„Wir ernten jetzt die Früchte unserer Arbeit und für wegweisende Entscheidungen, die wir vor Jahren getroffen haben.“ So erklärt Nachwuchskoordinator Lars Ricken die herausragenden Ergebnisse, mit denen das BVB-Nachwuchs-Leistungszentrum dicke und in ganz Europa beachtete Ausrufezeichen gesetzt hat.

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„Unsere Hauptaufgabe ist es, Top-Talente an den Profibereich heranzuführen. Aber wir wollen mit unseren Mannschaften auch den maximalen sportlichen Erfolg“, betont Borussias Jahrhundert-Torschütze vor dem Start der Junioren-Bundesliga am Sonntag – und sieht schon die nächsten Hochbegabten in den Startlöchern.

Borussias Teams waren auch in der vergangenen Saison das Maß aller Dinge im deutschen Nachwuchsfußball. Die U19 hat trotz vieler Rückschläge ihre Meistertitel erfolgreich verteidigt, die U17 das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen Bremen unglücklich verloren und die U15 die Regionalliga ungeschlagen mit 25 Punkten Vorsprung beendet. Was ist das Geheimnis dieser Erfolge?
„Es war ein fantastisches Jahr. Ich weiß nicht, ob es das schon einmal gegeben hat. Auf der einen Seite steht der sportliche Erfolg unserer Nachwuchsmannschaften, auf der anderen macht es uns stolz, dass in Christian Pulisic, Felix Passlack, Dzenis Burnic und Jakob Bruun Larsen vier Jungs aus der U19 bei den Profis in Pflichtspielen zum Einsatz gekommen sind. Wir ernten jetzt die Früchte unserer Arbeit und werden belohnt für viele wegweisende und richtige Entscheidungen, die wir vor Jahren getroffen haben. Wie etwa die, ein neues Jugendhaus für 22 Spieler zu bauen oder deutlich in Personal zu investieren. Unsere Chef- und teilweise auch Co-Trainer sind hauptamtlich beim BVB tätig. In Matthias Röben haben wir dazu den vielleicht besten Sozialpädagogen in der gesamten Bundesliga.“

Die Durchlässigkeit von der U19 in Richtung Profibereich ist in der Tat auffällig. Offenbar haben Sie bei den Nachwuchs-Teams neue Prioritäten gesetzt...
„Das ist so. In unserer Philosophie hat ein Umdenken stattgefunden. Früher sind die besten U19-Spieler in die U23 aufgerückt und zeitgleich U17-Spieler in die U19 hochgezogen worden. Das hat zum einen der individuellen Entwicklung der Spieler nicht gut getan, außerdem hat der mannschaftliche Erfolg unter dieser Rotation gelitten. Unser Ziel ist die individuelle Förderung und Ausbildung der Spieler, aber wir wollen parallel dazu starke Mannschaften entwickeln. Deshalb spielen die Jungs heute ausschließlich in ihren Jahrgangs-Mannschaften. Auch das erklärt die sportlichen Erfolge.“

Ziel ist die Endrunden-Qualifikation

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Am Sonntag starten die A- und B-Junioren-Bundesliga. Welche Vorgaben geben Sie beiden Mannschaften auf den Weg?
„Hauptaufgabe eines Nachwuchs-Leistungszentrums ist es, Top-Talente an den Profibereich heranzuführen. Aber wir wollen mit unserer U17 und U19 auch den maximalen sportlichen Erfolg. Unser Anspruch ist die Qualifikation zur Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Man muss allerdings bedenken, dass auf die U19 noch DFB-Pokal, Nationalmannschafts-Abstellungen und – das ist die höchste Belastung – mindestens sechs Spiele in der UEFA Youth League hinzukommen. Schalke spielt da nicht, auch Gladbach, Leverkusen, Bochum und Köln nicht. Das sind aber unsere größten Konkurrenten in der Bundesliga.“

Aus der U19 hat sich der 98-er Ausnahme-Jahrgang in den Seniorenbereich verabschiedet. Wie können die Trainer diesen Verlust auffangen?
„Das war ein herausragender Jahrgang, keine Frage. Aber man darf nicht vergessen, dass im Finale gegen Bayern München auch fünf Spieler aus dem 99-er Jahrgang von Beginn an auf dem Platz gestanden haben und drei eingewechselt worden sind. Diese Jungs hatten noch 2016 das B-Junioren-Finale gegen Leverkusen bestritten. Ich glaube, dass wir auch mit dem 99-er und 2000er Jahrgang wieder eine sehr gute und schlagkräftige Mannschaft stellen werden.“

In Christian Pulisic, Felix Passlack, Jakob Bruun Larsen und Dzenis Burnic sowie letztlich auch dem zum VfB Stuttgart gewechselten Orel Mangala hat die Nachwuchsabteilung fünf Talente für die Profis ausgebildet...
„Und wir dürfen Janni Serra nicht vergessen, der eine schwere Kreuzbandverletzung erlitten hat und jetzt über Training wie Spiele in der U23 an sein überragendes Niveau herangeführt werden soll. Stürmer-Typen wie ihn sucht ganz Deutschland. Wir geben ihm die Zeit, wieder zu seiner früheren Leistungsstärke zu finden.“

Spieler mit großem Entwicklungspotenzial

Sehen Sie in den aktuellen Kadern der U17 und U19 weitere Hochbegabte, die einen ähnlichen Weg gehen können? Niki Beste hat gerade die Chance genutzt, um auf sich aufmerksam zu machen, nachdem er im vergangenen Jahr nicht immer seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat...
„Es ist in diesen Altersklassen normal, dass Talente durch Wellentäler gehen, aber er hatte sich bereits zum Ende der Rückrunde gefangen und in den Endrundenspielen prima Leistungen abgeliefert. An Niki sieht man, wie positiv die Jungs reagieren, wenn sie bei den Profis reinschnuppern dürfen. Sie spüren, dass der Weg gar nicht mehr so weit ist. Niki hat zuletzt beim RUHR-Cup eine ganz andere Ausstrahlung und Selbstsicherheit gezeigt als in der Vorsaison. Dass er im Testspiel in Erfurt die Frechheit besaß, einen Freistoß auszuführen, den auch gestandene Spieler gern geschossen hätten, und diesen auch noch verwandelt hat, finde ich echt cool. Der Junge hat absolutes Potenzial, er ist bodenständig und zielorientiert. Wir werden ihn weiterhin behutsam aufbauen. Wichtig ist, dass ihn der Cheftrainer und die Fans schon kennen.“

Auch Innenverteidiger Luca Kilian, ein Enkel des ehemaligen BVB-Profis Amand Theis, hat einen großen Sprung nach vorn gemacht. Wie sehen Sie seine Möglichkeiten?
„Er ist, abgesehen von seinen sportlichen Qualitäten, auch von seiner Einstellung und Mentalität her ein Vorbild für jeden Spieler von Borussia Dortmund. Im Finale hat er gegen die Bayern nach 70 Minuten mit Krämpfen am Boden gelegen, danach weiter gespielt und sogar noch einen Elfmeter verwandelt. Später hat mir Luca gesagt: Wegen eines Krampfes lasse ich doch nicht die Mannschaft im Stich. Er macht gerade sein Abitur, ist ein total positiver Typ – und für die Zukunft ein spannender Spieler, schnell und zweikampfstark. An einigen Baustellen müssen wir noch arbeiten. Aber er verbessert sich von Woche zu Woche, von Monat zu Monat.“

„Wir müssen uns ständig weiterentwickeln“

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Die U17 hat sich mit Manuel Pherai verstärkt, einem hoch interessanten Spieler von AZ Alkmaar. Was macht hat ihn so interessant für den BVB?
„Wir sind sehr stolz, dass er sich für uns entschieden hat, weil er von namhafter Konkurrenz umworben worden war. Der Junge war mit seiner Mutter bei uns, hat die handelnden Personen, das Trainingsgelände und unsere Philosophie kennengelernt und auf dem Rückweg gleich gesagt: Ich will nach Dortmund. Solche Spieler, die Bock haben auf Borussia, sofort eine Leidenschaft entwickeln und nicht mit anderen Angeboten kokettieren, brauchen wir. Manuel gehört in Europa zu den absoluten Top-Talenten. Er ist auf der 10-er oder 8-er Position ein technisch herausragender Spieler, aber auch ein Team-Player und ein offener Typ, der im Jugendhaus und in der Mannschaft gleich hervorragend aufgenommen wurde.“

Christian Flüthmann sollte im Nachwuchsbereich die Leitung der Abteilung „Spielanalyse“ übernehmen. Jetzt ist er Trainer Daniel Farke zu Norwich City gefolgt. Wer übernimmt diese so wichtig gewordene Position?
„Wir machen jetzt eine Art Casting und werden dann die Stelle besetzen. Es geht nicht um einen Schnellschuss, sondern um die mittel- und langfristig beste Lösung. Wir wollen auf dem Gebiet der Video-Analyse noch professioneller werden, um die Trainer bei Spielvorbereitung und -nachbereitung effektiv zu unterstützen.“

Die Konkurrenz schläft nicht, Andere Bundesliga-Vereine, aber auch und vor allem die Engländer, rüsten im Nachwuchsbereich mächtig auf. Der FC Bayern nimmt in diesen Tagen sein 70 Millionen Euro teures Nachwuchs-Leistungszentrum in Betrieb. Wie reagiert der BVB darauf?
„Es ist schon bemerkenswert, wie viel Geld die Vereine in die Hand nehmen, um ihre Nachwuchsleistungszentren auszubauen oder zu optimieren. Die Konkurrenzsituation wird immer größer. Deshalb müssen auch wir uns ständig weiterentwickeln und verbessern. Spieler aus den eigenen Reihen, wie Christian Pulisic, Felix Passlack, Marcel Schmelzer, Mario Götze, Marco Reus oder Nuri Sahin, der jetzt schon fast Legenden-Status genießt, sind für die Identität von Borussia Dortmund von extremer Bedeutung. Talentierte Jungs in den Profibereich zu führen, daran müssen und werden wir weiter mit Leidenschaft arbeiten.“
Das Gespräch führte Wilfried Wittke

Die U19 startet Sonntag (11 Uhr) im NLZ Brackel mit einem Heimspiel gegen den VfL Bochum in die Bundesliga-Saison. Die U17 gastiert beim Bundesliga-Neuling SG Unterrath.