Mit Fassungslosigkeit reagierten Verantwortliche und Spielerinnen bei Borussia Dortmund auf die Entscheidung im deutschen Handball, bei den Herren einen Deutschen Meister auszurufen, bei den Damen aber nicht. In beiden Bundesligen ist die Saison aufgrund der Corona-Krise vorzeitig beendet worden, in beiden Ligen hatte es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Tabellenersten und dem -Zweiten gegeben, in beiden Ligen waren noch acht Spieltage zu absolvieren.

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Dr. Reinhard Rauball mit Kapitänin Alina Grijseels

„Diese Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern ist ein Skandal“, wetterte Abteilungsleiter Andreas Heiermann. „Dass es bei den Männern einen Meister gibt und bei den Damen nicht, hat schon die Anzeichen einer Diskriminierung“, kommentierte BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball die Entscheidung und sprach seinen „Dank an die Spielerinnen, den Trainer und die Abteilungs-Verantwortlichen für eine tolle Saison“ aus, die „leider nicht mit einem Titel gekrönt“ worden sei. „In bleibender Erinnerung behalten wir die großartige sportliche Performance.“

Die holländische Nationalspielerin und Weltmeisterin Kelly Dulfer reagierte geschockt: „Ich finde es sehr komisch, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Männer- und der Frauen-Liga. Bei den Männern gibt es einen Meister, bei uns nicht. Das ist einfach unfair! Wir haben eine gute Saison gespielt, und ich glaube, wir hätten es verdient gehabt, den Meistertitel zu bekommen.“

Borussia Dortmunds Handball-Damen führten die Tabelle nach 18 von 26 Spieltagen mit 34:2 Punkten vor Titelverteidiger SG BBM Bietigheim (33:3) an. Bei den Herren lag der THW Kiel mit 44:8 Zählern vor der SG Flensburg-Handewitt (42:12). In beiden Ligen hätte der Tabellenzweite den Tabellenführer noch in eigener Halle empfangen.

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Unfair gestoppt: Kelly Dulfer

„Das ist Kaffeesatzleserei, die unsportlich ist“, so Heiermann, der kein Verständnis dafür aufbringt, dass in allen Ligen unter dem Dach des DHB ein Meister gekürt worden ist, nur bei der „HBF“ (Handball-Bundesliga der Frauen) nicht. In der Regionalliga West (3. Liga) hatten der Erste (TV Aldekerk 07) und der Zweite (Borussia Dortmund II) sogar die gleiche Punktzahl – der Titel wurde Aldekerk aufgrund der besseren Tordifferenz zugesprochen, „und wir haben sofort gratuliert“, so Heiermann.

Immerhin fällte der Verband eine positive Entscheidung für Borussia Dortmund: Die Handball-Damen nehmen in der kommenden Saison erstmals in der Vereinsgeschichte an der EHF Champions League teil. „Über den Champions-League-Platz freue ich mich natürlich sehr“, meinte Top-Spielerin Kelly Dulfer. Und Dr. Reinhard Rauball versprach: „Wir werden uns von dem Weg, den Frauen-Handball in Dortmund weiterhin intensiv zu fördern, nicht abbringen lassen. Das sind wir den vielen überaus talentierten Jugendlichen schuldig.“ Auch A- und B-Jugend waren auf dem Weg zum Deutschen Meistertitel.
Boris Rupert