Die erste Saison unter Thomas Tuchel geht statistisch betrachtet mit nur acht Niederlagen in 56 Pflichtspielen als die beste aller Zeiten in die Vereinsgeschichte ein. Doch zu einem Titel reicht es dennoch nicht. Der stärkste Vizemeister aller Zeiten verliert das Pokal-Finale im Elfmeterschießen.

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Die Enttäuschung ist groß. Zum vierten Mal in Serie reicht es nur zu Silber. „Wir haben den Bayern einen großen Kampf geliefert, spielerisch sind wir aber nicht ansatzweise an unser Maximum herangekommen“, lautet die treffende Analyse des scheidenden Kapitäns Mats Hummels. „Man kann nicht verhehlen, dass sie von der Feldüberlegenheit und Torgelegenheit ein leichtes Plus hatten“, sagt BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball. Das Ergebnis sei daher „im Endeffekt nicht unverdient“. Hans-Joachim Watzke meint nach der neuerlichen Final-Niederlage: „Man muss das relativieren. Zum vierten Mal seit 2012, wenn man die Champions League dazu nimmt, heißt der Gegner Bayern München. Als Borussia Dortmund kannst du bei dieser Konstellation nicht davon ausgehen, dass du automatisch gewinnst.“

Der BVB ist meist in der Defensive beschäftigt und hat dennoch in der 85. Minute die große Chance, das Spiel zu seinen Gunsten zu entscheiden, doch Pierre-Emerick Aubameyang schießt nach Lukasz Piszczeks Flanke über das Tor (85.). Erik Durm (94.) und Roman Bürki (114.) retten Borussia mit sensationellen Aktionen gegen Lewandowski und Alaba ins Elfmeterschießen. Shinji Kagawa trifft zum 1:0, doch nach Fehlschüssen von Sven Bender und Sokratis müsste Bürki zwei Mal halten. Doch allein gegen Kimmich bleibt er Sieger: „Ein Elfmeterschießen ist dann Glück und auch ein bisschen ein Psychospielchen.“ Eine Frage wird nie beantwortet: Wie hätte sich eine 51-minütige Überzahl auf den Spielverlauf ausgewirkt, wenn Franck Ribery nach klarer Tätlichkeit gegen Gonzalo Castro in der 39. Minute die Rote Karte gesehen hätte?

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„Die Niederlage radiert nicht die 78 Punkte in der Bundesliga aus“, betont Thomas Tuchel. Sie bricht auch nicht die Begeisterung um eine Borussia, der 2015/16 erneut einen Zuschauerrekord aufstellt und als einziger Bundesligist zu Hause ungeschlagen bleibt. Mit einem 2:2 gegen den 1. FC Köln (Tore: Castro, Reus) beendet der BVB eine Woche vor dem Pokalfinale die Bundesliga-Saison als bester Vizemeister aller Zeiten.

Die U19 wird erstmals seit sieben Jahren wieder Meister in der Bundesliga-Weststaffel und sorgt im Halbfinale gegen den TSV 1860 München für einen Zuschauerrekord. 15.117 Zuschauer im Signal Iduna Park sehen eine 1:2-Niederlage. Christian Pulisic und Felix Passlack aber wenden im Rückspiel das Blatt und schießen die U19 mit einem 2:0-Erfolg ins Endspiel. Vor der großartigen Kulisse von 14.766 Zuschauern triumphieren die Schwarzgelben bei der TSG Hoffenheim durch Tore von Jonas Arweiler (2), Felix Passlack und Janni Serra (2) mit 5:3. Passlack ist an seinem 18. Geburtstag an allen fünf BVB-Toren beteiligt! „Was die Jungs geleistet haben mit vier Toren in der zweiten Halbzeit eines Finales macht uns extrem stolz“, sagt Trainer Hanns Wolf. Nachwuchs-Koordinator Lars Ricken: „Das ist phantastisch! Diese Mannschaft hat als U17 zwei Mal den Titel geholt. Mit den gleichen Spielern als U19 Meister zu werden, ist nochmal eine Steigerung.“

Pulisic sorgt auch international für Schlagzeilen. Der Youngster erzielt beim 4:0-Testspielsieg der USA gegen Bolivien seinen ersten Länderspieltreffer. „Ein Tor für die A-Nationalmannschaft in einem solch jungen Alter ist etwas Spezielles“, sagt US-Trainer Jürgen Klinsmann über den 17-Jährigen, den er anschließend auch in der „Copa America“ einsetzt. Und Julian Weigl geht als 52. deutscher Nationalspieler in die Geschichte von Borussia Dortmund ein. Der 20 Jahre alte Mittelfeldspieler debütiert bei der 1:3-Testspielniederlage der DFB-Elf gegen die Slowakei. „Ich habe in dieser Saison viel erlebt, aber das ist ein weiteres Highlight“, sagt Weigl. Bei der EM in Frankreich zählt er zum deutschen Aufgebot, bleibt aber ohne Einsatz. Marco Reus wird dagegen wegen einer Entzündung im Adduktorenbereich aus dem EM-Kader gestrichen.
Boris Rupert