So was nennt man einen „Einstand nach Maß“. Erst der 2:0-Erfolg in Wattenscheid, mit dem unsere U23 erstmals in dieser Saison die Abstiegsplätze der Regionalliga West verlassen hat, dann vier Tage später der 6:0-Kantersieg bei der Heimpremiere gegen den FC Wegberg-Beeck: Für den neuen Trainer Daniel Farke (39) und seine Mannschaft hätte es zum Neustart nicht besser laufen können.

Wir sprachen mit dem Nachfolger von David Wagner, der beim englischen Zweitligisten Huddersfield Town eine neue Herausforderung sucht, über seine eigene sportliche Vergangenheit, seinen neuen Job bei Schwarzgelb, seine Ziele, Wünsche und Ambitionen.

Daniel Farke, von einem solchen Auftakt träumt jeder Trainer, wenn er eine neue Aufgabe übernimmt. Hatten Sie sich das genauso vorgestellt?
Eigentlich hatte ich gar keine Vorstellungen, als Trainer muss man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Die Situation war ja nicht einfach. Wir hatten nur eine ganz kurze Vorbereitung auf die ersten beiden Spiele, dazu war die Personallage angespannt. Mich freut es daher umso mehr, dass es so gut gelaufen ist. Diese beiden Siege geben gleich Rückenwind.

Ihr Wechsel nach Dortmund kam sehr kurzfristig zustande. Warum haben Sie Ihren ursprünglichen Plan verworfen, nach zwölf erfolgreichen Jahren beim SV Lippstadt und dem selbst gewählten Abschied eine einjährige Pause einzulegen?
Weil der BVB eine riesengroße Strahlkraft hat. Wenn ein Verein dieser Kategorie anklopft, ist man als Trainer natürlich gleich interessiert. Dazu kamen sehr vertrauensvolle Gespräche mit Ingo Preuß, Lars Ricken, Michael Zorc und Thomas Tuchel. Da hat man schnell gesehen, dass unsere Ideen sehr deckungsgleich sind und die Chemie stimmt.

„Mein Großvater hat beim BVB gespielt“

Welchen Bezug hatten Sie eigentlich zum BVB, bevor U23-Manager Ingo Preuß erstmals mit Ihnen Kontakt aufnahm?
Mein Großvater hat beim BVB gespielt, das war in der Ära mit Größen wie Heini Kwiatkowski, Adi Preißler, Willi Burgsmüller oder Hoppy Kurrat. Außerdem bin ich eng befreundet mit Günter Kutowski, mit dem ich mehrere Jahre in Paderborn gespielt habe. Und als Westfale verfolgt man die Entwicklung dieses Vereins ohnehin auch aus der Distanz sehr interessiert und intensiv.

Bild

Von Ihnen weiß man, dass Sie neben dem SV Lippstadt auch in Paderborn, Wilhelmshaven, Bonn und Meppen im jeweils hohen Amateurbereich spielten. Aber wie kommt man mit jungen 33 Jahren neben dem ersten Trainerjob bei Ihrem Stammverein auch noch zum Amt des Sportdirektors?
Ich bin von Hause aus Betriebswirt, habe in Paderborn studiert und dort mein Diplom gemacht. Nach dem Ende meiner aktiven Laufbahn kam ein Angebot aus der Regionalliga, dort die Sportliche Leitung zu übernehmen. Ich hatte mich damals aber für den SV Lippstadt entschieden, weil das auch privat gut passte und mir da schon klar war: Der Trainerjob ist das, was du machen willst. In die Aufgaben des Sportdirektors bin ich so reingerutscht. Die Doppelfunktion klappte ganz gut, und so sind sechs Jahre daraus geworden.

Sie waren Stürmer – und in der Saison 2002/03 mit 28 Treffern Torschützenkönig der Oberliga Westfalen. Spiegelt sich Ihre sportliche Vergangenheit auch in Ihrer Spielphilosophie als Trainer wider? Gleich in den ersten beiden Spielen hatten Sie ja mit Erfolg auf ein sehr offensiv ausgerichtetes Grundsystem gesetzt.
Unterbewusst mag das wohl schon so sein. Als ehemaliger Stürmer habe ich gerade für meine Offensivspieler Verständnis und Einfühlungsvermögen. Ich will den Ball haben, Dominanz auf dem Platz ausstrahlen. Bei dieser Spielweise favorisiert man seine offensiven Leute. Nur hinten kompakt stehen, mauern und hoffen, irgendwie über die Runden zu kommen, wird es bei mir nicht geben. Ich will ein Spiel aktiv gestalten.

Was reizt Sie besonders an Ihrem Job beim BVB?
Zu der Strahlkraft, die ich schon angesprochen hatte, kommen eine Menge weiterer Faktoren. Es sind die Rahmen- und Trainingsbedingungen, aber auch die Zusammenarbeit mit hervorragenden Mitarbeitern. Meine Motivation, hier etwas neu zu entwickeln, ist riesengroß. Dieses Projekt U23 Borussia Dortmund halte ich für ungemein spannend.

„Sehr gute Mentalität und ein prima Charakter“

Bild

Welchen Eindruck haben Sie von Ihrer blutjungen Truppe? Wie ziehen die Spieler mit?
Die Jungs haben eine sehr gute Mentalität und einen prima Charakter, das war gleich auf Anhieb zu erkennen. Sie sind sehr aufmerksam und saugen intensiv auf, was wir ihnen mitgeben. Dass sie den Abstiegskampf mit viel Druck so annehmen, ist nicht selbstverständlich, aber sie gehen sehr gut mit dieser Situation um.

Wie lauten Ihre Ziele, kurz- und auch mittelfristig? Und was, glauben Sie, ist nach dem verpatzten Saisonstart und einer zuletzt erheblichen Leistungssteigerung in dieser Spielzeit noch möglich?
Zunächst wollen wir uns punktemäßig und auch von unserem Spielstil weiter stabilisieren. Wobei klar ist, dass es nicht so steil weitergehen kann und es auch Rückschläge geben wird. Mittelfristig wollen wir andere Regionen ansteuern, aber wir haben kein spezielles Saisonziel ausgerufen, weder punkte- noch tabellenmäßig. Wenn es uns gelingt, den Jungs eine gewisse Art von Fußball zu vermitteln, wird sich der Erfolg ganz automatisch einstellen.

Reicht das Potenzial, um die Vorgaben zu erreichen, oder gibt es im Winter Veränderungen im Kader? Die Personalsituation ist ja durch einige Langzeitverletzte momentan ja ziemlich angespannt.
Wir müssen beobachten, was gerade mit den noch länger ausfallenden Spielern passiert, im Augenblick ist die personelle Decke wirklich sehr dünn. Wir werden uns das sehr genau anschauen. Schnellschüsse wird es nicht geben.

„Einen festen Karriereplan habe ich nicht“

Planen Sie auch über den Winter hinaus mit den Profis Marvin Ducksch und Moritz Leitner?
Marvin ist ja ein ständiger Trainingsgast bei uns und vollwertiger Spieler unserer Mannschaft. Er arbeitet sehr konzentriert und diszipliniert. Ich hoffe, dass er uns noch so lange wie möglich erhalten bleibt und ich glaube, das würde ihm auch helfen. Moritz ist ein Spieler, mit dem man immer wieder gerne arbeitet, und auch das möglichst lange. Er kann den Unterschied machen, auch auf einem ganz anderen Niveau. Aber wenn er die Chance hat, nach oben zu wechseln, gönnen wir ihm das natürlich.

Ein Blick in die etwas fernere Zukunft: Ihr Vertrag läuft bis 2017. Können Sie sich eine langfristige Arbeit beim BVB vorstellen, oder sehen Sie den Job in Dortmund als mögliches Sprungbrett in eine noch höhere Liga?
Ganz sicher kann ich mir vorstellen, auf lange Sicht hier zu arbeiten. Als Sprungbrett habe ich noch nie eine Aufgabe betrachtet. Wenn ich einen Job antrete, dann deshalb, weil ich richtig Lust darauf habe und ich davon überzeugt bin. Einen festen Karriereplan habe ich nicht. Natürlich würde es mich reizen, in einer noch höheren Liga zu arbeiten. Aber mein Lebensglück hängt nicht davon ab, ob ich irgendwann einen Bundesligisten trainiere. Im Moment bin ich einfach froh, dass ich beim BVB diesen Job erledigen darf. Und das werde ich mit großer Motivation und Leidenschaft tun.
Das Interview führte Udo Stark