Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte hat einen Namen: Ottmar Hitzfeld. Der frühere Lehrer für Mathematik und Sport war nicht nur ein exzellenter Fußball-Trainer – nach Udo Lattek der Erfolgreichste in Deutschland überhaupt –, sondern zugleich ein begnadeter Diplomat, der es verstand, die Stars, die zudem mit häufigen Verletzungen zu kämpfen hatten, zu führen und sie zu einer Mannschaft zu einen.

Wie haben Sie den Weg nach München ins Finale in Erinnerung?
Die Champions-League-Saison verlief sehr gut für uns. Sie war aber auch ein Kraftakt. Wir hatten nicht den Kader, wie ihn die großen Mannschaften heutzutage haben, wenn man 18 gleichwertige Spieler hat. Darunter hat die Meisterschaft gelitten; in der Bundesliga haben wir immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen.

Welchen Stellenwert hat der 28. Mai 1997 in Ihrem Leben?
Es war ein absolutes Highlight meiner sportlichen Karriere, die Champions League zu gewinnen gegen den absoluten Favoriten Juventus Turin, einer substanziell sehr starken Mannschaft mit guten Einzelspielern.

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Nach einer Drangphase der Italiener stand es dann innerhalb von fünf Minuten 2:0 durch die beiden Tore von Kalle Riedle...
Wenn man gegen einen Favoriten spielt, ist es immer sehr wichtig, wenn man aus einer Führung heraus agieren kann. Das Selbstvertrauen wird gestärkt, der Gegner ein wenig nervös. Wir hatten nicht die Erfahrung, wie die Spieler von Juventus, die im Jahr zuvor schon die Champions League gewonnen hatten. Dieses 2:0 war zunächst ein Schock für Juve.

Wie wichtig war es, dass Lars Ricken mit dem 3:1 nur fünf Minuten nach Del Pieros Anschlusstreffer den Zwei-Tore-Abstand wiederherstellte?
Lars war ein sensationeller Joker und hat für uns auf dem Weg zum Titel sehr viele wichtige Tore geschossen. Er hat Juve den entscheidenden Stoß versetzt. Er hatte bereits angekündigt, was er machen würde, da er beobachtet hatte, dass Peruzzi immer weit vorm Tor stand und eine Art Libero hinter der Viererkette spielte. Intuitiv hat er den langen Lob-Ball gespielt – das war absolute Weltklasse.

Sie sprechen Juves Viererkette an und damit eine taktische Variante, die sich in Deutschland mit Manndeckern und Libero noch nicht durchgesetzt hatte. Gerade Ihnen wurde dies in jener Zeit zum Vorwurf gemacht. Heute, 20 Jahre später, ist Ihr 3-5-2-System, mit dem Borussia 1995 und 1996 Deutscher Meister wurde und 1997 die Champions League gewann, wieder im Kommen.
Man kann den Fußball nicht immer wieder neu erfinden. Man ist ständig auf der Suche: Was ist das richtige System für die eigene Mannschaft? Wie kann ich die Stärken meiner Spieler auf den verschiedenen Positionen am besten ausspielen? Für uns war es wichtig, dass Sammer oder Feiersinger immer vor der Abwehr gespielt haben.

Wolfgang Feiersinger stand im Finale nicht im Kader. War dies eine der schwersten Entscheidungen Ihrer Karriere?
Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens, dass Feiersinger auf die Tribüne musste. Dass Feiersinger nicht in der ersten Elf stehen würde, war klar, weil Sammer wieder fit war. Ich durfte nur 14 Feldspieler nominieren und musste mich dann entscheiden zwischen Tretschok und Feiersinger. Es wäre Luxus gewesen, einen Libero auf die Bank zu setzen, ich brauchte mit Tretschok, der einige Tore geschossen hat in der Champions League, einen weiteren Joker.

Für Sie war es das letzte Spiel als Trainer von Borussia Dortmund. Wie kam es dazu, nach so einem Erfolg abzutreten?
Sechs Jahre bei einem Verein Trainer zu sein, sind eine unglaublich lange Zeit. Immer am oberen Limit zu arbeiten, unter immer höherem Erfolgsdruck zu arbeiten, kostet viel Kraft. Es war die richtige Entscheidung. Ich war ziemlich ausgebrannt. Das habe ich gespürt, als der gesamte Druck abgefallen ist. Es gab zeitgleich ein Angebot von Real Madrid. Ich stand vor der Frage: Weitermachen bei Borussia Dortmund oder zu Real Madrid zu gehen – oder aufzuhören, eine Pause zu machen. Michael Meier hat mir dann gesagt: „Es gibt noch eine andere Lösung: Du deckst gemeinsam mit mir den sportlichen Bereich ab.“ Das war die richtige Entscheidung.

Mit Michael Meier sind Sie weiterhin eng verbunden...
Wir haben ein enges Verhältnis, telefonieren regelmäßig, gehen ab und zu mal Golfspielen oder zum Skifahren.
Interview: Boris Rupert