Immer wieder warnt Borussia Mönchengladbachs Trainer Lucien Favre vor einer "schweren Saison". Mit Reus, Dante und Neustädter verließen drei Stammspieler den Verein. Dass die Mannschaft den vierten Platz aus dem Vorjahr wiederholt, erwartet niemand am Niederrhein. Spieler und Verantwortliche blicken von Spiel zu Spiel.

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Borussia Mönchengladbach gehörte ohne Zweifel zu den Überraschungsmannschaften der vergangenen Saison. Als potenzieller Abstiegskandidat gestartet, setzte die Mannschaft zu einem fulminanten Höhenflug an und landete in der Endabrechnung auf dem vierten Platz, der zur Qualifikation an der UEFA Champions League berechtigte. Nach 16 Jahren Abwesenheit auf der internationalen Bühne dürfen sich Fans und Verantwortliche wieder auf Europapokal-Abende am Niederrhein freuen, wenn auch nach dem knappen K.O. gegen Kiew "nur" in der Europa League.
Doch der Erfolg weckte Begehrlichkeiten. Gladbachs Akteure haben sich mit ihren Leistungen in den Mittelpunkt gespielt, sodass die Borussia in der Sommerpause den Verlust mehrerer Stammspieler verkraften musste. "Mit den Abgängen haben wir unser Rückgrat verloren", warnte Trainer Lucien Favre. "Sie fehlen uns sportlich - und auch als Leader." Offensivkraft Marco Reus, der sich mit seinen Leistungen im Gladbacher Trikot sogar zum "Fußballer des Jahres" aufschwang, spielt nun wieder bei Borussia Dortmund. Innenverteidiger Dante verteidigt für Bayern München, und Mittelfeldspieler Roman Neustädter wechselte zum FC Schalke 04.
Mehr als 20 Mio. Euro spülten die Verkäufe von Reus und Dante in die Kassen (Neustädter ging ablösefrei). Mit den Einnahmen und Ausgaben der diesjährigen Transferperiode stößt Mönchengladbach in völlig neue Dimensionen vor. Auf der anderen Seite gaben die Verantwortlichen nämlich auch mehr als 30 Mio. Euro für fünf neue Spieler aus, um die Qualität im Kader zu erhalten.
Stürmer Luuk de Jong ist der teuerste Einkauf in der Vereinsgeschichte
Königstransfer ist der Niederländer Luuk de Jong, der erst nach monatelangem Transferpoker mit Twente Enschede im Borussia Park vorgestellt werden konnte. Mit 12 Mio. Euro ist der Stürmer zudem der teuerste Einkauf der Klubgeschichte. "Einen solchen Spieler zu Borussia holen zu können, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen", freute sich Sportdirektor Max Eberl über den Transfercoup. Doch de Jongs Start bei den Fohlen verlief unglücklich. Seinen ersten Treffer landete er ins eigene Netz, Eigentor im Champions-League-Qualifikationsspiel gegen Dynamo Kiew. Erst im sechsten Pflichtspiel war der Bann nach mehreren Pfostenschüssen gebrochen, und der Ball schlug im gegnerischen Kasten ein.

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Trainer Lucien Favre hat der Mannschaft einen kreativen Stil verpasst.

Eberl konnte noch zwei weiteren Hochkarätern den Wechsel nach Mönchengladbach schmackhaft machen. Mittelfeldspieler Granit Xhaka kam vom FC Basel, Innenverteidiger Alvaro Dominguez von Atletico Madrid. Alle waren sie mit der Perspektive gekommen, unter der Woche die Champions-League-Hymne zu hören. Doch Gladbach verpasste den Einzug in die Gruppenphase nur um ein Tor in zwei Spielen gegen Dynamo Kiew und tritt deshalb in der Europa League an, was aufgrund wechselhafter Jahre in der jüngeren Vergangenheit mit Höhen und Tiefen immer noch als großer Erfolg zu werten ist. Mit Blick auf Spiele gegen Olympique Marseille und Fenerbahce Istanbul spricht Vorstandsmitglied Hans Meyer von einem "herrlichen Herbst".
Dass die Borussia aufgrund der Abgänge vor einer schweren Saison steht, betont Trainer Favre bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Nach wie vor hält er an dem Motto fest: Das nächste Spiel ist das Schwierigste. Auch Eberl spricht nicht davon, dass der vierte Platz aus der Vorsaison wiederholt werden muss, vielmehr ist das Erreichen der oberen Tabellenhälfte das erklärte Ziel. Favre bittet um Zeit, eine neue Mannschaft bauen zu können. Noch haben die Spieler Luft nach oben. Der Start in die neue Bundesliga-Saison verlief nicht reibungslos. Doch was die Mannschaft in der vergangenen Saison stark gemacht hat, Ideenreichtum, schnelles Umschalten und Kurzpassspiel, blitzte manchmal schon wieder auf.
Christina Reinke