Dass Schiedsrichter geschmäht, angefeindet, verspottet und vor laufenden Kameras für untauglich befunden werden, ist unfair und verwerflich. Aber seien wir ehrlich: Es ist auch logisch.

Jeder Trainer, der schlecht ausgewechselt hat, kann über die falsche Abseitsentscheidung stänkern. Jeder Spieler, der sieben Mal überlaufen wurde, kann sich über eine falsche Zweikampfbewertung lustig machen. Und jeder Fan kann sich beim Pfiff gegen seine Mannschaft zunächst einmal hemmungslos an den Unparteiischen abarbeiten.

Die Schiedsrichter gehören als Einzige im Stadion keinem Lager an. Während sich die Trainer vor ihre Spieler und die Spieler vor ihre Mitspieler stellen, sind die Referees in aller Regel Freiwild bei der Jagd nach Schuldigen und Schlagzeilen. Zum Glück hat nach dem Selbstmordversuch von Babak Rafati mancherorts ein Umdenken stattgefunden. Es gibt Redaktionen, die sich – wenn irgend möglich – vor die Schiedsrichter stellen. Die ihren Mut betonen und lieber die Note 1 als die Note 5 geben.

Diese Entwicklung ist erfreulich. Eine andere Entwicklung hingegen macht es den Schiedsrichtern inzwischen groteskerweise besonders schwer. Denn offen kritisiert, verhöhnt und beschädigt werden die Unparteiischen inzwischen regelmäßig von ihren eigenen Leuten. Stallgeruch und Teamgeist bleiben im Schiedsrichterwesen zuletzt immer mehr auf der Strecke. Warum auch immer?! In der Frühphase der Saison hat ein Bundesligaschiedsrichter auf Elfmeter entschieden. Die Entscheidung war umstritten. Die Meinungsskala reichte von „klare Fehlentscheidung“ bis „100%iger Elfer“. Dass der Schiedsrichterbeobachter auf der Pressetribüne seinem Mann auf dem Rasen noch nicht einmal einen Ermessensspielraum zugestand und offensiv den falschen Pfiff kritisierte, wurde von vielen Journalisten erstaunt zur Kenntnis genommen. Von geradezu abgründiger moralischer Verkommenheit war die Reaktion des offiziellen FIFA-Magazins auf das Phantom-Tor von Hoffenheim. Die Schreiberlinge – genaugenommen auch Schutzbefohlene der Schiedsrichter aller Kontinente – verkündeten genüsslich den Einzug der Fehlentscheidung in die TOP 11 der falschen Pfiffe der Historie. Wie erbärmlich! Dass ein Materialfehler vorlag und dass selbst Hoffenheimer Spieler widerspruchslos zur Mittellinie trotteten, war den Populisten egal.

Jetzt hat es auch in der Bundesliga erneut einen betrüblich-bemerkenswerten Fall gegeben. Bei Hertha gegen Nürnberg gab‘s eine Szene, wie wir sie im deutschen Fußball-Oberhaus wohl noch nie erlebt haben. Die schwierigsten Regelfragen stellten sich geballt. Vorteil oder nicht? Handspiel zur Verhinderung eines sicheren Tores? Aktives oder passives Abseits? Alles griff in wenigen Sekunden ineinander. Die Unparteiischen sahen eine Behinderung des Nürnberger Torwarts, so wie im Fallbeispiel
9 des Regelwerks zum Passiv-Abseits beschrieben. Die Entscheidung war allenfalls strittig, definitiv nicht falsch!

Dass die Entscheider von Berlin auf dem offiziellen DFB-Schiedsrichter-Portal anschließend ohne jede Not als Fehlentscheider vorgeführt wurden, stimmt nachdenklich. Wie heißt es so unschön? „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr!“

Hansi Küpper

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Die Kolumne spiegelt die Meinung des Autors wider.