal seit 30 Jahren – ein Novum. Denn es gab noch nie einen spielstärkeren Tabellen-17. und eine Mannschaft, die mit Blick auf die Statistik eher unter den ersten drei Teams zu erwarten ist.

2045 Kilometer, 289 Torschüsse, 117 Ecken

289 Mal schoss der BVB in der Hinrunde auf das gegnerische Tor (131 Mal mehr als der Gegner), 117 Ecken (51 Ecken der Gegner) und 107 Torchancen spielte er sich heraus. Mit durchschnittlich über 52 Prozent Ballbesitz liegt Schwarzgelb nach dem FC Bayern auf Rang zwei. In Sachen Einsatz macht der Borussia zudem niemand etwas vor: 2045 Kilometer spulte sie ab, das sind durchschnittlich 120,3 Kilometer und damit pro Partie 1,6 Kilometer mehr als der Gegner. In der Einzelbetrachtung wiederum lief die gegnerische Mannschaft immerhin sieben Mal mehr als der BVB. „Ich glaube nicht, dass Einstellung und Leidenschaft bei uns das Problem sind“, sagt Mats Hummels.

Doch was ist es dann? Die „Hinrunde des Grauens“ habe „viele Gründe“, sagte Klopp. Da sind zum einen die Konzentrationsmängel direkt nach dem Anpfiff (siehe oben). Die Verletzungsmisere spielt ebenfalls eine Rolle. Hummels: „Fast alle Stammspieler sind mit Verletzungen durch die Vorrunde gegangen. Niemand konnte 100 Prozent seiner Leistung abrufen. Ich hoffe selbst auch, dass ich irgendwann erstmals seit der Weltmeisterschaft wieder schmerzfrei auflaufen kann.“

Abschlussschwäche ist das große Manko

Zu den Gründen für den Absturz auf Platz 17 zählt neben der Auswärts- (nur vier Punkte) sicher auch die Abschlussschwäche. Nur jeder 16. Torschuss saß. Oder anders: Von 106 Chancen führten nur 18 zu Toren (1,06 pro Spiel), eine Quote von 17 Prozent - der Ligaschnitt liegt bei 25,7 Prozent. Bitter zudem: Beim Gegner führte jeder sechste Torschuss zu einem Treffer, die Torquote liegt bei 33,3 Prozent.

Auch nach ruhenden Bällen ist der BVB so schwach wie kaum ein anderes Bundesliga-Team. Hummels Treffer in Bremen war das erste Tor aus einer Standardsituation seit dem fünften Spieltag. Nach einer Ecke hatte Schwarzgelb seit dem zweiten Spieltag nicht mehr getroffen.

„Jegliche Kritik, die über uns ausgebreitet werden kann, ist gerechtfertigt. Dass wir dastehen wie die Vollidioten, geschieht uns recht“, sagte Jürgen Klopp, den in der Vorbereitung auf die Rückrunde ab dem 6. Januar 2015 (und ab dem 10. Januar in La Manga) allerdings keine leichte Aufgabe erwartet. Klopp: „Wir hätten gern eine bessere Startposition in die Rückrunde, die kann man sich im Leben aber nicht aussuchen. Wir haben alle unserem Ruf geschadet. Aber das Ding ist noch nicht vorbei. Bisher hat uns Stabilität gefehlt. Die werden wir uns wieder erarbeiten. Dann wird es deutlich schwerer, uns zu schlagen und dann werden wir auch wieder gewinnen. Wir werden ein erbitterter Jäger sein.“

„...dann werden wir wieder ein anderes Gesicht zeigen“

Auch Mats Hummels ist trotz der Seuchen-Hinrunde optimistisch: „Sollten wir alle Mann durch die Vorbereitung bekommen und dann Ende Januar mit den vermeintlich stärksten Spielern antreten können, dann werden wir auch wieder ein anderes Gesicht zeigen.“

Der erste Gegner hat es am 31. Januar 2015 dabei gleich in sich: Es geht zum Tabellendritten Bayer Leverkusen. (fu)