Dr. Reinhard Rauball hat Michael Zorc vom beinahe ersten Tag an begleitet. Der BVB-Präsident würdigt einen Mann, der sich 44 Jahre lang in die Dienste von Borussia Dortmund gestellt hat.

Michael Zorc kam gemeinsam mit Ralf Loose aus unserer Jugend heraus. Im Frühjahr 1979 saß ich als frisch gewählter Präsident von Borussia Dortmund mit den beiden und dem ebenfalls noch jungen Ralf Augustin an einem Tisch, um ihre Perspektiven in unserer Bundesliga-Mannschaft zu besprechen. Ich war der Meinung, dass es für ihre Entwicklung besser wäre, wenn sie noch ein Jahr in unserer Amateurmannschaft spielen würden, um Spielpraxis zu bekommen, die ihnen in der Bundesliga nicht garantiert war. Michael hat das eingesehen. Er war allerdings der Einzige, der diesen Weg dann auch so gegangen ist. Gemeinsam mit seiner Mutter haben wir den ersten Vertrag unterschrieben.

Michael hat in diesem Jahr auch sein Abitur gemacht. Ich habe ihn mir damals zur Seite genommen und gefragt, ob er für die Prüfungen gut vorbereitet sei. Die Antwort fiel nicht so aus, dass ich ihn ruhigen Gewissens zum Training hätte schicken können. Ich habe ihm eindrücklich gesagt, dass das Abitur vorgeht und ihm sozusagen zwei Wochen Extraurlaub gegeben, damit er sich vernünftig vorbereiten kann – verbunden mit einer „Erfolgsmeldung“, die ich erwartete – und die dann auch kam.

Ich kann mich noch erinnern, dass ich ihn damals gefragt habe:

„Über was haben die Dich in der mündlichen Prüfung in Erdkunde befragt?“
„Das peruanische Bewässerungssystem.“
„Was?!“
„Das peruanische Bewässerungssystem.“
„Und?!“
„Bestanden.“

Damit war sein Sonderurlaub beendet, und Michael ist einen grandiosen Weg gegangen.

Als er am 16. Januar 1982 sein erstes Bundesligaspiel von Anfang an gemacht und die Vorlage zum 1:0-Erfolg über den damaligen Tabellenführer 1. FC Köln gegeben hat, habe ich mich doppelt gefreut. Michael Zorc hat in seinen 17 Jahren als Profi alles erreicht. Er war nicht nur einer der sichersten Elfmeterschützen, die die Bundesliga je gesehen hat, er ist der Mann, der die meisten Pflichtspiele für Borussia Dortmund bestritten hat: 572! Er wollte den Erfolg, und er hat die anderen mitgerissen. Als es am Pfingstsonntag des Jahres 1986 ums sportliche Überleben ging, war es Michael Zorc, der im Relegationsrückspiel gegen Fortuna Köln mit dem Tor zum 1:1 die erfolgreiche Aufholjagd eingeleitet hat.

Nach der am Ende erfolgreichen Relegation habe ich Michael ein wenig aus den Augen verloren, weil ich als Präsident aufhörte. Als ich dann Ende 2004 zum dritten Mal in dieses Amt gewählt wurde, war Michael schon lange nicht mehr Spieler, sondern Sportdirektor, der in dieser ganz schwierigen Zeit, die von einer dramatischen finanziellen Schieflage geprägt war, jeden Euro zweimal umdrehen musste. Um zu überleben, musste das Spielerbudget drastisch reduziert worden. Michael hat diese herausfordernde Aufgabe hervorragend bewältigt und beginnend mit der Ära Jürgen Klopp entscheidend daran mitgewirkt, dass wir seitdem zweimal die Deutsche Meisterschaft gewinnen konnten, dreimal den DFB-Pokal und einmal ins Champions-League-Finale einzogen.

Michael Zorc hinterlässt etwas, was nur ganz wenige vorweisen können, und dabei denke ich über unseren Verein hinaus: Er hat sowohl als Spieler auf dem Rasen als auch als Verantwortlicher riesengroße Fußspuren hinterlassen wie kaum ein anderer. Michael wird mit den ganz Großen von Borussia Dortmund in einem Atemzug genannt werden für eine Topleistung auf sportlichem und administrativem Gebiet.
Aufgezeichnet von Boris Rupert