Es war eine kurze Nacht. Bis 4 Uhr Ortszeit (3 Uhr MESZ) waren Ärzte und Physiotherapeuten noch bei der Arbeit und versorgten die Spieler. Denn die sollen fit sein für das Schlagerspiel am Sonntag beim FC Bayern München. Nur 66 Stunden liegen zwischen dem Abpfiff in Thessaloniki und dem Anpfiff in der Allianz-Arena.

Dass ein seriöses Magazin, wenn auch mit einem Augenzwinkern, die Frage aufwarf, was denn strapaziöser nachwirken könne, der Wies’n-Besuch der Bayern-Spieler am Mittwoch oder die 1.700-Kilometer-Reise der Borussen von Mittwoch bis Freitag nach Thessaloniki, karikiert die Ausgangslage, die kaum unterschiedlicher sein könnte. Den wichtigsten Fakt betonte Cheftrainer Thomas Tuchel: „Es ist ein erheblicher Unterschied, ob du Dienstag und Sonntag jeweils ein Heimspiel hast, oder ob du donnerstags und sonntags auswärts antrittst.“

Bayerns Vorteil: Zwei Heimspiele, zwei Tage mehr Pause

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Hans-Joachim Watzke

Den klaren Nachteil (der keine Ungerechtigkeit, sondern lediglich eine Folge des Spielplans ist) versuchte man im Vorfeld zumindest dadurch ein wenig zu kaschieren, indem fünf Spieler (Hummels, Sokratis, Gündogan, Kagawa und Aubameyang) in Dortmund blieben und sich dort auf das Spiel in München vorbereiteten. Eine weitere Maßnahme griff dann gestern Abend inmitten der Aufholjagd gegen PAOK Saloniki: Nach gut einer Stunde nahm Tuchel Mkhitaryan und Weigl ungeachtet des Spielstandes vom Feld. Abgesehen von den Reisestrapazen treten auch Bürki, Ginter und Schmelzer (er spielte als Einziger dieses Trios eine knappe halbe Stunde) die Fahrt nach München ohne zusätzliche Spielbelastung an. Hans-Joachim Watzke: „Wir sind am Sonntag mit einer ganzen Reihe von Spielern da, die relativ frisch sind.“

Auch wenn die Bayern abermals eine überragende Saison spielen (sieben Spiele, sieben Siege) und körperlich die besseren Voraussetzungen für das Duell am Sonntag mitbringen, sehen sich die Borussen nicht chancenlos. „Wenn man die letzten Jahre Revue passieren lässt, sind wir dort nicht so oft mit leeren Händen zurückgefahren“, bemerkt Watzke. Die Statistik gibt dem BVB-Chef recht: Von den letzten sieben Pflichtspielen in der Allianz-Arena gewann Borussia Dortmund vier und spielte einmal unentschieden. „Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir in München guten Fußball spielen und gute Ergebnisse erzielen können“, betont Sportdirektor Michael Zorc.

Bayern spielt um die Meisterschaft, Borussia um die Champions League

Dass das Duell zwischen dem Rekordmeister aus München und dem wiedererstarkten „Störenfried“ aus Dortmund, der den Bayern 2011 und 2012 zwei Mal die Schale entreißen konnte, schon wieder als ultimativer Ligagipfel ausgerufen wird, entlockt Watzke nicht mehr als ein Schmunzeln. „Abgesehen davon, dass am achten Spieltag der Erste gegen den Zweiten spielt, ist es ein ganz normales Bundesligaspiel.“ Der BVB verfolgt in dieser Saison andere Ziele als der FCB und schaut mehr auf den VfL Wolfsburg, auf Bayer Leverkusen und auf Schalke 04, nach einem Fünftel der Saison die größten Rivalen um einen Platz unter den ersten Vier. „Um die Vorherrschaft in der Liga geht es nicht“, sagt Michael Zorc. Hans-Joachim Watzke: „Wir spielen um den Einzug in die Champions League. Dafür nehmen wir gerne jeden Punkt mit, auch aus München.“
Boris Rupert