Ich bekenne mich mitschuldig. Ich mache diesen Blödsinn ja auch immer mit. Jedes Mal, wenn ein Spieler am Boden liegt und ein anderer den Ball ins Aus schießt, fasele ich etwas von „tolle Aktion“, „zur Nachahmung empfohlen“ oder „so etwas nennt man FAIRPLAY“.

Und die Zuschauer klatschen zum einen, wenn der Ball ins Aus geschossen wird und zum anderen, wenn er anschließend zum Gegner geworfen wird. In dem Moment fühlen sich alle im Stadion super! Schließlich hat man gerade dem knallharten, erfolgsorientierten und rücksichtslosen Fußball der Neuzeit die Mitmenschlichkeit eines freiwillig geopferten Ballbesitzes entgegengesetzt.

Sepp Blatter hat unlängst gefordert, dass Spieler, die liegen bleiben, zunächst mal nicht wieder zurück aufs Feld dürfen. Für ihn sind alle Schwalbenkönige! Damit geht Blatter natürlich zu weit. So mancher Stürmer hat sich tatsächlich ein bisschen wehgetan. Und der eine hat sicherlich auch etwas mehr Aua als der andere.

Womit Blatter allerdings recht hat: Die wenigsten müssen liegen bleiben. Die meisten haben das verspätete Wiederaufstehen längst als taktisches Mittel erkannt. Sie wissen: „Je mehr ich mich krümme, umso größer wird der moralische Druck auf den Gegner! Der traut sich nicht mehr, den vielversprechenden Angriff durchzuziehen. Schöner Konterfußball und perfektes Umschaltspiel werden niedergepfiffen, wenn ein schwerstverwundeter Angreifer am Sechzehnmeterraum, diesen Eindruck muss man manchmal haben, um sein Leben kämpft!

Wir sollten uns diesen Selbstbetrug eingestehen. So gut wie nie braucht ein Dahingestreckter unverzüglich erste Hilfe. Fast immer kann der Mann am Boden weiterspielen. Und je mehr eine Mannschaft ein Tor braucht, umso geringer ist die Bereitschaft, den Ball ins Aus zu schießen. Bei einem Rückstand in der Schlussphase hat es sich grundsätzlich mit Fairplay. Der späte Ausgleich von Mainz 05 in Dortmund, erzielt nach einem über den unstrittig übel getroffenen Neven Subotic hinweg gespielten Konter, ist allen BVB-Fans lange in Erinnerung geblieben.

Und immer wieder erleben wir es sogar, dass eine Mannschaft zunächst mal unbekümmert weiterspielt, um dann nach Ballverlust den Gegner rotzfrech aufzufordern, den Ball rauszuspielen. Und die Unparteiischen sind grundsätzlich planlos, weil es keine Regel gibt, die ihnen hilft. Sie pfeifen willkürlich ab oder lassen willkürlich weiterspielen! Das sinnfreie Ritual des Ballrausschießens sollte abgeschafft werden.

Die Begegnung sollte nur noch vom Schiedsrichter unterbrochen werden. Wir werden es nicht erleben, dass für einen verletzten Stürmer jede Hilfe zu spät kommt. Aber wir werden es erleben, dass die Angreifer kaum noch liegenbleiben. Und wir werden es erleben, dass der Spielfluss nicht mehr von Simulanten unterbrochen wird.

Hansi Küpper

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Die Kolumne spiegelt die Meinung des Autors wider.