Es gibt eine Frage, die hat im Laufe der Jahrzehnte so ziemlich jeden Fußball-Standort in Deutschland irgendwann einmal beschäftigt: die Stadionfrage. Sie wurde in aller Regel auch deshalb so hitzig und gereizt gestellt, weil sie gleich serienweise weitere (Grundsatz)fragen aufwarf. Wem soll das Stadion gehören? Wer bezahlt es? Wieso wird der Steuerzahler zur Kasse gebeten? 

In den vergangenen Tagen ist die Stadionfrage gleich zweimal auf bemerkenswerte Art und Weise beantwortet worden. In Freiburg durften die Bürger per Abstimmung entscheiden, ob ihr Bundesligaverein, der seit Urzeiten in einem zu kleinen Stadion mit einem zu kleinen Spielfeld antritt, eine neue Heimat bekommt. Und man hätte vermuten müssen, dass es der Fußball in kaum einer Stadt so schwer haben würde wie in Freiburg. Denn die Perle des Breisgaus ist nicht nur landschaftlich, sondern auch politisch tiefgrün.

Eingriffe in die Umwelt, z.B. durch einen Stadionneubau, müssen hier zwangsläufig für mehr Aufregung sorgen als andernorts. Und die Gegner des Stadionprojekts schwangen tatsächlich die ganz große Keule. Der Neubau werde Menschenleben kosten! Er stehe irgendwann in einem Kaltluftentstehungsgebiet! Die Konsequenz sei logisch: mehr Hitze, Kreislaufprobleme, Exitus! Bemerkenswerterweise sahen gleich 58,2% der Bürger tollkühn dem Tod ins Auge und stimmten für das neue Stadion. Offensichtlich hatten auch viele der Menschen mit ausgeprägtem Umweltbewusstsein die Überzeugung, dass ein Fußballverein mehr ist als ein gnadenlos profitorientiertes Wirtschaftsunternehmen.

In Aachen hat die Stadt den neuen Tivoli für einen symbolischen Euro gekauft. Die Kommune ist ab jetzt für die Betriebskosten und den Schuldendienst verantwortlich. Und der Bund der Steuerzahler verkündete unverzüglich, dass er „kein Verständnis für die kommunale Unterstützung des Profifußballs“ habe. Soso...

Hat der BdSt denn Verständnis für den Zuschussbedarf bei Theaterkarten in Aachen von über 16 Millionen Euro? Es soll und darf hier nicht um den Abbau von Kulturförderung gehen. Aber auch hier sind Grundsatzfragen berechtigt: Inwiefern hat auch ein Stadion etwas mit dem Gemeinwohl zu tun? Mit den Wünschen, Bedürfnissen, vielleicht sogar Sehnsüchten der Menschen in einer Stadt? Inwiefern ist der Club, der in diesem Stadion spielt, vielleicht sogar oberster Werbeträger der Kommune? Inwiefern schiebt die Verbundenheit der Menschen mit ihrem Verein die lokale Gastronomie und den ÖPNV an?

Auch die Aachener haben abgestimmt. Mit den Füßen! Als die (ebenfalls von der über Jahre aufgeworfenen Stadionfrage in ihrer Stadt fast zermürbten) Rot-Weißen aus Essen mit über 5.000 Anhängern zum VIERTLIGA-Spitzenspiel kamen, war der neue Tivoli ausverkauft. Mehr als 30.000 Menschen demonstrierten eindrucksvoll, dass dieses Aufeinandertreffen von 22 No-Names auf dem Rasen etwas mit ihnen und ihrem Lebensgefühl zu tun hat. Dass – weit entfernt vom Profifußball des großen Geldes – ihre Vereine ihnen etwas bedeuten. Frei nach dem Motto: LIEBE KENNT KEINE LIGA!
(Hansi Küpper)

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Die Kolumne spiegelt die Meinung des Autors wider.