China ist das Ziel der diesjährigen Asienreise von Borussia Dortmund. „Der asiatische Markt ist nicht nur für die Bundesliga, sondern speziell für den BVB interessant“, erläutert Carsten Cramer. Der Marketing-Direktor betont jedoch die Bodenständigkeit von Borussia Dortmund: „Es gibt klare Grenzen für Kompromisse. Das Kerngeschäft bleibt Deutschland. Hier wird Fußball gespielt. Alles andere wird mitwachsen, aber immer begleitend bleiben. Wir wollen die Kirche im wahrsten Sinne des Wortes im Dorfe lassen.“ 

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Borussia Dortmund scheint  Gefallen an Asien-Reisen gefunden zu haben. Im letzten Jahr ging es nach Japan, Malaysia und Singapur, diesmal steht China auf dem Programm. Was macht Fernost so reizvoll?
„In Asien erleben wir großes Interesse am europäischen Fußball. Neben der englischen Premier League rückt die Bundesliga immer mehr in den Fokus. Und Borussia Dortmund ist ein wesentlicher Teil der Bundesliga. Die Marke BVB ist sehr bekannt, weil wir in den letzten fünf Jahren regelmäßig Champions League oder international gespielt haben. Durch unsere Farben haben wir auch eine sehr hohe Wiedererkennung. Denn es gibt nicht ganz viele Vereine in Schwarzgelb. Wir erfahren auf diesen Reisen auch wegen unserer Triumphe 1997 in der Champions League und im Weltpokal in Tokio große Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Der asiatische Markt ist nicht nur für die Bundesliga, sondern speziell für den BVB interessant.“

Welche Möglichkeiten gibt es, den Vorsprung der Premier League zu reduzieren oder gar aufzuholen?
„Unser Konzept ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Deshalb unterhalten wir in Singapur ein Büro, deshalb gehen wir jetzt wieder nach Asien. Wir haben diesen Raum als Zielmarkt definiert. Das ist wie im Privatleben. Sie haben nur Spaß und Freude an etwas, was Sie schon länger kennen und gut finden. Also muss man da häufiger vor Ort sein. Wir gehen jetzt nach China und überlegen, was wir im nächsten Jahr tun können. Für uns ist das langfristig von Interesse. Man wirft den Engländern ja immer Business- und Kommerz getriebenes Verhalten vor, weil sie da einfach vorbeirauschen, ein Freundschaftsspiel austragen, die Kohle mitnehmen und abfahren. Wenn man da Fuß fassen will, muss man es auch richtig machen.“

Hat die Bundesliga den rechtzeitigen Sprung auf asiatischen Markt verpasst?
„Natürlich, wir sind spät dran. Aber das muss ja nicht heißen, dass wir zu spät sind. Schließlich haben wir in Deutschland auch einiges, was hier besser funktioniert als anderswo. Meine Bandbreite vor einigen Wochen bestand darin, dass ich an einem Donnerstagmorgen aus Shanghai gekommen bin und am Freitagmorgen im Stimbergstadion mit den Verantwortlichen der SpVg. Erkenschwick ein Jubiläumsspiel perfekt gemacht habe. Shanghai war cool, aber Erkenschwick ist es mindestens genauso. Man muss eine vernünftige Balance finden. Wir dürfen nicht den Fehler machen, alles nur Richtung Asien oder Fernost auszurichten, sondern müssen unsere Aufmerksamkeit nach wie vor auf die Heimat legen.“

„Bei uns ist Dortmund nicht nur draufgeklebt, sondern auch Dortmund drin“

Ist es Chance oder Risiko, so früh in der Saison gegen die beiden Clubs aus Manchester zu spielen?
„Klar ist das eine anspruchsvolle Herausforderung für den Sport, aber die haben doch die gleichen Probleme. Für uns ist es eine riesengroße Chance, auf super interessante Vereine wie Manchester United mit Trainer José Mourinho und Manchester City mit Trainer Pep Guardiola zu treffen. Wir sind bei diesem Turnier in Shanghai der einzige nicht englische Verein. Wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu erreichen, ist es einfacher, gegen diese Vereine zu spielen als gegen einen kleinen Klub. Auch das Organisatorische ist uns abgenommen worden.“

Borussia unterhält eine Partnerschaft mit dem malaysischen Club Johor Southern Tigers. Besteht diese Vereinbarung lediglich auf dem Papier oder wird sie tatsächlich mit Leben gefüllt?
„Eddie Boekamp, der sportliche Leiter unserer Nachwuchsabteilung, steht im ständigen Kontakt. Drei Dortmunder Trainer arbeiten in Johor im BVB-Polo-Shirt mit Jugendlichen und bilden Trainer aus. Aus Johor kommen Jugendliche und Spieler nach Dortmund, um sich hier fußballerisch weiterzubilden. Aber dieses Modell übertragen wir nicht in einer Blaupause auf andere Märkte. Wir versuchen, das immer individuell zu gestalten. Wir haben zum Beispiel jetzt in Thailand eine Kooperation und in Tokio ein eigenes Team unserer Evonik-Fußballschule des BVB. Das unterscheidet uns von den Engländern. Bei uns ist Dortmund nicht nur draufgeklebt, sondern auch Dortmund drin. Die Engländer dagegen machen viel nach einer Art Franchise-System. Sie verkaufen ihr Logo und ihre Markenrechte. Dafür bekommen sie x Euro, und den Rest erledigen Leute vor Ort. Wir sind dagegen immer mit Dortmunder Gesichtern mittendrin.“

„Es gibt klare Grenzen für Kompromisse“

Auch in Sachen TV-Auslandsvermarktung hat die Liga, obwohl sie die Erlöse auf über 150 Millionen Euro steigern konnte, noch deutlichen Nachholbedarf…  
„Je mehr die Bundesliga in China und anderen asiatischen Ländern stattfindet, desto attraktiver wird sie für das Fernsehen, und desto mehr sind die TV-Sender bereit, für die Liga Geld auszugeben. Die Bundesliga bekommt vom chinesischen Fernsehen keine fünf Millionen Euro, die Premier League hat mit einem Sender in China gerade einen Vertrag in Höhe von 55 Millionen Euro abgeschlossen. Da wird und muss es noch einen Weg in der Mitte geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die asiatischen Fernsehsender für die Bundesliga mehr Geld ausgeben, ist deutlich höher, wenn sie mit ihren Vereinen ständig in den Märkten präsent ist.“

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Müsste man dann nicht auch über flexiblere Anstoßzeiten nachdenken? In der Premier League beginnen einige Spiele um 12 Uhr, um in Asien zur Prime Time live übertragen zu werden.
„Brot und Butter werden in Deutschland hergestellt. Das Wichtigste ist nach wie vor, dass der Fußball hier funktioniert. Wir leben von den Menschen im Stadion. Wenn da um 12 Uhr eine Klatschpappen-Orgie stattfindet, wird die vermutlich auch ausverkauft sein, aber das ist dann nicht mehr Dortmund, nicht mehr unser BVB. Das gilt es zu verhindern. Man muss Kompromisse schließen, aber es gibt klare Grenzen für Kompromisse.“

Durch die Popularität von Christian Pulisic erschließen sich dem BVB ganz neue Möglichkeiten auf dem US-Markt. Gibt es schon Überlegungen, auch in Amerika mehr Präsenz zu zeigen?
„Wir machen das step by step und haben uns erst einmal auf Asien konzentriert. Weil wir glauben, da schneller voranzukommen. Wir arbeiten parallel auch in den USA, besetzen Social-Media-Kanäle, bieten einen amerikanischen Online-Shop an und kommunizieren sehr viel in Englisch. Die erste Reise in die USA wird sicherlich nicht fünf Jahre auf sich warten lassen. Doch bei allen Bestrebungen, auf ausländischen Märkten Fuß zu fassen: Das Kerngeschäft bleibt Deutschland. Hier wird Fußball gespielt. Alles andere wird mitwachsen, aber immer begleitend bleiben. Wir wollen die Kirche im wahrsten Sinne des Wortes im Dorfe lassen.“ 
Interview: Wilfried Wittke