Er führte Borussia Dortmund zu Ruhm und Glanz. Sein Name steht für die erste Goldene Epoche der Vereinsgeschichte, die 1947 mit dem Machtwechsel im Revier begann und zehn Jahre später mit der zweiten Deutschen Meisterschaft in Serie endete. Alfred „Adi“ Preißler wäre am 9. April 100 Jahre alt geworden. 

„Spiritus rector“ der 56er- und 57er-Meisterelf der Borussia, genialer Spielmacher und gleichzeitig Schütze wichtiger Tore in einer Mannschaft, in der er gemeinsam mit Alfred Kelbassa und Alfred Niepieklo das legendäre Innensturm-Trio Die drei Alfredos bildete: Alfred „Adi“ Preißler, geboren am 9. April 1921 in Duisburg, war der erste Borusse, der die Meisterschale emporrecken durfte, der gleichzeitig versprach, dieses im folgenden Jahr nochmals zu tun – und das Versprechen hielt! Mensch, was war der Mann doch ein unglaublich liebenswerter Kerl und zugleich auf dem Feld ein Imperator, dem seine Mitspieler bereitwillig folgten.  

Die fußballerische Heimat dieser überragenden Spielerpersönlichkeit hieß Borussia Dortmund. Von Duisburg 1900, für das er von 1936 bis 1939 am Ball war, über WSG Minden (1939–45) und Husen 19/SuS Kaiserau (45–46) gelangte er anno 1946 erstmals an den Borsigplatz, wo er zunächst für vier Jahre verblieb. 

Deutschland, vor allem das Kohle und Stahl produzierende Ruhrgebiet, lag nach dem 2. Weltkrieg in Schutt und Asche. In Dortmund-Husen, bei einem „zweit-, ja drittklassigen Verein“, entdeckten Borussias Talentsucher den gebürtigen Duisburger, den es nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nach Dortmund verschlagen hatte: „Ich spielte vielleicht vier oder fünf Wochen dort, da hatte sich bereits in der ganzen Stadt herumgesprochen: Da draußen, da ist einer, der macht Tore, das ist ein klasse Fußballer oder so ähnlich. Und schon standen die Herren von Borussia bei mir auf der Matte“, erzählte Preißler im November 1996 dem damaligen BVB-Monatsmagazin „Borussia live“. 

Die frühen Nachkriegsjahre waren hart. „Da gab’s in den Städten kaum etwas zu essen. Und da haben wir oft im Paderborner Land oder im Münsterland gespielt, sind dann ein oder zwei Stunden vor dem Spiel da gewesen und haben erstmal sieben, acht Torten weggeputzt. Und nach dem Spiel gab‘s dann eben kein Geld, sondern für jeden Spieler einen halben Zentner Kartoffeln, ein Stück Speck oder andere Lebensmittel. Meistens haben wir dann sozusagen zum Dank bei 7:0 oder 8:0 einen Gang zurückgeschaltet.“ 

Zweimal wurde der durch diese Landpartien gestärkte Preißler dann Torschützenkönig der Oberliga West (1948/49 und 1949/50) – und griff 1949 erstmals nach der „Viktoria“, doch in der Hitzeschlacht von Stuttgart mussten sich seine Borussen nach 120 Minuten dem VfR Mannheim mit 2:3 geschlagen geben. 

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Nach einem finanziell verlockenden zweijährigen Zwischenspiel bei Preußen Münster, wo er 1951 Deutscher Vizemeister (1:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern) wurde, kehrte er zu seinem BVB zurück, für den er bis zu seinem Karriereende 1959 sehr erfolgreich agierte. In 294 Oberligaspielen erzielte der Mann mit der „hohen Stirn“ 175 Tore. In 28 Endrundenspielen traf er 19-mal. In zehn Europapokalpartien schoss er acht Treffer. Der Kapitän der 56er- und 57er-Meistermannschaft drückte seine tiefe Zuneigung zum BVB so aus: „Die schönsten Farben der Welt sind Schwarz und Gelb.“ Über den Fußball philosophierte er folgendermaßen: „Grau ist im Leben alle Theorie – entscheidend ist auf‘m Platz!“ Eine Weisheit für die Ewigkeit! 

„Adi war nicht nur ein hervorragender Techniker, der auch viele Tore für uns erzielte. Er war der Boss unserer damals tollen Mannschaft“, sagt Willi Burgsmüller, dreimaliger Deutscher Meister und Rechtsverteidiger der 56/57er-Elf, und neben Helmut Kapitulski der letzte Überlebende aus dieser Zeit. Kapitulski, Linksaußen dieser doppelten Meistermannschaft, spricht heute noch in höchsten Tönen über den Kapitän. Am Telefon betonte er: „Adi war ein angenehmer Mensch. Auf dem Platz hatte er das Sagen. Er war unser Dirigent und Torjäger.“ 

Beginnen wir ganz von vorn! Vater Alfred, ein gelernter Maurer, der im 2. Weltkrieg fiel, und Mutter Klara freuten sich am 9. April 1921 über die Geburt des neuen Stammhalters. Alfred junior wuchs in Duisburg auf und erlernte den Beruf des Mechanikers bzw. technischen Angestellten. Knapp fünf Monate nach seinem 18. Geburtstag läutete das Deutsche Reich mit einem Donnerhall den 2. Weltkrieg ein, der Adi und Millionen anderen Menschen Leid, Not und Elend bringen sollte. Die Fußballer-Laufbahn schien passé, vielmehr musste der junge Rekrut mit in den Russland-Feldzug ziehen. Gottlob kehrte er zurück. Und kurz darauf heiratete er eine Dortmunderin. Mit Ruth stellte sich auch der erste Nachwuchs ein: Töchterchen Monika. 

Als quasi „Spätberufener“ jagte der mittlerweile 25-jährige Ball-Virtuose dem runden Leder hinterher und gewann am 18. Mai 1947 mit seinen Borussen auf der Sportanlage von Westfalia Herne, dem „Schloß Strünkede“, durch einen 3:2-Sieg die Westfalenmeisterschaft gegen Schalke 04. Die Phalanx der Knappen war gebrochen. Von nun an regierte Schwarzgelb im „Pott“. Aber die ganz große Zeit des Adi Preißler sollte erst noch kommen.  

In der Spielzeit 1952/53 errangen die Borussen die vierte von sechs westdeutschen Meisterschaften. So ging es wieder in die berühmten Endrundenspiele. Neben dem BVB waren der Berliner Vertreter Union 06, der Abonnementmeister der Oberliga Nord, Hamburger SV, und der Südvertreter VfB Stuttgart, drei Jahre zuvor Deutscher Meister geworden, in der Gruppe. Nach fünf siegreichen Spielen der Dortmunder kam es dann am 7. Juni 1953 im Stuttgarter Neckarstadion zum alles entscheidenden Spiel um den Einzug ins Finale. Der VfB, zuvor viermal siegreich in den Gruppenspielen und nur in Dortmund 1:2 unterlegen, gewann letztlich 2:1. Bei jeweils 10:2 Punkten (alte Zwei-Punkte-Regelung) entschied der Tor-Quotient bei 16:6 Treffern der Schwaben gegenüber 17:7 der Westfalen um Mückenflügelbreite von 0,23 Treffern zugunsten der Baden-Württemberger. Nach heutigen Kriterien, der Zahl der mehr geschossenen Tore, wäre der BVB als Erster durchs Ziel gegangen. 

»Adi Preißler war nicht nur ein überaus erfolgreicher Dirigent unserer Meistermannschaften der 50er-Jahre, er hat auch wie kein Zweiter den Geist von Borussia Dortmund gelebt.« 
Dr. Reinhard Rauball 

Adi und seine Borussen mussten bis zum großen Wurf noch warten. Doch die Spielzeiten 1955/56 und 1956/57 gehörten ihnen. Als Oberliga-Westmeister erreichten die nun von Helmut Schneider trainierten Männer vom Borsigplatz die Endrundenspiele und gelangten über Stuttgart, Viktoria Berlin und den Hamburger SV am 24. Juni 1956 in Berlin ins Finale gegen den Karlsruher SC. Mit überlegener Spielkunst und durch Treffer der „drei Alfredos“ (Niepieklo, Preißler und Kelbassa) sowie „Sully“ Peters bescherte der 4:2-Erfolg erstmals in der BVB-Vereinsgeschichte den begehrten „Kuchenteller“. Und Adi frohlockte: „Den holen wir uns im nächsten Jahr wieder!“ 

Solche Ankündigungen sollte man tunlichst vermeiden. Das lag dem Mann, dem nachgesagt wurde, dass er ein Spiel lesen könne, aber fern. Schließlich hatte jeder Spieler 1000 Deutsche Mark für den Titelgewinn erhalten. Am Abend vor der Partie hatte man noch vergeblich bei einem Kino-Besuch ein paar Pfefferminz-Rollen kaufen wollen, was der damalige Kassierer namens Sack (Nomen est omen) mit der Begründung abgelehnt hatte: „Wie soll ich das verbuchen?“ 

In der Spielzeit 1956/57 erlebte Fußball-Deutschland eine Besonderheit. Der BVB durchlief nach der sechsten Oberliga-Meisterschaft nicht nur die Endrundenspiele gegen die Offenbacher Kickers (2:1), den 1. FC Kaiserslautern (3:2) und Hertha BSC (2:1) ohne Fehl und Tadel, sondern besiegte am 23. Juni 1957 im Endspiel in Hannover den Hamburger SV mit 4:1 – in der gleichen Aufstellung wie im Vorjahr. Die Treffer erzielten Niepieklo (2) und Kelbassa (2). 

Adi hatte Wort gehalten. 

Und er hatte zum zweiten Mal sein privates Glück gefunden. Ingrid, auch eine Dortmunderin und glühende BVB-Anhängerin, wurde seine große Liebe. Zwei Söhne, Al (Kurzform aus Alfred und Michael) und Kai, komplettierten das Familienglück. Die Schar der Enkelkinder (Miriam, Philipp und Sina sowie Nele) erfreute den zwischenzeitlich in den Ruhestand getretenen Altmeister. 

Zurück zum Fußball. 

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Die meisten Spieler waren zwischenzeitlich in die Jahre gekommen. Und so bahnte sich ein Generationswechsel an. Der Kapitän dieser großen Mannschaft beendete 1959 seine aktive Laufbahn. Dass Preißler, dieser geniale Fußballer, nur zu zwei Länderspieleinsätzen gekommen war, hatte zwei Gründe. Zum einen nahm der 2. Weltkrieg dem lebensfrohen Mittelfeldstrategen schönste Fußballer-Jahre, zum anderen setzte Bundestrainer Sepp Herberger in den 50er-Jahren ausschließlich auf Fritz Walter in der Rolle des Spiel-Lenkers. Seine große Kompetenz um das runde Leder gab Adi später noch als Trainer weiter, unter anderem bei Rot-Weiß Oberhausen, wo ihm 1969 der Bundesliga-Aufstieg gelang. Mit Borussia Neunkirchen wurde er 1972 Südwestmeister. Der Aufstieg blieb den Saarländern leider verwehrt. 

»Schwarz und Gelb sind die schönsten Farben der Welt. Dieser Satz unserer Legende sagt alles über den großartigen Fußballer und Menschen Adi Preißler.« 
Hans-Joachim Watzke 

Nach einigen weiteren erfolgreichen Trainerstationen in der hiesigen Region und der Beendigung seiner Tätigkeit als hauptamtlicher Sportlehrer im Jugenddorf Moers kam Adi Preißler abermals als Spätberufener zum BVB zurück. 71-jährig, im Jahre 1992, wurde er als Mitglied des Ältestenrates wieder in den Kreis der alten Kameraden aufgenommen. Sein Wort hatte sofort wieder Gewicht. Er plädierte für einen offensiven Spielstil. „Ich war Halbstürmer, das heißt, ich habe immer direkt hinter den eigentlichen Spitzen gespielt. Die beiden Halbstürmer waren meistens die sogenannten Spielmacher, und dann hatten wir noch drei Spitzen, den Rechtsaußen, den Linksaußen und den Mittelstürmer. Das ist vielleicht der größte Unterschied zwischen damals und heute. Der Fußball war viel offensiver, und so hat, glaube ich, der Zuschauer früher oft schönere Spiele gesehen, in denen offensive Fußballkunst geboten wurde. In der heutigen Zeit sind manche Vereine schon stolz, wenn sie mit zwei Spitzen spielen, nach dem Motto: Bloß hinten keinen reinkriegen! So haben sich die Systeme gewandelt. Aber interessanter ist doch, wenn viele Tore fallen.“ 25 Jahre sind die Sätze alt. Sie haben nichts an Aktualität verloren. 

Nichts an Aktualität verloren hat für alle Borussen der 24. Juni. 

Wir schreiben das Jahr 1989. Ein heißer Sommertag in Berlin. In wenigen Stunden wird das DFB-Pokal-Endspiel zwischen Borussia Dortmund und dem haushohen Favoriten Werder Bremen im Olympiastadion angepfiffen. Ganze Legionen in Schwarz und Gelb haben sich über die damals noch vorhandene Grenze zwischen Ost und West in Richtung der geteilten Stadt aufgemacht, um das Spektakel mitzuerleben. 

Im „Hotel Hamburg“, wo die Meister von einst – 1956/57er-, die 63er-, die 65er-Pokalsieger und die 66er-Europacup-Gewinner – ihr Quartier bezogen haben, herrscht reges Treiben. Sie verdauen die Vorabend-Feier, wo kein Auge trocken geblieben war. Borussia hat sie eingeladen, die Männer, die den Verein berühmt gemacht haben. Hier wird Tradition gelebt. Der BVB erweist seinen Helden ihnen gebührende Ehren. 

24. Juni – da war doch etwas! Genau! 33 Jahre zuvor, anno 1956, hatten Adi Preißler und seine Kameraden den ersten Meistertitel in Berlin gewonnen. Nun griff der „Malocher-Klub“ nach 23-jähriger Titel-Abstinenz wieder nach einer Trophäe.  

Ich treffe im Foyer Adi Preißler. „Junge, das ist ein Wink des Schicksals“, gibt er mit einem verschmitzten Lächeln zum Besten – und setzt noch einen drauf: „Der Michael (gemeint ist Kapitän Zorc) wird den Pott mit nach Hause bringen. Die Jungs sind gut drauf, da läuft jeder für den anderen – genau wie wir damals.“ Damals hatten die Männer, die im doppelten Sinne des Wortes „die Kohlen aus dem Feuer“ holen mussten, einen 0:1-Rückstand gegen den Karlsruher SC wettgemacht. „Da haben wir dann aber richtig aufgedreht“, erinnert sich der Stratege von einst an das spätere 4:2. Die Partie an diesem Tage wird ein Spiegelbild werden. Die Borussen machen aus einem 0:1 ein 4:1 und versetzen eine ganze Region in einen Rausch. 

»Adi war ein absoluter Kämpfer, der in seiner Zeit zu den besten deutschen Spielern zählte – ein großes Vorbild für uns alle!« 
Wolfgang Paul 

Apropos Rausch. Die Feier nach dem Titelgewinn wird heftig. Adi ist mittendrin. Wie die anderen auch. Am Tag darauf geht es wieder zurück in die Heimat. Theo Redder erinnert sich: „Wir waren ja mit dem Zug angereist und mussten mit dem Zug auch wieder zurück. Am Bahnhof musste ich noch einmal für kleine Mädchen. Ich bat Adi, auf meinen Koffer aufzupassen. Als ich zurückkam, war der Koffer weg. Adi hatte beim Erzählen und Fachsimpeln mit Gott und der Welt den Koffer nicht im Auge behalten. Ich fand ihn dann doch noch wieder. Na ja, so war der Adi.“ 

Ja, wenn der Adi erzählte... 

Nach dem Tod seiner geliebten Ingrid quartierte er sich in ein Seniorenheim in Duisburg ein. Und kurz darauf war der prominente Mitbewohner heiß begehrt, wenn er die Dönekes von damals zelebrierte. Die Zuhörerschar erhielt Einblicke in zahlreiche Geschichten aus dem Fußballer-Leben eines Mannes, der das Herz auf dem rechten Fleck trug. 

Die Wertschätzung für den Mann, der neben Max Michallek Kultstatus in den goldenen 50er-Jahren der Borussia erlang, sieht man heute noch am Trainingsgelände des BVB. Die herrliche Anlage liegt an der „Adi-Preißler-Allee“. Michael Zorc sagt dazu: „Respekt und Hochachtung gegenüber unserem einstigen Meisterspieler, dem mit Recht die Namensgebung der Zufahrtstraße zu unserem Trainingszentrum zuteil wurde.“ 

Alfred Preißler, einer der größten Borussen aller Zeiten, starb am 15. Juli 2003 im Alter von 82 Jahren. 

Autor: Fritz Lünschermann
Fotos: Archiv Fritz Lünschermann, imago images