Marcel Schmelzer geht voran. Wieder einmal. In der vergangenen Woche hat der Linksverteidiger seinen Vertrag bis 2021 verlängert. Wenn dieses Arbeitspapier endet, wird er 33 Jahre alt sein und seine komplette Profi-Karriere bei Borussia Dortmund gespielt haben. 13 Jahre werden es bis dahin sein – exakt so viele wie bei Dede, seinem Vorbild und Vorgänger.

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„Ich freue mich sehr, auch in Zukunft Bestandteil dieser charakterstarken Mannschaft und dieses unvergleichlichen Klubs sein zu dürfen“, hat Schmelle nach der Unterzeichnung gesagt – und Entscheidendes angefügt: „Borussia Dortmund ist und bleibt meine sportliche Heimat. Und die Region ist für mich und meine Familie ohnehin schon seit Jahren der Ort, an dem wir uns zu Hause fühlen.“

Zuhause. Heimat. Schmelzer, jetzt schon eine Dortmunder Institution, kann ab sofort auch Inspiration sein – für jeden jungen Fußballer, der vor der schwierigen Entscheidung steht, zu gehen oder zu bleiben. Zum BVB gekommen ist der Linksverteidiger im Sommer 2005. Mit 17 Jahren, vom 1. FC Magdeburg. Über die A-Jugend und die U23 hat er sich hochgearbeitet in den Profikader. Be- und in der Folge gefördert wurde er von Jürgen Klopp. Am 16. August 2008 debütierte Marcel Schmelzer in der Bundesliga. 195 weitere Einsätze sollten bislang folgen. Das ist mindestens an zwei Weggabelungen bemerkenswert.

 Schmelzers Vorgänger war Dede, der Brasilianer, der Publikumsliebling, verehrt, beinahe vergöttert – und mit Erik Durm, dem früh schon hoch dekorierten Weltmeister von Rio de Janeiro, bei manchen Beobachtern sein Nachfolger schon ausgeguckt. Schmelzer aber hat den ersten ver- und den zweiten zurückgedrängt. Er ist gekommen – und geblieben. Eine Konstante über die Jahre und immer häufiger immer länger eine verlässliche Größe.

Eine Konstante und eine verlässliche Größe

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Nach dem Debüt im August 2008 mit Trainer Klopp

„Schmelle ist im letzten Jahr fünf Zentimeter größer geworden – und das nur, weil er sich aufgerichtet hat.“ Die Feststellung stammt von Jürgen Klopp aus der Saison 2010/11. Und sie sagt viel aus über den Typen Schmelzer und seine Entwicklung. Einer Entwicklung, die Klopp einmal in Bezug auf den Spieler und die Persönlichkeit als eine „der außergewöhnlichsten meiner Trainerkarriere“ gewürdigt hat. Scheu war Schmelzer damals, beinahe schüchtern. Markenzeichen: der tief ins Gesicht gezogene Kapuzenpullover. Zurückhaltend ist er noch immer – und zugleich zuvorkommend. Der Unterschied: Heute ist Marcel Schmelzer einer der ersten Ansprechpartner; für Mitspieler und Berichterstatter, bei Siegen und bei Niederlagen. Vor allem aber ist er: mit sich im Reinen.

Dass nicht er zur WM 2014 gefahren ist, sondern Erik Durm, der Jüngere, der gerade erst Aufstrebende, der später Dazugekommene und sich dieser seitdem Weltmeister nennen darf, hätte andere womöglich umgehauen. Schmelzer aber hat zurückgeschlagen. Auf dem Fußballplatz. Nach schleppendem Start in die vermaledeite Post-WM-Saison stand der erfahrene Linksverteidiger ab Spieltag 14 mit einer einzigen Ausnahme in jedem Punktspiel auf dem Platz – Borussia kletterte in derselben Zeit von Platz 18 auf 7. Für die laufende Serie stehen 24 Ligaeinsätze, 226 Kilometer Gesamtlaufleistung, 55 Prozent Zweikampf- und 82 Prozent Passquote im Arbeitsnachweis. Es ist Schmelles beste Bundesligasaison seit Jahren.

„Einer der stärksten Linksverteidiger Europas und wunderbarer Mensch“

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Entsprechend zufrieden sind die Bosse. „Marcel Schmelzer ist nicht nur einer der stärksten Linksverteidiger Europas, sondern auch ein wunderbarer Mensch, der dem BVB genauso viel Zuneigung und Respekt entgegenbringt wie wir ihm“, sagt etwa Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Sportdirektor Michael Zorc stößt ins selbe Horn: „Marcel Schmelzer ist ein Spieler, den wir über unseren Nachwuchs selbst entwickelt haben. Er ist ein echter Borusse, identifiziert sich voll mit unserem Klub, genießt bei uns sportlich einen hohen Stellenwert und hat in dieser Saison noch einmal einen weiteren Schritt nach vorne gemacht.“

Er freue sich sehr, schiebt Zorc nach, mit dem nach Roman Weidenfeller dienstältesten Borussen gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Das leuchtet ein. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Und der 28-Jährige hat an allen Kapiteln der nachhaltigsten Epoche der Vereinsgeschichte mitgeschrieben. 2009 der 100. Geburtstag, 2010 die Rückkehr nach Europa in Lemberg, 2011 der Gewinn der Meisterschaft und die damit verbundene Rückkehr in die Königsklasse des Europapokals, 2012 das erste Double der Vereinsgeschichte und seitdem die Teilnahme an vier weiteren großen Endspielen; 2013 nach Auftritten in Madrid, Manchester und Amsterdam in der Champions League und 2014 bis 2016 im DFB-Pokal. Ein Triumph dort, am 21. Mai in Berlin gegen die Bayern, und Marcel Schmelzer würde mit den Mitspielern seiner Generation einen weiteren Meilenstein setzen – als erste zweifache Pokalsieger für Borussia Dortmund. Das hat nicht mal Aki Schmidt geschafft. Nicht Michael Zorc. Und auch nicht Sebastian Kehl. Von Dede ganz zu schweigen.
Nils Hotze