2014 – in den Duellen mit dem RSC Anderlecht – erreichte der BVB erstmals in seiner Europapokalgeschichte die nächste Runde, wenn ein belgischer Verein involviert war.

Dabei erwischte Borussia im ersten Duell mit einem belgischen Kontrahenten einen fast perfekten Start. 3:0 im Hinspiel der dritten Runde des UEFA-Pokals 1987/88 – das sollte doch mehr als die halbe Miete gewesen sein. Doch der scheinbar komfortable Vorsprung war aufgebraucht, als Leo van der Elst in der 83. Minute des Rückspiels einen Elfmeter zum 3:0 in die Maschen hämmerte. In der Verlängerung markierte van der Elst seine Treffer Nummer drei und vier in dieser Begegnung und schoss die Schwarzgelben damit fast im Alleingang aus dem Wettbewerb. Es war eine der wenigen Begegnungen, in der Leo van der Elst aus dem Schatten seines ein Jahr älteren Bruders Franky (86 A-Länderspiele) treten konnte…

Doch fangen wir von vorne an.

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Szene aus dem Rückspiel vor 15 Jahren: Amoroso scheitert an Butina

Ein Jahr zuvor, am Pfingstmontag 1986, hatte der BVB durch ein 3:1 im Relegations-Rückspiel gegen Fortuna Köln in letzter Sekunde den Kopf aus der Schlinge gezogen und ein Entscheidungsspiel um den Klassenerhalt erzwungen. Nach dem 8:0 im Düsseldorfer Rheinstadion stürmte der Vorjahressechzehnte in der Liga von Sieg zu Sieg und erreichte mit dem Traumpaar im Angriff, Frank Mill und Norbert Dickel, den UEFA-Pokal.

In den Runden eins und zwei setzte man sich recht mühelos mit jeweils 2:1 und 2:0 gegen Celtic Glasgow und Velez Mostar durch, und auch der FC Brügge schien zunächst nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nun auch zu internationalen Erfolgen zu sein. Obwohl die Borussen im Hinspiel auf ihre Mittelfeldasse Michael Zorc und Marcel Raducanu verzichten mussten, lieferten sie an diesem regnerischen 25. November 1987 im ausverkauften Westfalenstadion eine Klasseleistung ab. Das erste Mal aus dem Häuschen waren die 52.000 Zuschauer bereits in der 13. Minute, als Abwehrspieler Gerhard Kleppinger in der gegnerischen Hälfte zu Boden gerammt wurde, Frank Mill die Situation aber erahnte, Schiedsrichter Ioan Igna aus Rumänien den „Vorteil“ laufen ließ, Schlitzohr Mill allein aufs Tor marschierte und Torwart Jensen keine Abwehrchance ließ.

In der 64. Minute köpfte Mill eine Freistoßflanke von Frank Pagelsdorf zum 2:0 ein, und als Ingo Anderbrügge 13 Minuten vor dem Ende einen kapitalen Abwehrfehler von Tew Mamadou, der damit zu allen drei BVB-Toren Hilfestellung leistete, zum 3:0 nutzte, schien das Duell bereits entschieden.

Doch es gab noch ein Rückspiel.

Rosenthal war auf der rechten Dortmunder Abwehrseite nicht zu stoppen, und Jan Ceulemans köpfte bereits nach zehn Minuten zum 1:0 ein. Kurz nach Beginn des zweiten Durchgangs zeigte die BVB-Abwehr nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal an diesem eiskalten Dezember-Abend Schwächen bei gegnerischen Ecken. Aus dem Hintergrund konnte Leo van der Elst in Minute 48 zum 2:0 einschießen. Auf tiefgefrorenem Boden gerieten die Borussen mehrfach ins Rutschen. Schiedsrichter Bridges aus Wales versagte dem vermeintlichen 3:0 der Belgier aus undurchsichtiger Situation noch die Anerkennung, doch acht Minuten vor dem Abpfiff entschied er zum Entsetzen der Dortmunder auf den Elfmeterpunkt. Eine klare Fehlentscheidung! Leo van der Elst verwandelte das um drei Tage verspätete Nikolausgeschenk zum 3:0 und erzwang damit die Verlängerung.

Hier konnten sich die Borussen vom Schock des späten wie irregulären dritten Gegentreffers nicht mehr erholen. Zwar verhinderte Teddy de Beer im BVB-Tor mit einer Glanztat den vierten Treffer der Belgier, doch van der Elst schoss den anschließenden Eckball zum 4:0 ein (100.) und machte mit einem – dann allerdings gerechtfertigten – zweiten Elfmeter in der 108. Minute den Sack zu.

Abwehrschlacht gegen Anderlecht

Drei Jahre später gab es erneut ein Duell mit einem belgischen Klub, erneut im Achtelfinale des UEFA-Pokals, dieses Mal mit dem RSC Anderlecht. Dank eines überragenden de Beer hielt der BVB bis zur 75. Minute in einer wahren Abwehrschlacht „die Null“, ehe Marc van der Linden aus dem Gewühl heraus das einzige Tor des Abends erzielte.

Der Rasen des Westfalenstadions präsentierte sich am Abend des 12. Dezember 1990 als „Acker“. Die nördliche Spielhälfte war schneebedeckt, die südliche morastig. Und so war Peter Quallos verhängnisvoller (Fehl-)Pass im Aufbauspiel mehr als erklärbar. Er leitete einen Konter der Belgier ein. Degryse legte die folgende Flanke per Kopf quer in Richtung Fünfmeterlinie, Alain van Baekel musste nochmal einen Schritt zurück machen, um überhaupt an den Ball zu kommen, der folgende „Flugkopfball“ kullerte durch den matschigen Torraum und drohte im Morast liegen zu bleiben, fand aber doch noch den Weg über die Linie, ehe ihn de Beers langer Arm – zu spät – erreichte.

Nach 35 Minuten führte der RSC Anderlecht also mit 1:0, und nun mussten aufgrund der Auswärtstor-Arithmetik drei BVB-Treffer her, um doch noch ins Viertelfinale zu gelangen. Hoffnung keimte auf, als Sergej Gorlukowitsch in der 49. Minute einen zu kurz abgewehrten Eckball zunächst auf den rechten Oberschenkel tropfen ließ und dann volley zum 1:1 einschoss. Borussia rannte an. Nach Doppelpass mit Thomas Helmer flankte Michael Lusch butterweich in den Strafraum, Michael Schulz kam von hinten angeflogen und köpfte die rote Lederkugel zum 2:1 ins Tor.

Zwölf Minuten blieben den Borussen noch für das notwendige 3:1, doch Filip de Wilde im Tor des RSC Anderlecht hielt dem schwarzgelben Sturmlauf stand. Für Borussia war die Europapokalreise beendet.

Und wieder geht’s nach Brügge

Dreizehn Jahre vergingen bis zum nächsten Duell deutsch-belgischen Duell. Durch ein 1:1 am letzten Spieltag der Saison 2002/2003 gegen Energie Cottbus hatte Titelverteidiger Borussia Dortmund Platz zwei und damit die Direktqualifikation für die UEFA Champions League verspielt. Zum dritten Mal nach 1999 (FK Teplice) und 2001 (Shakthar Donetsk) musste der BVB also in die Qualifikation. Und aller guten Dinge waren nicht drei…

Obwohl so viel auf dem Spiel stand, präsentierte sich die Mannschaft am 13. August 2013 im Hinspiel beim FC Brügge bis auf Torwart Roman Weidenfeller ziel- und ideenlos. „Blauw en Zwart“, wie der Belgische Meister aufgrund seiner Trikotfarben genannt wird, entzauberte die Borussen 45 Minuten lang nach allen Regeln der Fußballkunst. „Die Art und Weise hat mich nachdenklich gemacht. Mit so einer Einstellung kannst du in der Champions League nicht bestehen“, sinnierte der damalige Manager Michael Meier. „Wir sind in Schönheit gestorben“, schimpfte Christian Wörns, „haben jegliche Zielstrebigkeit vermissen lassen, die Bälle schneller verloren als erobert, das Umkehrspiel war eine Katastrophe, hinten standen wir ständig in Unterzahl.“ Trainer Matthias Sammer hatte ohnmächtig von der Bank aus mit ansehen müssen, „wie wir die förmlich dazu eingeladen haben, auf die schnellen Spitzen zu spielen. Brügge hat uns vor allem in der ersten Halbzeit für unsere naive Spielweise bestraft“.

Eine Kette von Fehlern führte zum 1:0 in der 33. Minute. Ausgangspunkt war André Bergdölmos verlorenes Dribbling gegen Verheyen, Tomas Rosicky konnte nach dessen Flankenwechsel Abwehrspieler van der Heyden nicht an der Hereingabe vom linken Flügel hindern, und Sebastian Kehls Gegenspieler Nastja Ceh unbedrängt und unhaltbar einschießen. Selbst den knappen Rückstand vermochte die mächtig durchgerüttelte Borussia nicht in die Kabine zu retten. Wieder durfte van der Heyden von links flanken, Mendoza verlängerte, wieder stand ein Belgier frei, diesmal Gert Verheyen, der aus zwölf Metern eiskalt verwandelte (45.).

Sammer reagierte, nahm Bergdölmo zur Pause raus und baute kräftig um: Dede rückte links in die Viererkette (und beeindruckte mit riesigem Laufpensum), der eingewechselte Otto Addo besetzte die neu geschaffene Planstelle im halbrechten, offensiven Mittelfeld; Rosicky rückte direkt hinter die Spitzen. Conceicao und Kehl (nicht mehr gegen Ceh) sicherten dahinter ab. Und Borussia zunächst zurück ins Spiel: In Minute 52 zog Jan Koller aus der Distanz ab, Verlinden konnte das Leder nicht festhalten, und Marcio Amoroso war mit dem 1:2 zur Stelle.

Weidenfellers Paraden im Hinspiel

Brügge baute ab, wirkte nicht mehr so dynamisch, vor allem nicht mehr so konzentriert. Addo hatte nach tollem Solo den Ausgleich aus dem Fuß, zog knapp am linken Pfosten vorbei (62.). „Ich bin froh, dass das Tor nicht gefallen ist. Ein 2:2 wäre ein Witz gewesen. So gehen wir hoch konzentriert ins Rückspiel“, meinte Christian Wörns…

„Ein Tor schießen, keines kriegen“, lautete daher Kollers Vorgabe für den Showdown am 27. August 2003 an der Strobelallee. Es folgte ein Spiel „Zwölf gegen Zwölf“. Borussia hatte die 62.000 Fans im Rücken, Brügge nicht selten Schiedsrichter Riley auf seiner Seite. Der musste bei konsequenter Regelauslegung den bereits verwarnten Mendoza nach Foul an Rosicky früh vom Platz stellen und durfte Brügges 1:1 nicht anerkennen, als nach Ahmed Madounis ungeschicktem Einsatz gegen Verheyen (korrekt gepfiffen) eben jener Verheyen bei der Ausführung des Freistoßes die Dortmunder Abwehrmauer mit Brachialgewalt zur Seite schob und so den Weg frei machte für Mendoza, der aus exakt 18 Metern zum 1:1 einnetzte, nachdem Marcio Amoroso bereits nach zwei Minuten das 1:0 geglückt war.

Die Nerven der Zuschauer waren zum Zerreißen angespannt. Der damalige Präsident Dr. Gerd Niebaum saß aschfahl auf seinem Tribünenplatz – und durfte dann doch noch einmal jubeln: Fernandez, wenige Sekunden im Spiel, flankte auf den ebenfalls eingewechselten Ewerthon, und der markierte per Kopf in der 86. Minute das 2:1. Dortmund spielte jetzt wieder Fußball in dieser unglaublichen Schlussphase, und Koller verpasste knapp das 3:1.

Ewerthon verpasst Amorosos Hereingabe

Ewerthon hätte der gefeierte Held werden können, wenn – ja wenn – er nach 114 gespielten Minuten Addos Hereingabe verwandelt hätte. Doch der Brasilianer säbelte am Ball vorbei. Das passiert in einem von 100 Fällen. Und in Spielen, wo es um so viel geht. Aber auch Amoroso (abgefälscht zur Ecke, 96., knapp vorbei, 106.) hätte das erlösende 3:1 markieren können. In der 116. Minute übersah Schiedsrichter Riley zu allem Unglück ein Handspiel von de Cock im Strafraum. 

Und so musste das letzte Mittel der Entscheidung herhalten: ein Elfmeterschießen. Butina parierte gegen Amoroso und Bergdölmo, Brügges Schützen verwandelten allesamt sicher. Um 23.11 Uhr war Borussia Dortmund ausgeschieden. Vier Monate später wurde eine gewaltige, den Verein drückende Schuldenlast öffentlich.

Der neue Präsident Dr. Reinhard Rauball und der neue Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke retteten in der Folge das wirtschaftliche Überleben, und die eine oder andere Zusatzeinnahme hätte die Arbeit sicherlich erleichtert. Doch ein Jahr später, im Juli 2004, verhinderte dies mit dem KRC Genk abermals ein belgischer Klub. Über den UI-Cup und damit durch die Hintertür wollte der BVB in den UEFA-Cup, scheiterte aber.

Im UI-Cup gegen den KRC Genk

Nach Lars Rickens Ecke kratzte zunächst Chatelle Ewerthons Ball von der Linie (40.), doch zwei Minuten später traf David Odonkor mit einem wundervollen Heber aus 25 Metern zum 0:1. Sahr Senesie hatte blitzschnell geschaltet und aus der Drehung heraus den Pass in den freien Raum gespielt. Nach Sebastian Kehls Foul an Beslija gab es aber noch eine Schrecksekunde überstehen, doch Guillaume Warmuz im BVB-Tor lenkte den berechtigten Elfmeter von Kpaka an den linken Pfosten. Der BVB gewann erstmals in Belgien!

Doch im Rückspiel schlug der spätere Gladbacher Igor de Camargo zwei Mal zu: Nachdem Dede in der 55. Minute der 1:1-Ausgleich geglückt war und Borussia auf dem Weg in die nächste Runde schien, traf der Belgier die Borussen mit seinem Tor in der 86. Minute zum 1:2-Endstand ins Mark…

BVB setzt sich gegen Anderlecht durch

In der UEFA Champions League 2014/15 traf der BVB in der Gruppenphase auf den RSC Anderlecht. Und es passte fast alles aus Dortmunder Sicht beim Hinspiel. Borussia Dortmund hatte wieder die Pressingmaschine angestellt, zwang die Belgier vom Start weg zu Fehlern und überrannte sie phasenweise. Nach einer Balleroberung von Bender chippte Kagawa den Ball sehenswert über die gegnerische Abwehr, in den Lauf von Immobile, der mit seinem dritten Ballkontakt schon in der dritten Minute zum 1:0 (3.) traf.

Die frühe Führung spielte dem BVB in die Karten. Aubameyang hatte nach zehn Minuten bereits das 2:0 auf dem Fuß, schoss den Ball jedoch statt ins leere Tor ans Außennetz. Kagawa und Großkreutz hatten den Angriff initiiert. Der Mann aus Gabun war es auch, der kurz darauf mit einem Schuss an RSC-Keeper Proto scheiterte (18.). Ein 2:0 für die Borussia wäre zu diesem Zeitpunkt verdient gewesen, obwohl auch Anderlecht sich nicht versteckte.

Doch nicht nur in der Offensive (18:7 Torschüsse), in der der eingewechselte Ramos (69., 79.) den 3:0-Sieg unter Dach und Fach brachte, überzeugte der BVB. „Wir haben nicht perfekt, aber leidenschaftlich verteidigt“, sagte Jürgen Klopp. „Es gab ein, zwei Situationen, in denen es hätte mit ein bisschen Pech eng werden können“, erklärte Mats Hummels. Er spielte auf das nicht gegebene Abseitstor der Belgier zu Beginn an und auf den Pfostenschuss von Mitrovic in der 75. Minute.

1:1 reicht zu Platz eins

Im Rückspiel reichte ein 1:1 zu Platz eins. Nach verhaltener erster Halbzeit mit drei Chancen auf Dortmunder Seite und zwei dicken Möglichkeiten für die Gäste brannte eine auf sechs Positionen veränderte BVB-Elf in den ersten 25 Minuten des zweiten Durchgangs ein wahres Feuerwerk ab, ging in dieser Phase durch eine starke Aktion von Ciro Immobile, der den Schuss verzögerte und damit Deschacht ins Leere laufen ließ, in Führung, verpasste es aber, den zweiten Treffer nachzulegen. Insbesondere Henrikh Mkhitaryan raufte sich die Haare. Der Armenier machte so vieles richtig, er brillierte phasenweise, doch im Abschluss fehlte ihm das nötige Quäntchen Glück.

Nach einem langen Fußballjahr war „am Ende auch ein bisschen die Kraft weg“, so Klopp, was letztlich zum Gegentor führte, was aber ohne große Folgen blieb. „Wir haben Platz eins in der Gruppe und damit unser Maximalziel erreicht. Alles gut!“, sprach der Coach. 
Boris Rupert