33 Tage ruhte bei Borussias U 23 der Ball. Zeit, um den unglücklichen Drittliga-Abstieg mental zu verarbeiten, aber auch, um sich von einer strapaziösen Saison zu erholen und neue Kraft, Energie und Hoffnung zu schöpfen für die neue Herausforderung Regionalliga.

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Seit dem 25. Juni hat David Wagner die Jungs wieder um sich geschart, und es ist bereits eine deutliche Aufbruchstimmung erkennbar in seinem auf vielen Positionen veränderten Kader. „Jeder Neubeginn ist eine Chance“, sagt der Trainer – und stachelt damit den Ehrgeiz seiner jungen Spieler an.

David Wagner, haben Sie das bittere Saisonfinale aus dem Kopf oder sind Sie immer noch verärgert oder enttäuscht darüber, dass es nach drei Jahren in der 3. Liga wieder eine Etage nach unten ging?
Ehrlich gesagt, habe ich die ganze Sache im Urlaub noch lange mit mir herumgeschleppt. Und irgendwie bin ich gefühlt ein zweites Mal abgestiegen, als die Hoffnung, durch eine mögliche Lizenzverweigerung für den VfR Aalen doch noch in der Liga bleiben zu können, zerplatzt ist – bis dahin waren wir ja alle ganz euphorisch. Inzwischen aber ist das Ding besprochen, analysiert und abgehakt. Jetzt blicken wir nur noch nach vorne.

Bleibt die U23 des BVB auch in der Regionalliga ein Sprungbrett für hoffnungsvolle Talente?
Da bin ich mir relativ sicher. Aus der Mannschaft, mit der wir vor vier Jahren in der Regionalliga gespielt hatten, haben sich nicht weniger unserer Spieler in Profiklubs etabliert als in den drei darauf folgenden Drittliga-Jahren. Dafür gibt es etliche Beispiele. Junge Talente können sich auch in der vierten Liga genauso zeigen wie in der dritten. Letztlich liegt es vor allem an ihnen, ihrer Bereitschaft und ihrer Einstellung.

Ihre Zusammenarbeit mit Jürgen Klopp war über all die Jahre hinweg vorbildlich. Warum, glauben Sie, wird das auch in der Ära Thomas Tuchel so sein?
Die Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel wird eine andere werden. Es wird sicherlich spannend, und ich freue mich darauf, einen anderen Trainer kennen zu lernen und ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Als neuer Chefcoach hat er natürlich erst einmal andere Baustellen abzuarbeiten. Aber zwischen uns wird sich das schnell einspielen.

Es gibt viele neue Gesichter im Kader, vor allem die Offensive hat ein stark verändertes Gesicht erhalten…
Hier hatten wir den größten Handlungsbedarf, nachdem uns die meisten Defensivspieler erhalten geblieben sind. Bei der Suche nach Verstärkungen haben wir auch genau darauf unser Hauptaugenmerk gelegt. Ich denke, wir haben da einige spannende Jungs gefunden.

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Welche Hoffnungen setzen sie in die Neuzugänge – und wo sehen Sie deren Qualitäten?
Allen neu hinzu gekommenen Spielern ist eines gemein: Sie haben unheimlich Bock auf Borussia Dortmund, und sie alle haben das Zeug dazu, sich durchzusetzen. Alen Ozbolt kennen wir ja schon aus unserem Winter-Trainingslager, wo er nachdrücklich auf sich aufmerksam gemacht hat. Auch der bei Real Madrid ausgebildete Agoney Perez ist ein sehr interessanter Spieler, wobei beide ihr Manko, noch nicht Deutsch zu sprechen, hoffentlich schnell in den Griff bekommen werden. Mit Michael Eberwein, ein klassischer Mittelstürmer, sind wir schon seit eineinhalb Jahren in Kontakt. Philipp Hanke, ein Junge aus dieser Region, hat sich in unteren Ligen als Torjäger einen Namen gemacht und in Testspielen auch uns schon wehgetan. Gespannt sind wir schließlich auch auf  Defensivspieler Atakan Karazor, der allein von seiner Konstitution her viel mitbringt und auch technisch sehr versiert ist.

Ist der Kader damit komplett, oder wo soll in der laufenden Transferperiode noch nachgebessert werden?
Was unsere Planungen betrifft, sind wir schon relativ weit. Einen Außenverteidiger suchen wir noch, gerade nachdem uns Khaled Narey auf Leihbasis in Richtung Paderborn verlassen hat. Das ist ein Wechsel, der uns rein sportlich betrachtet natürlich weh tut, aber wir wollten ihm diese Chance nicht verbauen. Ich denke, im Laufe der Vorbereitung werden sich noch einige Gastspieler bei uns vorstellen. Alle anderen Positionen haben wir quantitativ und qualitativ talentiert besetzt.

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Gibt es spezielle Hoffnungsträger oder Spieler, von denen Sie jetzt den nächsten Schritt erwarten?
Wenn ich die Situation mit den letzten Jahren vergleiche, dann hatte das Wort Neuanfang nie einen größeren Wahrheitsgehalt als diesmal. Es gibt keinerlei Erbhöfe, denn keiner der Jungs hat sich in der Vergangenheit als ein Spieler herauskristallisiert, an dem es kein Vorbei gäbe. Aber jeder Neubeginn ist eine Chance. Ich freue mich darauf, habe richtig Lust auf die Arbeit.

Was, glauben Sie, darf man von der neuen Mannschaft erwarten?
Wir hoffen, dass das Team rasch zusammen wächst und schnellstmöglich jeder den Fußball spielt, der typisch ist für Borussia Dortmund: extrem geprägt von Emotion, Leidenschaft und Laufarbeit. Und dass man sieht, dass die Jungs Spaß haben an dem, was sie machen.

Wenn man Ihre Jungs zu den Mitfavoriten zählt – würden Sie das unterschreiben?
Ein klares Nein. Viele Klubs haben ja bereits ihre Aufstiegsambitionen unterstrichen, wir gehören nicht dazu. Unsere neue Mannschaft ist die mit Abstand jüngste, die ich in diesen fünf Jahren in Dortmund betreue, im Schnitt noch rund zwei Jahre jünger als jenes Team, mit dem wir in der Saison 2011/12 den Aufstieg in die 3. Liga geschafft haben. Mehr als die Hälfte der Jungs sind noch für die A-Jugend spielberechtigt oder gerade erst aus der U19 gekommen, befinden sich somit noch am Anfang ihrer Entwicklung. Wir sind bescheiden genug um zu wissen, dass auch in der Regionalliga West guter Fußball gespielt wird und demütig genug, um diese Liga extrem ernst zu nehmen. Allerdings sind wir auch selbstbewusst genug um zu sagen, dass wir den einen oder anderen Großen ärgern möchten.

Wie lauten Ihre persönlichen Ziele, wann würden Sie von einer gelungenen Saison sprechen?
Wenn Leute, die uns zusehen, sagen: Das ist Borussia Dortmund, das ist der Fußball, den ich mit diesem Verein verbinde – dann habe ich einen relativ großen Teil meines Jobs erledigt und die Jungs das gut umgesetzt. Klar, natürlich möchte man erfolgreich sein und nach Möglichkeit jedes Spiel gewinnen. Aber welcher Tabellenplatz dabei am Ende herausspringt, ist nicht das Allerwichtigste.
Interview: Udo Stark