Zum zweiten Mal hintereinander erlebt Fußball-Dortmund das Gefühl einer Endspielniederlage im DFB-Pokal. Bei der Siegerehrung sind jedoch nur die Schwarzgelben zu hören: „Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz – nur der BVB!“, hallt es durchs Berliner Olympiastadion. 45.000 Fans sind im Stadion, mehr als 60.000 weitere in der Stadt.

Berlin ist nach 1989, 2008, 2012 und 2014 zum fünften Mal in schwarzgelber Hand. Über einhunderttausend BVB-Fans reisen aus allen Teilen der Republik zum Final-Wochenende in die Hauptstadt, um eine ebenso gigantische wie friedliche schwarzgelbe Sause zu zu erleben, obwohl „nur“ 45.000 von ihnen im Olympiastadion sowie weitere 30.000 beim von Evonik organisierten Public Viewing in Tempelhof Einlass finden. Ganz Berlin ist schwarzgelb.

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In einem in der ersten Halbzeit hochklassigen, im zweiten Durchgang von vergeblichem Anrennen bestimmten Endspiel scheitert die Mannschaft dann mehr an sich selbst als an der unbestrittenen Klasse des am Ende verdienten Siegers. Pierre-Emerick Aubameyang lässt das Stadion bereits in der fünften Minute mit dem 1:0 beben, Marco Reus hat eine Viertelstunde später das 2:0 auf dem Fuß, verzieht aber. Stattdessen kommt Wolfsburg. Im Anschluss an einen wuchtigen Naldo-Freistoß reagiert Luiz Gustavo schneller als jeder andere und trifft zum 1:1 (26.). Vor dem 1:2 (de Bruyne, 33.) kann der Ball mehrfach geklärt werden, springt stattdessen im Ping-Pong wiederholt zum Gegner, und beim dritten und entscheidenden Gegentor durch Bas Dost (38.) ist die Fehlerkette zu lang.

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Auf der anschließenden Abschiedsparty für Sebastian Kehl, Jürgen Klopp, Zeljko Buvac und Peter Krawietz ist die Stimmung daher gedämpft. „Jürgen, Du bist in schweren Zeiten zu uns gekommen, hast uns mit Deinen Mitstreitern das Lächeln zurückgebracht. Du hast uns mit Deinem Optimismus und Deiner unnachahmlichen Art uns allen gut getan. Danke für sieben Jahre, Danke für große Erfolge und eine tolle Freundschaft!“, ruft Hans-Joachim Watzke dem scheidenden Trainer zu. Der sagt: „Es ist nicht so wichtig, was über einen gedacht wird, wenn man kommt. Es ist extrem wichtig, was über einen gedacht wird, wenn man geht. Und ich danke Euch für das, was Ihr heute Abend denkt. Das nehmen wir mit, das packen wir ein, und egal, wohin es uns in dieser Welt verschlagen wird, das werden wir nie vergessen.“

Der Pokalsieg wäre das i-Tüpfelchen auf eine grandiose Aufholjagd gewesen, die zumindest in der Liga ihr Happy-End findet. Beim 1:1 bei der TSG Hoffenheim (Tor durch Mats Hummels) verpasst die Mannschaft zwar einen durchaus möglichen Sieg, da sie in der Schlussphase zahlreiche Chancen auslässt, doch mit dem folgenden 2:0-Erfolg über Hertha BSC klettert sie erstmals seit dem dritten Spieltag auf einen Europapokal-Platz. Neven Subotic und Erik Durm lassen den Signal Iduna Park mit ihren Toren beben.

Nach einem 1:2 beim VfL Wolfsburg (Tor durch Pierre-Emerick Aubameyang) kommt es zum „Endspiel“ um den Einzug in die UEFA Europa League gegen den direkten Konkurrenten Werder Bremen. Das 1:0 durch Shinji Kagawa (15.) ist die logische Folge erdrückender Überlegenheit. Nach Doppelpass mit dem Japaner erhöht Aubameyang zwei Minuten später auf 2:0. Henrikh Mkhitaryan erzielt noch vor der Pause das dritte BVB-Tor. Borussia gewinnt mit 3:2 und holt damit in der zweiten Serie mehr als doppelt so viele Punkte (31) wie in der Hinrunde (15). 80.667 Zuschauer bereiten Jürgen Klopp und Sebastian Kehl stehende Ovationen. Unzählige Tränen fließen am letzten Tag zweier großer Borussen in „ihrem“ Stadion.

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Jürgen Klopp verabschiedet sich nach sieben Jahren aus Dortmund.

Die „Jürgen Klopp, Jürgen Klopp, Jürgen Klopp“-Gesänge wollten gar nicht mehr aufhören. Mannschaft und Publikum verneigen sich unter den Klängen von Trude Herr („Niemals geht man so ganz“) vor dem scheidenden Trainer. Auch die Fans von Werder Bremen spenden ununterbrochen Applaus und sorgten im Verbund mit den Schwarzgelben für einen außergewöhnlichen Gänsehaut-Moment, wie man ihn im Fußball selten oder gar nicht mehr erlebt.

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Die Mannschaft lässt ihren früheren Kapitän hochleben.

Es ist der Tag der großen Emotionen und der großen Gesten. Er beginnt damit, dass Mats Hummels die Kapitänsbinde für dieses Spiel weiterreicht an seinen Vorgänger, und er endet damit, dass die Spieler ein Spalier vom Rasen Richtung Kabinengang bilden. Klopp durchschreitet es – und findet so viel Gefallen daran, dass er den Gang wiederholt, ehe er von der Bildfläche verschwindet und die Bühne frei macht für Kehl, der mit seinen Kindern Luis (8) und Leni (5) noch auf der Ehrenrunde ist. Der letzte Dank gilt der Südtribüne, die einen der größten Borussen aller Zeiten stilvoll verabschiedet. Und damit den Tag so beendet, wie er begonnen hat: Mit Gänsehaut. Mit einer beeindruckenden Jürgen-Klopp-Choreografie.
Boris Rupert

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