„Manni“ kommt zurück. In sein Wohnzimmer. Im Trikot des Gegners. Sven Bender – Deutscher Meister 2011 und 2012, DFB-Pokalsieger 2012 und 2017 sowie Champions-League-Finalist 2013 mit Borussia Dortmund – spielt seit Sommer 2017 für Bayer 04 Leverkusen. Ein Gespräch über Werte und Wurzeln.

Manni, Bayer Leverkusen ist nach einer schwierigen Hinrunde unter der Leitung des neuen Trainers Peter Bosz mit tollem Offensivfußball und starken Ergebnissen in die Rückrunde gestartet. Was hat in der Winterpause den Weg zurück in die Erfolgsspur geebnet?
In der Hinrunde ist wirklich vieles zusammengekommen. Uns haben zu Beginn Führungsspieler wie Aranguiz oder Baumgartlinger gefehlt, deren Wort im Team Gewicht hat. Unser Torhüter Hradecky, der ein echter Rückhalt ist, hat anfangs ebenfalls gefehlt. Dann stimmten die Leistungen nicht, und die negativen Erlebnisse zogen sich leider durch die Halbserie. Alleine das Wissen darum, dass wir mit unserer Qualität vieles besser machen können, musste vor der Rückrunde Ansporn genug für jeden Einzelnen sein. Wir haben es im Winter geschafft, alles wieder auf Null zu stellen. Es liegt aber ein sehr langer Weg vor uns. Wir haben noch nichts erreicht. Immerhin ist es gelungen, uns eine Ausgangssituation zu erarbeiten, die es der Mannschaft ermöglicht, sich doch noch für das internationale Geschäft zu qualifizieren. Das ist unser Ziel!

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Du hast Borussia Dortmund 2017 auf eigenen Wunsch verlassen, als Peter Bosz die Mannschaft gerade übernommen hatte. Jetzt ist er Dein neuer Trainer in Leverkusen. Wie lebt es sich mit der Erkenntnis, dass die Fußballwelt ein kleines Dorf ist?
Das stimmt. Ich hatte beim BVB noch eine Woche unter seiner Leitung trainiert. Meine Entscheidung, den Klub nach all den Jahren verlassen zu wollen, war zu diesem Zeitpunkt aber längst gefallen. Sie hatte absolut nichts mit Peter Bosz zu tun. Ich rechne ihm hoch an, dass er mich anschließend noch einmal angerufen und sich sehr dafür interessiert hat, wie es mir in dieser Situation geht. Jetzt ist er wieder mein Trainer, und ich bin sehr glücklich darüber. Man sieht sich eben doch immer zweimal im Leben.

Du bist im Vergleich mit einigen Deiner Berufskollegen so herrlich unprätentiös. Kein Instagram, kein Facebook, nirgendwo Tattoos zu sehen. Hast Du bewusst entschieden, so sehr bei Dir selbst zu bleiben?
Du wirst lachen: Vor ungefähr eineinhalb Jahren haben Lars (Svens Zwillingsbruder; d. Red.) und ich entschieden, es doch mal gemeinsam auf Instagram zu versuchen. Das haben wir ich dann fünf Monate probiert und uns anschließend darin bestärkt gefühlt, dass wir das nicht wirklich brauchen.

Hätte mich ehrlich gesagt auch gewundert. Was war denn Deine ganz persönliche Essenz dieses Experiments?
Dass ich ein Typ bin, der es genießt, im Stadion zu sein. Der in dieser Atmosphäre regelmäßig eine Gänsehaut bekommt. Das ist meine Sucht, die ich befriedigen muss. Aber abseits des Stadions bin ich Sven, der Familienmensch, der die Ruhe sucht. Es heißt immer, heute würde ohne Social Media nichts mehr gehen. Doch, das geht sehr wohl! Ich habe mich bewusst entschieden, mein Privatleben nicht zu öffnen und stattdessen bei mir und meinen Wurzeln zu bleiben. Das – und daran glaube ich fest – ermöglicht es mir, mich ganz normal in der Öffentlichkeit zu bewegen. Inmitten eines Freundeskreises, der seit meinem fünften Lebensjahr weitgehend unverändert geblieben ist. Nur die räumliche Entfernung ist größer geworden...

Wünschst Du Dir manchmal ein wenig mehr Normalität für die vielen Kollegen, die Dir im Laufe Deiner Fußballerzeit begegnet sind?
Wir sind alle verschieden und haben unterschiedliche Auffassungen vom Leben. In manchen Fällen – so glaube ich – ist es nicht einmal der Spieler selbst, der sich nach außen öffnet. Es ist mitunter auch das Umfeld, das diese Erwartungshaltung schürt. Einige Spieler sind so jung, die wissen in solchen Situationen nicht mehr, wo rechts und wo links ist; sie haben ihren eigenen Weg verloren – und natürlich hat das dann auch Auswirkungen auf das Privatleben. Vielleicht haben es Profis meiner Generation leichter als die ganz jungen Spieler. Als wir in ihrem Alter waren, waren das Rampenlicht und die Verlockungen noch nicht so stark. Aber meine Erfahrung ist ohnehin: Die meisten Spieler besinnen sich im Laufe ihrer Karriere auf das, was wirklich wichtig ist. Das ist der ganz natürliche Lauf der Dinge.

Vor dem Leverkusener Spiel in Dortmund wird Dir unweigerlich wieder die Frage gestellt, ob dieses Spiel „etwas Besonderes“ für Dich ist. Uns interessiert aber vor allem, wie wichtig Dir die Anerkennung des Publikums für Deine langjährige, nachhaltig positive Arbeit beim BVB ist.
Ich hatte ja schon einmal die Ehre, als Leverkusener in Dortmund vor der Südtribüne zu stehen. Diese Erfahrung, die natürlich darauf basiert, dass die BVB-Fans mir gegenüber so positiv eingestellt geblieben sind, war extrem schön. Ich bin unheimlich dankbar dafür. Ich glaube, dass mir in Dortmund Anerkennung entgegengebracht wird, weil ich als Sportler immer alles für den Klub gegeben habe. Weil ich eben so bin wie ich bin. Ich wollte nie mehr als das! Nur mein Bestes geben über all die Jahre. Viel Herz, viel Leidenschaft. Und ja, ich freue mich schon jetzt wieder darauf, in Dortmund aufzulaufen. 

Ein paar Jahre lang wirst Du noch Profi sein. Aber blicken wir mal deutlich voraus. Irgendwann bist Du Fußball-Rentner und kommst zu Besuch in den Signal Iduna Park, in die BayArena. Wie sollen Dir die Fans dann begegnen?
Um ehrlich zu sein, möchte ich dann vermutlich einfach das Spiel sehen. Niemand muss auf eine besondere Art und Weise mit mir umgehen. Dann geht es längst nicht mehr um mich. Ich hatte als Spieler ausreichend Anerkennung. Dann geht es nur noch um die neue Generation. Um die Jungs da unten auf dem Rasen.

Ich gehe mal davon aus, dass wir allen Bemühungen zum Trotz keinen Nordrhein-Westfalen mehr aus Dir machen?
(Bender lacht) Nein! Ich fühle mich hier enorm wohl. Ich werde auch im Anschluss an meine Karriere immer wieder zu Besuch nach NRW kommen und Freunde treffen. Aber ich bin und bleibe ein sehr heimatverbundener Mensch. Das bedeutet: Wenn ich meine Fußballerkarriere beendet habe, wird es mich zurück nach Bayern ziehen. Definitiv!
Interview: Sascha Fligge