Vor dem Endspiel um den DFB-Pokal sprechen die Trainer der beiden Mannschaften, Jürgen Klopp und Pep Guardiola, über ihre Teams, über ihre Philosophie, über ihre Liebe zum Fußball und natürlich über das große Finale am Samstag im Berliner Olympiastadion.

Herr Klopp, erzählen Sie doch bitte mal dem Kollegen Guardiola, was dieses Endspiel in Berlin so besonders macht.
Jürgen Klopp: Ich hatte bereits vor zwei Jahren das große Vergnügen, bei diesem wundervollen Ereignis dabei zu sein. Für mich steht das deutsche Pokalfinale auf der gleichen Stufe wie das Champions-League-Finale. Mit der grandiosen Stimmung in Berlin  und der perfekten Organisation durch den DFB ist es das große Finale überhaupt. Da lohnt sich die Reise sogar, wenn man gar nicht selber dort spielt.

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In Spanien kennen Sie das Finale um die „Copa del Rey“. Lässt sich das vergleichen?
Pep Guardiola: Ich kann es noch nicht selbst beurteilen. Aber was man mir beim FC Bayern bislang über das Pokalfinale in Berlin, über die Atmosphäre, die Stimmung und die ganze Inszenierung darum erzählt hat, ist unglaublich. Ich freue mich sehr, dies nun selbst zu erleben und mit dem Finale der „Copa del Rey“ zu vergleichen.

Haben Sie den deutschen Pokal aus dem Ausland eigentlich wahrgenommen?
Guardiola: Ja, natürlich. Die Finals in den großen Fußballnationen sind Pflicht für einen Trainer. Wann immer es möglich ist, sitze ich da vor dem Fernseher oder Laptop. Beim letzten DFB-Pokalfinale habe ich damals natürlich bereits mit meinem neuen Klub, dem FC Bayern, mitgefiebert.

Ist Bayern gegen Dortmund mittlerweile so etwas wie der deutsche „Clásico“?
Guardiola: Ich weiß inzwischen, dass die Duelle des FC Bayern gegen den BVB die Topspiele des deutschen Fußballs sind. Wir werden es in Berlin wieder erleben. Ja, es ist mit dem spanischen „Clásico“ vergleichbar. Wenngleich das Duell Barcelona gegen Real Madrid eine viel längere Tradition und manchmal auf noch größere Schärfe hat.
Klopp: In der Tat hat sich diese Begegnung in den letzten vier, fünf Jahren zu einem wirklich großen Duell entwickelt. Vor fünf Jahren war wirklich nicht abzusehen, dass der BVB Part dieses „Clásico“ werden könnte. Umso stolzer sind wir, wieder in Berlin dabei zu sein.

2012 DFB-Pokalfinale, 2013 Champions-League-Finale – kann man da von einem irgendwie logischen erneuten Pokalfinale 2014 sprechen?
Klopp: Nein, das ist keineswegs logisch. Dafür war der Weg viel zu hart. Vor allem, wenn ich an unser Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg denke. Auf jeden Fall hätte ich nichts dagegen, jedes Jahr in diesem Finale zu stehen.
Guardiola: Logisch ist im Fußball gar nichts. Ein Finale ist egal wann und egal von welcher Mannschaft eine große Leistung. Beide Teams, der FC Bayern und der BVB, haben hart für diesen Finaleinzug arbeiten und kämpfen müssen. Niemand hat uns etwas geschenkt.

Haben Sie, Herr Klopp, Ihren Spielern schon die DVD vom Finale 2012 gezeigt? Es wird schließlich als eines der besten Endspiele überhaupt bewertet.
Klopp: Aus unserer Sicht war es auf jeden Fall eines der besten Endspiele. (lacht) Das komplette Finale werden wir unseren Jungs allerdings nicht noch mal zeigen, aber ein paar Emotionen rund um dieses Spiel darf man auf jeden Fall in Erinnerung rufen.

Trotz Ihrer Niederlage war es eine starke Leistung des BVB im Champions-League-Finale 2013. Hat es das leichter gemacht, dieses 1:2 von Wembley wegzustecken?
Klopp: Ja, das hat es. In einem Finale sollte man auf jeden Fall seine Bestleistung abrufen. Das haben wir in Wembley getan. Auch wenn das Glück nicht unbedingt auf unserer Seite war, haben die Bayern das Spiel verdient gewonnen.

Wo und wie haben Sie dieses Spiel erlebt, Herr Guardiola?
Guardiola: Ich war in New York. 14.45 Uhr, Nachmittag. Ich war bei diesem Spiel, sorry Jürgen, schon Bayern-Fan. Ich habe mir meine neue Mannschaft natürlich genau angesehen und habe mich gefreut, dass sie gewonnen hat. Mein Start in München wäre viel schwieriger gewesen, wenn die Spieler mit der Enttäuschung einer Finalniederlage in die neue Saison starten hätten müssen.

Hat dieses Spiel, diese Werbung für den Fußball, Ihre Vorfreude auf Bayern, auf Deutschland, auf die Bundesliga weiter gesteigert?
Guardiola: Auf jeden Fall. Es war ein sehr gutes Finale. Beide Teams haben sich gekannt, es war kein taktisches Abwarten, das war richtig guter Fußball, ein Klasse-Finale.

Im Supercup vor der Saison haben Sie erstmals gegen Dortmund gespielt, 2:4 verloren. Welchen Eindruck hatten Sie vom BVB?
Guardiola: Der BVB ist ein sehr, sehr starke Mannschaft, das hat sie damals – noch dazu im eigenen Stadion – gezeigt. Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch mitten in der Kennenlernphase, vieles war neu, wir waren damals noch nicht so stark wie heute.

Die Bundesliga-Spiele endeten jeweils 3:0 für das Auswärtsteam. Was war da los?
Guardiola: In Dortmund haben wir gezeigt, wie gut wir wirklich spielen können. Das war ein großes Match. Beim Spiel in München war bei uns – leider – wie sagt man in Deutsch? – die Luft schon ein wenig raus. Wir hatten drei Tage davor Manchester United besiegt, wir waren schon Deutscher Meister, hatten 20 Punkte Vorsprung vor dem BVB, und drei Tage später stand das DFB-Pokal-Halbfinale an. Die Niederlage war nicht gut, aber irgendwie erklärbar.
Klopp: Man sollte bei der Betrachtung auch nicht vergessen, dass beide Spiele viel enger waren, als es das jeweilige Ergebnis ausdrückt. 

Sie scheinen einer der wenigen zu sein, die wissen, wie man Bayern besiegt, Herr Klopp. Schließlich ist Ihnen das schon öfter gelungen, allein in dieser Saison schon zweimal. Verraten Sie es uns!
Klopp: Falls Sie mir die gleiche Frage nach dem Finale aus gegebenem Anlass noch einmal stellen wollen, verrate ich es Ihnen.

Herr Guardiola, können Sie sich noch an den Ortsnamen „Rehden“ erinnern?
Guardiola: (schmunzelt) Na klar. Das war mein erstes Pokalspiel hier in Deutschland. Ein heißer Tag, wir haben in Osnabrück gespielt, ausverkauft natürlich. Wir haben 5:0 gewonnen. Der Traum vom Finale in Berlin begann an diesem Tag.

Waren Sie, bei aller Erfahrung, vor Ihrem ersten Pflichtspiel etwas nervöser als sonst? Oder ist das eine Emotion, die Ihnen ohnehin fremd ist?
Guardiola: Ich war in Rehden genau so auf unseren Gegner vorbereitet wie gegen ManUnited, Real Madrid oder jetzt den BVB. Die Analyse, die Konzentration ist stets die gleiche und ein wenig Nervosität gehört immer dazu.

Welche Momente aus der aktuellen Pokalsaison, sind bei Ihnen besonders hängen geblieben?
Klopp: Der Schlusspfiff im Halbfinale gegen Wolfsburg bei uns im Signal Iduna Park. Das war die pure Erleichterung.
Guardiola: Wir haben tolle Spiele geliefert, 5:0 in Hamburg, 4:1 gegen Hannover, 2:0 in Augsburg. Jedes Spiel, jedes Ergebnis war besonders, weil wir unsere Fans glücklich gemacht haben und dem Finale in Berlin immer näher kamen.

Heute spielt die beste Offensive im Pokal (Bayern) gegen die beste Defensive (Dortmund). Was für ein Spiel können die Fans erwarten?
Klopp: Ein sehr gutes. Da bin ich ziemlich sicher.
Guardiola: Davon bin ich auch überzeugt. Beide Teams lieben offensiven Fußball, beide Mannschaften kennen sich in- und auswendig und für beide ist es noch ein Höhepunkt einer großartigen Saison. Ich bin sicher, dass die Fans in Deutschland mit diesem Finale glücklich sein werden!

Die alte Weisheit lautet: „Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften.“ In diesem Sinne: Glückwunsch, Herr Klopp!
Klopp: Danke, aber das Problem alter Weisheiten ist, dass sie leider nicht immer zutreffen. Aber für das Finale gilt sicher: Wer viele Gegentore kassiert, der wird verlieren.

Würden Sie sagen, ein Titelgewinn ist für Borussia Dortmund immer noch etwas Außergewöhnlicheres als für die Bayern?
Klopp: Ja, das ist hundertprozentig so

Inwieweit haben Sie eigentlich die Karriere des jeweils anderen verfolgt?
Klopp: Ich habe die Karriere von Pep schon als Spieler verfolgt, und natürlich dann auch als Trainer, also sicher länger als umgekehrt. (lacht) Als Gedankenstütze für Pep: Ich habe mein erstes Zweitligator für Mainz 05 im Jahr 1990 im Heimspiel gegen Hannover 96 geschossen.
Guardiola: Danke für die Information, Jürgen (lacht). Im Ernst: Er ist ein außergewöhnlicher Trainer, keine Frage. Was er in Dortmund erreicht hat ist großartig, seine Mannschaft trägt deutlich seine Handschrift. Ich freue mich darauf, ihn in Berlin wieder zu sehen.

Wie würden Sie die Spielphilosophie Ihres Kollegen beschreiben? Wo gibt es Gemeinsamkeiten oder Unterschiede?
Guardiola: Ich kann und möchte nicht über die Mannschaft von Jürgen sprechen. Das ist sein Bereich, er kennt seine Spieler besser als ich. Dass wir uns aber gegen Dortmund immer schwer tun, das weiß man.
Klopp: Es würde zu weit führen, ins Detail zu gehen, denke ich. Aber ich habe den Eindruck, dass wir beide dieses Spiel sehr lieben. Wahrscheinlich liegt es an unseren unterschiedlichen Charaktereigenschaften, dass wir unterschiedlich spielen lassen. Die Liebe zum Spiel, so denke ich, ist aber immer erkennbar.

Welche Note geben Sie dem Spieljahr 2013/2014?
Klopp: Das ist noch ein bisschen vom Ergebnis des Pokalfinales abhängig. Auf jeden Fall zwischen 1 und 2.
Guardiola: Wir haben eine großartige Saison gespielt. Wir haben bis heute drei Titel geholt: Club-WM-Sieger, UEFA-Supercup-Sieger, Deutscher Meister mit erneut einem Vorsprung, Champions League-Halbfinale und nun noch im DFB-Pokalfinale. Es war eine sehr gute Saison.
Quelle: dfb.de, Autoren: Steffen Lüdeke und Gereon Tönnihsen