24 Jahren nach dem Sieg über Alemannia Aachen stand Borussia Dortmund erneut im Pokalfinale. Der Sieg über Werder Bremen läutete im Jahr 1989 eine neue Ära für Schwarzgelb ein.

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Wolfgang de Beer mit dem Pokal. Rechts: Norbert Dickel

Der 24. Juni ist fast schon ein magisches Datum der Vereinsgeschichte. 1956 gewann der BVB (ebenfalls in Berlin) seine erste Meisterschaft. 1989 – 23 Jahre nach dem letzten Titel – stand Borussia Dortmund wieder in einem Endspiel. Gegner um den DFB-Pokal war Vorjahres-Meister Werder Bremen.

Sieben Punkte lagen in der Liga zwischen dem Siebten aus Dortmund und dem Dritten aus Bremen, das dementsprechend favorisiert in dieses Spiel ging. Aber auf den Rängen war Schwarzgelb in der Überzahl. 40.000 Dortmunder „gegen“ 15.000 Bremer, die sich vor dem Spiel auf dem Ku’damm „verbrüdert“ hatten. Berlin durfte sich also auf ein Fest des Fußballs freuen. Das Olympiastadion war mit 76.171 Zuschauern ausverkauft.

Doch auf dem Rasen ging es hart zur Sache. Bremen hatte wie erwartet mehr vom Spiel. In der 14. Minute spielte Thomas Schaaf in die Mitte auf Kalle Riedle, und der schob den Ball mit rechts ins linke Eck. Werder führte.

Bratseth verschätzt sich - Dickel gleicht aus

Und Dortmund? Zeigte sich unbeeindruckt. Michael Rummenigge drehte im Mittelfeld eine Pirouette, Frank Mill nahm auf der linken Seite Anlauf und spielte den Ball Richtung Elfmeterpunkt. Rune Bratseth, der Bremer Abwehrchef, verschätzte sich fürchterlich. Norbert Dickel war da, wo ein Torjäger stehen muss, und schoss ein zum 1:1. Nur sieben Minuten nach der Bremer Führung hatte Dortmund ausgeglichen.

„Bratseth bleibt irgendwie hängen und kommt nicht mehr an den Ball ran. Normalerweise wär’ das kein Problem für ihn gewesen. Und plötzlich steh’ ich allein vor Oliver Reck und mach ihn rein – 1:1.

Ausgerechnet Norbert Dickel also. An dessen sportlichem Stellenwert gab es keine Zweifel. Mit zwölf Treffern in der Liga war er Borussias erfolgreichster Torschütze in der Saison 1988/89. Außerdem hatte er im Achtelfinale beim FC Schalke 04 (3:2 für den BVB) das wichtige zweite Dortmunder Tor erzielt. Doch er hatte sich Anfang Mai, genau sieben Wochen vor dem Finale, einer Meniskusoperation unterziehen müssen. Das Finale war Tag 46 nach dem Eingriff. Bis dahin hatte er nicht mehr gespielt und sich nur mit Schmerzen zum Abschlusstraining vor der Reise in die damals noch geteilte Stadt geschleppt.

Niebaum und Möller überzeugten Trainer Köppel

„So oft kommt man als Fußballer nicht in ein Endspiel. Ich fühlte mich ganz gut, auch wenn die Schüsse mit der Innenseite fürchterlich weh taten. Das habe ich natürlich niemandem verraten. Denn ich wollte mit nach Berlin. Ich konnte natürlich nicht verlangen, dass ich von Anfang an spiele, auch wenn ich innerlich darauf gehofft hatte. Im Halbfinale gegen Stuttgart hatte ich mir einen Meniskusabriss im Knie zugezogen und erst am Tag vor dem Endspiel wieder trainieren können.“

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Norbert Dickel bejubelt den Ausgleich.

Dickel durfte mitfliegen, aber er sollte nicht von Anfang an spielen. Trainer Horst Köppel wollte eine defensive Taktik wählen. Der damalige Vereinspräsident Dr. Gerd Niebaum sowie Mittelfeldspieler Andreas Möller redeten und redeten auf den Coach ein. Köppel knickte ein und stellte Dickel auf.

Nach weiteren Riesenchancen für Dickel auf der einen und Bratseth auf der anderen Seite ging es mit 1:1 in die Halbzeitpause. Dort schworen sich die Schwarzgelben ein. „Die Blockade war weg“, erinnert sich Dickel, „Bremen war gar nicht der übermächtige Gegner. Die kochten auch nur mit Wasser.“ Die Borussen glaubten an ihre Chance: „In dem Moment haben wir gemerkt: Die sind doch verletzbar. Von da an war das Spiel offen. Wir haben uns von Minute zu Minute gesteigert. In der Halbzeitpause haben wir uns gesagt: Wir haben noch 45 Minuten. Lasst uns jetzt nach vorne spielen, lasst uns den Pott in den Ruhrpott holen.

Doch zu Beginn der zweiten Hälfte musste Stürmer Frank Mill nach einem Fehler von Thomas Helmer vor der eigenen Torlinie klären. Beim anschließenden Eckball brannte es lichterloh im Dortmunder Strafraum. Auch Riedle hatte drei Mal die neuerliche Bremer Führung auf dem Fuß.

Michael Zorc bereitet zwei Tore vor

Es war eine ganz enge Kiste bei heißen Temperaturen. Wer nun in Führung ging, würde klar im Vorteil sein. Bremens Trainer Otto Rehhagel brachte mit Ordenewitz für Otten einen weiteren Stürmer, um den Druck weiter zu erhöhen. Mill, der ein Riesenspiel machte, sorgte auf der anderen Seite immer wieder für Entlastung. Und er belohnte sich: Einen „No-Look-Pass“ (würde man heute sagen) von Michael Zorc köpfte er in der 58. Minute zum 2:1 ein.

Werder antwortete mit wütenden Attacken. Zorc klärte artistisch per Fallrückzieher – und leitete damit das 3:1 ein. Möller bugsierte die Kugel zu Mill, der sich zwei Bremern gegenüber sah, den ersten aussteigen ließ und aus zwölf Metern halbrechter Position aufs Tor schoss. Reck wehrte mit dem Fuß ab, doch Mill war erneut zur Stelle. Diesmal mit der Verlagerung auf die linke Seite. Da kam Dickel. 14 Meter. Volley. Tor!  In der 71. Minute war das 46. Endspiel um den DFB-Pokal vorentschieden

Es war die Geburtsstunde des Helden von Berlin.

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Ich glaube nicht, dass dieses Spiel irgendeinen großen Einfluss hatte, dass meine Karriere so früh endete. Ich habe an diesem Tag in Berlin alles richtig gemacht. Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, würde ich heute nicht in der Geschäftsstelle von Borussia Dortmund arbeiten. Das Knie ist kaputt, aber mein Leben hat einen vernünftigen Weg genommen. Ja, ich hätte es wieder getan.“

Dickels Weg war vorgezeichnet, aber das Spiel noch nicht beendet. Michael Lusch, seit zwei Minuten für Günther Breitzke im Spiel, war nach Helmers 50-Meter-Pass auf und davon, legte sich die Kugel mit dem Kopf vor und nagelte sie dann ins linke untere Ecke. 4:1!

23 Jahre und 22 Tage nach dem Europapokalsieg gegen den FC Liverpool in Glasgow feierte Borussia Dortmund wieder einen Titelgewinn. Hunderttausende bejubelten die Helden nach ihrer Rückkehr. „Dieser Titelgewinn“, sagte der damalige Kapitän Michael Zorc, „war wie eine sportliche Wiederauferstehung. Er hat dem ganzen Klub jenes Selbstvertrauen zurückgegeben, das mit ein wenig zeitlichem Abstand letztlich auch zu den Deutschen Meisterschaften in den 90er-Jahren geführt hat.“
Boris Rupert