Borussia Dortmunds Vorsitzender der Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, ist seit 20 Jahren Vorsitzender eines Amateurfußball-Klubs – des sauerländischen Landesligisten RW Erlinghausen. Er lebt seine Heimat und seinen Heimatverein wie kaum ein anderer Chef eines Profiklubs. Vor dem Start in die Saison der Fußball-Bundesliga sprach bvb.de mit Watzke insbesondere über diejenigen Fußballer, die nicht im Drei-Tage-Rhythmus im Scheinwerferlicht stehen.

Herr Watzke, wie groß ist die Vorfreude auf den Ligastart gegen Mönchengladbach – und wie groß ist die Anspannung?
Es ist eine Mischung aus beidem. Wir hatten zwar eine kurze Vorbereitung, aber ich bin der Überzeugung, dass Thomas Tuchel und sein Trainerteam die vergangenen Wochen bestmöglich genutzt haben. In Borussia Mönchengladbach kommt am ersten Spieltag ein Traditionsverein in den SIGNAL IDUNA PARK, der gleichzeitig ein großer Konkurrent im Kampf um die ersten vier Plätze für uns sein wird. Das wird ein hartes Stück Arbeit, aber als Herausforderer gehen wir diese Arbeit mit unserem Publikum im Rücken positiv an. Wir haben die Qualität, um gegen Gladbach zu bestehen. Aber wenn es am Samstag noch nicht gelingt, dann werden wir nicht nachlassen. Wir denken beim BVB grundsätzlich langfristig!

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Während Borussia Dortmund sich auf der großen Bühne des Fußballs tummelt, kickt das Gros der Fußballer des Spaßes wegen. Eine Aussage von Ihnen über den Amateurfußball und die nachlassenden Zuschauerzahlen hat vor kurzer Zeit für Diskussionen gesorgt.
Das stimmt. Aber nur deshalb, weil diese Aussage in der Auswertung aus dem Zusammenhang gerissen und in ein falsches Licht gerückt wurde. Ich engagiere mich seit Jahrzehnten persönlich im Amateurfußball, bin seit 20 Jahren Vorsitzender eines Amateurklubs, mein Sohn spielt Amateurfußball – und ich verfolge die allermeisten seiner Spiele: Es gibt gar keinen größeren Amateurfußball-Fan als mich! Ich habe lediglich ausgedrückt, dass dem Amateurfußball der Eventcharakter fehlt, um in unserer heutigen Gesellschaft noch kontinuierlich Massen anziehen zu können. Dazu stehe ich! Das Freizeitverhalten der Menschen in unserer digitalen Welt hat sich in den vergangen 25 Jahren einfach extrem gewandelt.

Inwiefern?
Menschen, die heute Ende 30 sind, stammen noch aus einer Generation, in der nach der Schule bis zur untergehenden Sonne auf Bolzplätzen gekickt wurde. Als sie Kinder waren, gab es drei Fernsehsender, keine Handys, keine Computer. Das Ehrenamt wurde genauso großgeschrieben wie das Vereinsleben, die Eltern dieser Kinder waren häufig in einem Kegelverein, in den Kneipen gab es Stammtische noch und nöcher.

Das klingt nach einer fernen Zeit.
Genauso ist es! Heute sind es 200 TV-Sender, Zehnjährige haben internetfähige Smartphones, und zu Hause spielen schon kleinere Menschen häufig stundenlang an der Konsole. Vereine haben inzwischen massive Schwierigkeiten, Menschen zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren, und Paare finden auf der Datenautobahn in Dating-Portalen zueinander. Ich will damit sagen: Leider hat die soziale Komponente, dieses direkte Miteinander, heute nicht mehr einen so großen Stellenwert wie noch vor 25 Jahren – und genau wegen dieses sozialen Austauschs sind früher viele, viele Menschen zum Spiel ihres Amateurklubs gegangen. Heute indes geht es Menschen in der Freizeit häufig vor allem um Show, um Spektakel, eben um diesen neudeutschen Begriff „Eventcharakter“. Das kommt den Bundesliga-Klubs und natürlich auch Borussia Dortmund entgegen. Das will ich gar nicht verhehlen. Aber um es ganz klar zu sagen: Ich bin grundsätzlich kein Freund dieser gesellschaftlichen Entwicklung. Ich registriere sie allerdings, gerade weil ich mich im Amateurfußball engagiere.

Was raten Sie Menschen, die den Amateurfußball schätzen?
Engagiert Euch für Euren Klub, denkt an das große Ganze, bindet Eure Familien mit ein und lebt Euren Verein auch in Eurer Freizeit. Denn dieser Austausch von Mensch zu Mensch und die daraus entstehenden Freundschaften – all das ist nachhaltig und durch nichts zu ersetzen.