Die Jahreszahl 6 spielt in der Geschichte von Borussia Dortmund eine bedeutende Rolle: 1996 gelang die Titelverteidigung in der Bundesliga, 1986 die erfolgreiche Relegation, 1976 der Wiederaufstieg. 1966 gewann der BVB als erster deutscher Klub überhaupt einen Europapokal. Und heute vor 60 Jahren, am 24. Juni 1956, wurde er das erste Mal Deutscher Meister.

Nach drei vergeblichen Anläufen auf die Meisterschaft (Vizemeisterschaft 1949, Achtelfinale 1950 und Vorrunde 1953) qualifizierte sich der BVB 1956 abermals für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Nach der Vorrunde gegen den Hamburger SV, den VfB Stuttgart und Viktoria Berlin zog der BVB ins Finale ein und traf dort auf den Karlsruher SC.

Wegen der kurzfristigen Vergabe des Finales gab es kaum passende Stadien. Die Wahl fiel schließlich auf das geteilte Berlin. Ein Grund für die Vergabe des Finales nach Berlin war bestimmt auch die veränderte politische Lage. Auf Grund des schlechten Wetters gab es erstmals seit Jahren wieder Karten für das Finale an der Tageskasse. 5.000 BVB-Anhänger begleiteten die Mannschaft nach Berlin, wo 75.000 Besucher das Olympiastadion füllten. Ein weiterer Grund für den schleppenden Verkauf war die Befürchtung, dass durch den klaren Favoriten Borussia Dortmund das Finale recht einseitig würde. Auch hätten die neutralen Berliner Fans lieber einen Gegner von Format gesehen als den Überraschungsfinalisten Karlsruher SC.

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Seit den Morgenstunden hatte es in Berlin geregnet. Erst kurz vor dem Anpfiff hörte der Dauerregen auf. Die Frage war, welche Mannschaft besser mit dem schweren Rasen zurecht kommen könnte. Die kämpferischen Karlsruher oder die technisch beschlagenen Dortmunder? Bei den Aufstellungen gab es keine großen Überraschungen. Die Dortmunder spielten mit ihrer Stammmannschaft (Kwiatkowski, Burgsmüller, Sandmann, Schlebrowski, Michallek, Bracht, Peters, Preißler, Kelbassa, Niepieklo, Kapitulski). Der Karlsruher Trainer Patek schickte folgende Mannschaft auf den Platz: Dannemaier, Sommerlatt, Termath, Kunkel, Beck, Ruppenstein, Geesmann, Traub, Max Fischer, Kapitän Baureis und Torwart Rudi Fischer.

Wer auf einen Durchmarsch der Borussen gehofft hatte, wurde enttäuscht. Die ersten Torchancen hatten die Karlsruher durch Sommerlatt und Kunkel. Die Dortmunder wurden früh gestört, und so war die Führung der Karlsruher nicht überraschend. In der neunten Minute erlief Kunkel einen Steilpass von Ruppenstein, ließ Michallek und Schlebrowski, die sich gegenseitig behinderten, stehen und schoss am machtlosen Kwiatkowski zur Führung ein. Und wieder eine Überraschung: Nicht die Karlsruher wurden durch diesen Treffer beflügelt, sondern die Borussen. Preißler lenkte nun das Spiel in gewohnter Weise und leitete das Angriffsspiel. Unübersichtlich wurde es in der 15. Minute im Strafraum des KSC. Nach einem Schuss von Kapitulski bekam Max Fischer den Ball an die Hand. Das Spiel lief trotzdem weiter, der Ball kam auf rechts zu Niepieklo, der aus sechs Metern ins lange Eck schoss und Torhüter Rudi Fischer keine Chance ließ.

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Nach dem Treffer wurden die Borussen immer selbstbewusster und blieben spielbestimmend. Dann aber in der 21. Minute eine große Chance für Termath, der das Tor aber um wenige Zentimeter verfehlte. Auf der anderen Seite war es dann Baureis, der vor dem völlig freien Kelbassa den Ball gerade noch über die Latte bekam und zur Ecke klärte. Bei dieser Ecke macht Torwart Fischer eine unglückliche Figur, und Kelbassa musste in der 27. Minute nur noch den Ball ins Tor einnicken. 2:1 für Borussia! Die Schwarzgelben ließen nicht locker und erarbeiteten sich weiterhin Chancen. In der 43. Minute nahm sich Jockel Bracht ein Herz und verfehlte das Tor aus 16 Metern nur um Haaresbreite. Das hätte die Vorentscheidung sein können.

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Nach dem Wechsel hatte wieder der KSC die erste Großchance. Traub flankte in den Strafraum, Beck legte ab auf Sommerlatt, wurde aber durch Schlebrowski gestört. Der Ball gelangte zu Kunkel, dessen Weitschuss von der Strafraumgrenze von Kwiatkowski an den Pfosten gelenkt werden konnte und von da ins Aus ging. Die Karlsruher blieben am Drücker. In der 52. Minute hatte Beck die Chance zum Ausgleich. Aber er bekam den Ball nach einem Dannenmaier-Freistoß nicht unter Kontrolle und köpfte ihn auf das Tornetz. 

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Die Borussen machten es besser. In der 53. Minute hatten sie die erste Chance in der zweiten Hälfte und machen daraus gleich das 3:1. Ein Fernschuss von Preißler wurde von Geesmann so unglücklich abgefälscht, dass Torhüter Fischer keine Abwehrchance hatte. Dieses Tor verunsicherte den Torhüter so stark, dass er nur kurz danach die Vorentscheidung verursachte: Halbhoch zirkelte Kelbassa einen Freistoß hart in Richtung KSC-Tor. Obwohl der Ball direkt auf Torwart Fischer ging, ließ er ihn nach vorne abprallen. Diese Chance nutzte Peters  zum 4:1.

In der 66. Minute fiel doch noch der Anschlusstreffer. Eine harmlose Flanke von Beck, die Kwiatkowski gerade aufnehmen wollte, wurde durch Burgsmüller an dem völlig verdutzten Torhüter vorbei ins eigene Tor gelenkt. Die Badener blieben am Drücker, aber erspielten sich bis zur 75. Minute keine richtige Torchance mehr. Dann aber eine hochkarätige: Termath erhielt den Ball völlig freistehend, versuchte noch Burgsmüller zu umspielen, aber dadurch versprang ihm der Ball, und aus dem Schussversuch wurde nur ein Schüsschen. Bei den seltenen Entlastungsangriffen der Borussen springen in der Schlussphase noch zwei Chancen heraus. Kurz vor Schluss haben sie Glück, dass Schiedsrichter Dusch Kelbassa nicht vom Feld stellt. Der hielt den davon ziehenden Baureis fest, kassierte aber nur eine strenge Ermahnung.

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Das Spiel war gelaufen, die Borussen halten den Ball in den eigenen Reihen. Nach dem Schlusspfiff verwandelte sich das Berliner Olympiastadion in ein schwatzgelbes Fahnenmeer.

Endlich hat der BVB die Meisterschaft errungen. Spieler und Trainer mussten sich Tränen wegdrücken. Bei der Siegerehrung lobte der DFB-Vorsitzende Dr. Bauwens Adi Preißler als echtes Vorbild für junge deutsche Fußballer. Einzig Max Michallek machte sich Sorgen: Da er sich im Spiel eine Rippenverletzung zuzog, musste er zum Röntgen ins Krankenhaus und fürchtete, den Umtrunk zu verpassen.

Tags darauf trafen die „Helden aus Berlin“ um 19 Uhr in zwei Bundesbahn-Sonderzügen am Dortmunder Hauptbahnhof ein. Als Adi Preißler aus dem Waggon stieg, gab es kein Halten mehr. Alleine 80.000 waren am Dortmunder Bahnhof, insgesamt waren wohl 250.000 Menschen an den Straßenrändern, als die Spieler zum Borsigplatz gebracht werden. Am Abend gab „Adi“ das Versprechen ab, dass die Meisterschale in Dortmunds Mauern heimisch werden müsse.

Ein Jahr später war es dann wieder soweit, aber das ist dann eine andere Geschichte.