Borussia Dortmund trauert um Hans Tilkowski, der am Sonntagmittag im Alter von 84 Jahren nach schwerer Krankheit verstarb. Der am 12. Juli 1935 in Dortmund-Husen geborene Sohn eines Bergmanns avancierte in den 1950er und 1960er Jahren zu einem der weltbesten Torhüter und wurde seit dem legendären „Wembley-Tor“ am 30. Juli 1966 im WM-Finale gegen England mit diesem Ereignis stets in Verbindung gebracht. So lautete die von seinem Freund und Journalisten Hans Ost aufgezeichnete Lebens-Geschichte auch „Und ewig fällt das Wembley-Tor“.

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Der tadellose Sportler erlernte das Fußball-ABC zunächst als Rechtsaußen beim SV Husen 19 (1946 – 49), bevor er aufgrund des Fehlens des etatmäßigen Keepers bei einem Spiel in das Gehäuse geschickt wurde. Dort hielt er so gut, dass er zwischen den Pfosten blieb. Beim SuS Kaiserau (1949 – 55) machte er durch Fangsicherheit und großartiges Stellungsspiel auf sich aufmerksam. Der Wechsel zu Westfalia Herne in die Oberliga West, der damals höchsten Spielklasse, war eine logische und richtige Entscheidung des gelernten Stahlbauschlossers, der zudem eine weitere Ausbildung als technischer Kaufmann abschloss. In dieser Zeit (1955 – 63) gewann er 1959 mit seiner Mannschaft vor solch prominenten Klubs wie Borussia Dortmund, Schalke 04 oder dem 1. FC Köln die westdeutsche Meisterschaft. Zwischenzeitlich hatte er Bundestrainer Sepp Herberger von seinen Qualitäten überzeugt und debütierte am 3. April 1957 beim Spiel der deutschen Nationalmannschaft in Amsterdam gegen Holland (2:1, Siegtor durch Aki Schmidt).

Der charismatische Torhüter war am Herner Schloß Strünkede das Gesicht einer jungen Mannschaft. Der meist ganz in schwarz gekleidete Schlussmann strahlte stoische Ruhe und Gelassenheit aus. So war es ihm auch in erster Linie zu verdanken, dass die Westfalia mit lediglich 23 Gegentoren in 30 Ligaspielen aus dem Schatten der großen Westklubs heraustrat. In 13 Endrundenspielen, die er in den Jahren 1959 und 1960 mit seinem damaligen Klub bestritt, machte er sich natürlich auch für andere Klubs interessant. So wechselte er 1963 nach 219 Pflichtspielen für die Westfalia – pünktlich zur Einführung der Fußball-Bundesliga – zu Borussia Dortmund, wo er seine größten Erfolge feiern sollte.

„Der schwarze Til“, der nicht selten wegen seines Aussehens mit Paul Newman verglichen wurde, war der Keeper, der den ersten Elfmeter der neuen Liga hielt, und zwar am 31. August 1963 im Stadion Rote Erde beim 3:3 gegen den TSV 1860 München. Den strammen Schuss von Alfons Stemmer hielt er sogar fest. Eines seiner wohl legendärsten Spiele bestritt der stets sachlich agierende Torwart am 6. November 1963 beim damaligen Landesmeister im Europapokal, Benfica Lissabon. Bei der 1:2-Niederlage seiner Borussen brachte er mit tollsten Paraden Wunderstürmer Eusebio und die gesamt portugiesische Anhängerschaft schier zur Verzweiflung.

Als erster Torwart wurde Hans Tilkowski 1965 in Deutschland zum „Fußballer des Jahres“ gewählt. Im gleichen Jahr holte er mit dem BVB den Deutschen Fußball-Pokal (2:0 gegen Alemannia Aachen am 22. Mai  in Hannover). Ein Jahr später errang er mit der Borussia den Europapokal der Pokalsieger durch ein 2:1 nach Verlängerung gegen den FC Liverpool im Glasgower Hampden Park. Die im Juli folgende Weltmeisterschaft im Mutterland des Fußballs sollte die Krönung seiner großartigen Leistung werden. Wenn nicht das „Wembley-Tor“, das keines war, vom Schweizer Schiedsrichter Dienst nach Rückfrage bei Linienrichter Bahramov aus Aserbaidschan als Treffer gegeben worden wäre . . . Deutschland wäre Weltmeister geworden!

1967 verließ der geradlinige Westfale, der es auf insgesamt 39 Länderspiele brachte, nach 81 Bundesligapartien Borussia Dortmund, weil er mit Trainer Heinz Murach nicht immer einer Meinung war. Bei der Frankfurter Eintracht (40 Spiele) ließ er seine aktive Karriere 1970 ausklingen, um als Fußball-Lehrer zu arbeiten. Der damals Jahrgangsbeste (Note 1) an der Sporthochschule Köln war in insgesamt zwölf Jahren bis 1982 als Trainer bei Werder Bremen (zweimal), dem TSV 1860 München, dem 1. FC Nürnberg, dem 1. FC Saarbrücken und AEK Athen tätig.

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Der „Stern von Rio“, wie er nach einem Weltklasse-Länderspiel am 5. Juni 1965 vor 145.000 Zuschauern im berühmten Maracana in Rio de Janeiro genannt und von Pele höchstpersönlich zu seiner phantastischen Leistung beglückwünscht wurde, war aber auch außerhalb des Platzes ein Mann der Tat. Der seit 1959 mit seiner aus dem pfälzischen Fußball-Dorf Alsenborn stammenden Ehefrau Louis verheiratete dreimalige Vater (Ralf, Uwe und Susanne) widmete sich viele Jahrzehnte sozialen Einrichtungen wie UNICEF, der deutschen Leukämie-Forschungshilfe, dem Dortmunder Elterntreff leukämie-und tumorerkrankter Kinder e.V., dem Friedensdorf Oberhausen und als erster ehrenamtlicher Botschafter der Hilfsorganisation Friedensdorf International.

Der Träger des Silbernen Lorbeerblattes wurde 1991 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, 2000 mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein Westfalen und 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Am 14. Oktober 2008 wurde die Ganztags-Hauptschule an der Neustraße in seinem Wohnort Herne in Hans-Tilkowski-Schule umbenannt.

Borussia Dortmund wird dem Ehrenmitglied des Vereins ein ehrendes Andenken bewahren.

„Mit Hans Tilkowski verliert der deutsche Fußball einen auch international hoch angesehenen Sportler“, betont Präsident Dr. Reinhard Rauball: „Mit Borussia Dortmund schrieb er Fußballgeschichte, als der BVB 1966 im Endspiel gegen den FC Liverpool als erstes deutsches Team einen Europapokal gewann. Tilkowski hatte mit seinen Paraden im Endspiel und auf dem Weg dorthin entscheidenden Anteil. Auch nach seiner aktiven Karriere hatte er das Wohl seiner Mitmenschen stets im Auge und hat sich bis kurz vor seinem Tod für sozial Benachteiligte engagiert. Die BVB-Familie trauert um einen großartigen Menschen und drückt der Familie des Verstorbenen ihr Beileid aus.“
Fritz Lünschermann