Thomas Tuchel haderte im Interview bei sky nach der Partie in Lissabon mit der Chancenverwertung: „Wenn wir in Führung gegangen wären, dann wären wir wahrscheinlich auch als verdienter Sieger vom Feld gegangen.“ Trotzdem fand er fast nur Lob für seine Mannschaft: „Wir waren so, so gut, haben überragend gespielt.“

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Thomas Tuchel, wie analysieren Sie dieses Spiel?
Wir haben überragend gut gespielt. Leider waren wir drei Minuten nicht aufmerksam. Haben kurz nach der Halbzeit ein Problem gehabt, zu erkennen, dass Benfica versucht, Forechecking zu spielen. Da haben wir uns zweimal abkochen lassen, haben zwei Ballverluste und bekommen dadurch mit dem einzigen Torschuss der zweiten Halbzeit sehr unglücklich das Tor. Insgesamt geht es wohl nur im Fußball, so gut zu spielen, so viele Tormöglichkeiten zu haben, dem Gegner absolut nichts zuzugestehen – und trotzdem als Verlierer vom Platz zu gehen. So ist das. Zum Glück gibt es ein Rückspiel.

Was ist vor dem Gegentor falsch gelaufen?
Vor dem Eckball waren wir etwas überrascht, dass sie uns anders angelaufen haben. Dann gibt es eine schlampige Ballannahme und Benfica kommt über rechts. Wir verteidigen das zu einer Ecke. Da habe ich mich etwas aufgeregt, weil es ein leichter Ballverlust war. Ich hatte das Gefühl, dass wir direkt nach der Halbzeit nicht richtig wach waren. Da hat die Passschärfe etwas gefehlt, um so dominant weiterzuspielen. Benfica hatte umgestellt, hat uns versucht, in der Dreierkette anzulaufen. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Wenn wir zweimal einen langen Ball gespielt hätten, dann wären wir komplett aus der Nummer raus gewesen. Aber da bekommt niemand einen Vorwurf für dieses Gegentor. „Shit happens“. Nochmal: Wir waren so, so gut. Wir hatten so gute Chancen. Ich habe keine Lust, mich mit diesem Sandkorn aufzuhalten.

„Die Mannschaft hat ein Problem mit der Chancenverwertung“

Pierre-Emerick Aubameyang hatte einige riesengroße Chancen. Warum haben Sie ihn ausgewechselt?
Zum einen ist er im körperlichen Rückstand, seit er vom Afrika-Cup zurückgekommen ist. Das ist ein Vabanque-Spiel, das wir da machen. Jedes Mal. Er war schon vorgemerkt für einen Wechsel und nach dem verschossenen Elfmeter hatte ich nach seiner Körpersprache nicht das Gefühl, dass er nochmal treffen kann.

Wie wird er damit umgehen?
Ich denke, dass Auba den Anspruch hat, diese Chancen zu machen. Die ganze Mannschaft hat derzeit ein Problem mit der Chancenverwertung. Auch er. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er ein Problem mit dieser Auswechslung hat.

„Bin sehr stolz, wie wir hier aufgetreten sind“

14:5 Torschüsse am Ende. Sie haben schon gesagt, dass es für solche Fälle ein Rückspiel gibt. Wie überzeugt sind Sie davon, trotzdem weiterzukommen?
Es ist ein kompliziertes Ergebnis für das Rückspiel. Aber ich bin sehr stolz auf das, was wir gezeigt haben. Dass wir so dominant und so gut im Gegenpressing waren. Wir haben ja noch nicht einmal Konterchancen und überhaupt eine weitere Tormöglichkeit für Benfica zugelassen. Deshalb bin ich – obwohl ich sehr enttäuscht bin – sehr stolz darauf, wie wir hier aufgetreten sind. Es gilt jetzt, im Rückspiel dieselbe Leistung zu bringen. Wir müssen in der Konsequenz vor dem Tor deutlich zulegen. Sonst wird es nicht klappen.

Müssen die Führungsspieler in solchen Spielen mehr abliefern?
Klar, das ist auch deren Anspruch. Das kann man völlig vorwurfsfrei formulieren. Natürlich müssen diese Spieler treffen, und natürlich hatten wir sie in den letzten Spielen in so vielen Situationen, in denen sie mit ihrer Klasse treffen können. Das verunsichert die Spieler, aber auch das Team. Gegen Leipzig oder Hertha war das zum Beispiel komplett ähnlich. Wenn man nie das entscheidende zweite oder dritte Tor macht, dann schleicht sich immer so ein Gefühl ein, dass man ständig auf der Hut sein muss. Wenn wir gegen Befica in Führung gegangen wären, dann wären wir wahrscheinlich auch als verdienter Sieger vom Feld gegangen. Aber was sollen wir machen? Wir können nicht mehr als diese hochkarätigen Chancen herausspielen. Wir brauchen die Effektivität, um mehr Ruhe zu bekommen. (djg)

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