15 „große“ Titel hat Borussia Dortmund bis heute gewonnen: vom Weltpokal über die Champions League, den Europapokal der Pokalsieger, acht Meisterschaften bis hin zu vier Pokalsiegen. Der wohl wichtigste Erfolg wurde am 24. Juni 1989 errungen. Nach über 20 Jahren unerfüllter Sehnsüchte war endlich wieder „etwas da“, zur Treue der Anhänger konnte sich nun auch wieder Stolz gesellen. Der Pokalsieg von 1989 stellte Weichen.

„Erstmals seit 1966 konnten wir wieder einen Titel gewinnen“, bestätigt der damalige Kapitän Michael Zorc: „Und es war der Startschuss in eine sehr erfolgreiche Ära mit der Vizemeisterschaft 92, dem UEFA-Cup-Finale 93, den beiden Meisterschaften 95 und 96 sowie dem Champions-League-Sieg 1997.“

Borussia Dortmund, der Europapokalsieger von 1966, gegen Werder Bremen, den Deutschen Meister von 1988. Unendlich viel Tradition auf der einen Seite, Tradition gepaart mit Erfolg auf der anderen. So lautete die Ausgangssituation. In der abgelaufenen Meisterschaft war der Unterschied nicht mehr ganz so groß. Sieben Punkte lagen zwischen dem Siebten Dortmund und dem Dritten Bremen, der favorisiert in dieses Spiel ging und bereits nach einer Viertelstunde durch den späteren Weltmeister (und noch späteren Dortmunder) Karl-Heinz Riedle das 1:0 erzielte.

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Doch bevor Werder Bremen vorzeitig die Weichen auf Sieg stellen konnte (Chancen dazu waren da), traf Norbert Dickel zum 1:1. Trainer Horst Köppel hatte seine Spieler klug positioniert. Frank Mill spielte nicht klassisch zweite Spitze neben Dickel, sondern kam tief über die linke Seite; da, wo sich auch Michael Rummenigge sowie häufig auch Andy Möller tummelten. Zorc war es, der Mill in Minute 21 links auf Höhe der Mittellinie anspielte. Bremens Wolter, für die Bewachung Mills eingeteilt, grätschte zum Ball, doch Mill behauptete sich, setzte sich auch gegen Thomas Schaaf durch, hängte beide Bremer ab, flankte vom linken Flügel halbhoch Richtung Elfmeterpunkt. Hier verschätzte sich Rune Bratseth, und der heranstürzende Dickel bugsierte das Geschenk mit dem langen Ball zum 1:1 ins Bremer Tor.

Zu Beginn der zweiten Hälfte musste Mill nach einem Fehler von Thomas Helmer vor der eigenen Torlinie klären. Beim anschließenden Eckball brannte es lichterloh im Dortmunder Strafraum. Auch Riedle hatte dreimal die neuerliche Bremer Führung auf dem Fuß. Es war eine ganz enge Kiste bei heißen Temperaturen. Wer nun in Führung ging, würde klar im Vorteil sein. Bremens Trainer Otto Rehhagel brachte Ordenewitz für Otten und damit einen weiteren Stürmer, um den Druck weiter zu erhöhen. Mill, der ein Riesenspiel machte, sorgte auf der anderen Seite immer wieder für Entlastung. Und er belohnte sich: Einen „No-Look-Pass“ (würde man heute sagen) von Zorc köpfte er in der 58. Minute zum 2:1 ein.

Ein Doppelschlag brachte dann die Entscheidung. Per Vollspann sorgte Dickel für das 3:1 (73.), und der Sekunden zuvor eingewechselte Michael Lusch brachte Sekunden später einen Konter zum 4:1 im Bremer Tor unter. Werder war geschockt. Borussias Sieg geriet nicht mehr in Gefahr.

Zweimal Dickel! An dessen sportlichem Stellenwert gab es keine Zweifel. Mit zwölf Treffern in der Liga war er Borussias erfolgreichster Torschütze in der Saison 1988/89. Außerdem hatte er im Achtelfinale beim FC Schalke 04 (3:2 für den BVB) das wichtige zweite Dortmunder Tor erzielt. Doch er hatte sich im Halbfinale gegen Stuttgart (2:0) verletzt und genau sieben Wochen vor dem Endspiel einer Meniskusoperation unterziehen müssen. Das Finale war Tag 46 nach dem Eingriff.

„So oft kommt man als Fußballer nicht in ein Endspiel. Ich fühlte mich ganz gut, auch wenn die Schüsse mit der Innenseite fürchterlich weh taten. Das habe ich natürlich niemandem verraten. Denn ich wollte mit nach Berlin. Ich konnte natürlich nicht verlangen, dass ich von Anfang an spiele, auch wenn ich innerlich darauf gehofft hatte. Im Halbfinale gegen Stuttgart hatte ich mir einen Meniskusabriss im Knie zugezogen und erst am Tag vor dem Endspiel wieder trainieren können.“

Auf Intervention des damaligen Präsidenten Gerd Niebaum, Kapitän Michael Zorc und Mittelfeld-As Andy Möller hatte sich Trainer Köppel durchgerungen, Stürmer Dickel anstatt Mittelfeldspieler Bernd Storck aufzustellen. Es war die richtige Entscheidung.

Norbert Dickel ist seitdem und für immer der „Held von Berlin“. Entscheidend für den Sieg war aber auch die Leistung von Frank Mill. „Ich habe das 1:1 und das 3:1 vorbereitet, das 2:1 selbst gemacht und kurz zuvor noch einen Ball von der Linie geholt. Das waren die schönsten Momente, die ich im Fußballer-Leben erleben durfte.“ Der Erfolg von 89 war auch ein Produkt ausgeprägten Teamgeistes. „Wir hatten eine Super-Kameradschaft”, so Mill: „Können Sie sich vorstellen, dass nach jedem Training noch sieben, acht Jungs beim damaligen Zeugwart Bomber Wiegand in der Kabine gesessen, Kaffee getrunken, Kuchen gegessen und sich gegenseitig ein paar Dönekes erzählt haben? Ich weiß nicht, ob es das heutzutage noch gibt.“

Und Dickel ist heute noch da: „Ich glaube nicht, dass dieses Spiel irgendeinen großen Einfluss hatte, dass meine Karriere so früh endete. Ich habe an diesem Tag in Berlin alles richtig gemacht. Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, würde ich heute nicht in der Geschäftsstelle von Borussia Dortmund arbeiten. Das Knie ist kaputt, aber mein Leben hat einen vernünftigen Weg genommen.“
Boris Rupert