Brasilien ist kein Neuland für Kevin Großkreutz. Belo Horizonte hat er schon mal vor gut zwei Jahren als Urlauber besucht, als er sich mit seinem einstigen BVB-Teamkollegen Dede in dessen Heimatstadt aufgemacht hat, und auch in Rio de Janeiro mit dem Maracana-Stadion machte er damals Station.

„Ich kenne einige Leute in Brasilien, die sich freuen würden, wenn sie mich wiedersehen.“ Die Chancen darauf sind seit Mittwoch sprunghaft gestiegen – bei seiner Rückkehr in die Nationalelf nach gut dreijähriger Pause wurde Großkreutz zu einem der wenigen Gewinner in einer deutschen Mannschaft mit vielen Schwächen. Zum ersten Mal als rechter Verteidiger eingesetzt, auf jenem Posten, den ihm sein Vereinstrainer Jürgen Klopp zu Saisonbeginn nach der Verletzung von Lukasz Piszczek anvertraut hatte, musste er sich mit Jean Beausejour von Wigan Athletic auseinandersetzen und erledigte die Aufgabe durchaus befriedigend.

„Ich weiß, was ich auf dieser Position zu tun habe“, hatte er am Vortag bei der offiziellen DFB-Pressekonferenz erklärt, sich ansonsten betont zurückhaltend und dabei mitunter arg einsilbig präsentiert. Selbst auf die Frage, ob die WM-Teilnahme überhaupt ein verlockendes Ziel für ihn sei, druckste er („Ich sehe das relativ locker“) so lange herum, bis ihm Nebensitzer Lukas Podolski auf die Schulter schlug und aufforderte: „Jetzt hau’s raus, hau’s raus.“ Großkreutz folgsam: „Ja, ich will zur WM.“ Der fußballerische Auftritt am Mittwoch in Stuttgart jedenfalls taugte als Empfehlungsschreiben. Großkreutz dokumentierte – wie zuvor schon bei Dortmunds Champions-League-Auftritten gegen Arsenal, Neapel oder Marseille –, dass er auf dieser Position auch auf internationalem Niveau bestehen kann, auch wenn er beim BVB inzwischen wieder in die Offensive beordert wurde.

Bislang hatte sich Löw stets damit begnügt, eine ungelernte Kraft als Back-up für den unantastbaren Philipp Lahm in der Hinterhand zu halten. In seinen siebeneinhalb Jahren als DFB-Chefcoach probierte er 13 verschiedene Rechtsverteidiger aus, zuletzt durften sich Benedikt Höwedes, Lars Bender und im November in Wembley Heiko Westermann als rechte Absicherung versuchen. Nachhaltig überzeugt hat keiner von ihnen. Auch dies war ein Grund, warum Löw bislang zögerte, es Pep Guardiola gleichzutun und Lahm ins Mittelfeld zu ziehen.

Wie sich der Bundestrainer in dieser Frage bei der WM entscheidet, wird sich wohl erst in der WM-Vorbereitung in Südtirol zeigen. Großkreutz’ WM-Ticket wird nicht allein davon abhängig sein, da seine vielseitige Verwendbarkeit ein großer Trumpf ist. Großkreutz könnte in Brasilien zum Mann für alle Fälle werden – defensiv wie offensiv.
Quelle: kicker-Sportmagazin