Mit einer äußerst unglücklichen 1:3 (1:2)-Niederlage bei Tottenham Hotspur leistete sich Borussia Dortmund einen Fehlstart in die Champions-League-Saison, der aber noch korrigiert werden kann. Jedenfalls erreichte der BVB nach einer Niederlage im ersten Spiel der Königsklasse bisher immer noch die nächste Runde.

Aus London berichtet Boris Rupert

67.343 Zuschauer im Wembley-Stadion, darunter 4.500 Anhänger von Borussia Dortmund, sahen einen insbesondere in der ersten Hälfte dominanten BVB in einem intensiven Match, in dem die Gastgeber mit zwei Kontern früh erfolgreich waren, durch Son zum 1:0 (4.) und Kane zum 2:1 (11.). Zwischenzeitlich glich Yarmolenko aus (11.). Pulisic’ Tor zählte zurecht nicht (45.), doch Aubameyang bei dessen Treffer in der 56. Minute im Abseits zu sehen, war eine haarsträubende Fehlentscheidung des italienischen Schiedsrichtergespanns. Stattdessen erhöhte Kane kurz darauf auf 3:1.

Ausgangslage: 
Englands Vizemeister gegen den Deutschen Pokalsieger. Beide Teams waren mit jeweils sieben Punkten in die nationale Saison gestartet, wobei Tottenham für diese Ausbeute ein Spiel mehr benötigte als der BVB. Von ihren vorangegangenen fünf Europapokal-Heimspielen hatten die Spurs nur eins gewonnen, die Borussen wiederum in ihren zuvor letzten fünf Gastspielen auf der Insel eine ausgeglichene Bilanz errungen (zwei Siege, ein Remis, zwei Niederlagen).

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Erstes Spiel von Beginn an, erster Torschuss, erster Treffer: Andrey Yarmolenko

Personalien:  
Beim BVB fehlten Schmelzer, Bartra, Reus, Guerreiro, Schürrle, Rode und Durm. Trainer Bosz hatte angekündigt, in den englischen Wochen auf den breiten Kader zurückgreifen, „die Spieler nutzen“ zu wollen, und er machte dies wahr: Vor dem sechsten Pflichtspiel seiner Amtszeit (inkl. Supercup) nahm er erstmals tiefgreifende Veränderungen vor und änderte seine Startelf auf insgesamt fünf Positionen. Gegenüber den ersten drei Ligaspielen rotierten Götze, Castro und Philipp auf die Bank; Toprak und Toljan ersetzten die verletzten Bartra und Schmelzer im linken Teil der Viererkette. Neben Toljan feierte auch Yarmolenko sein BVB-Debüt. Zudem rückten Dahoud und Kagawa in die Startelf. Subotic war nach überstandenem Infekt nachgereist und nahm auf der Bank Platz.

Taktik: 
Tottenham agierte in einer 5-3-2-Formation, überließ Dortmund weitgehend den Ball und initiierte eigene Angriffe fast ausschließlich in Form schnellen Umschaltspiels über Son oder Kane. Dabei spielte die zweimalige frühe Führung in die Karten. Beim BVB war es ein fließender Übergang der Systeme. Gegen den Ball war es ein 4-2-3-1 mit Dahoud als zweitem Sechser neben Sahin, fallweise sogar hinter ihm. Auch Kagawa hatte einen weiten Aktionsradius.

Spielverlauf & Analyse:
In seinem 239. Europapokalspiel wurde der BVB kalt erwischt, kassierte mit dem ersten Konter der Gastgeber nach genau 3:44 gespielten Minuten das 0:1 – und damit den ersten Gegentreffer überhaupt in dieser Saison. Die Spurs fingen dabei einen Dortmunder Angriff (Piszczek auf Kagawa) im eigenen Strafraum ab und schalteten blitzschnell um: Kane setzte Son auf dem linken Flügel ein, Sokratis konnte nicht mehr eingreifen, und aus spitzem Winkel traf der frühere Bundesligaspieler zum 1:0.

Die Schwarzgelben ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken, blieben im Spiel und glichen nur wenig später mit einem sehenswerten Treffer durch Yarmolenko aus. Der Ukrainer schlenzte ein Zuspiel von Kagawa aus etwa 18 Metern in den linken Torwinkel (11.).

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Doch nur vier Minuten später ging Tottenham erneut in Führung, abermals mit einem schnellen Angriff über die linke Seite, bei dem sich Kane allerdings sehr resolut und sicher hart an der Grenze des Regelwerks gegen Sahin durchsetzte und im Strafraum knallhart ins kurze Eck abschloss – 2:1 (15.).

Pulisic trifft im Getümmel, doch die Abseitsfahne ist oben

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Christian Pulisic gegen vier Engländer

Borussia Dortmund hatte in der ersten Halbzeit über 70 Prozent Ballbesitz und kam dem Tor von Lloris noch drei Mal gefährlich nahe: In der 30. Minute klärte Vertonghen Pulisic’ Pass auf den einschussbereiten Aubameyang, sechs Minuten später war Aubameyang der Vorbereiter, und Pulisic kam am Fünfmetereck zwar noch ran an die Kugel, konnte sie aber nicht aufs Tor bringen. Sekunden vor der Pause zappelte der Ball zwar im Netz – Pulisic hatte ihn reingedrückt –, doch zählte der Treffer wegen einer aktiven Abseitsposition von Aubameyang nicht.

Zu Beginn der zweiten Hälfte schossen Kane (50.) und Son (52.) knapp übers BVB-Tor, ehe die Schwarzgelben wieder im Spiel waren und durch Aubameyang den vermeintlichen Ausgleich bejubelten. Doch Rocchi gab den Treffer nicht – zu Unrecht, denn der Torschütze stand beim Flügelwechsel eindeutig nicht im Abseits (56.). Vier Minuten später erzielte Kane nach Zuspiel von Eriksen das 3:1. Piszczek wollte noch retten, doch durch seine Beine wurde der Schuss zu spät sichtbar für Bürki.

Aubameyang beim „2:2“ eindeutig nicht im Abseits

Der BVB – in den letzten 25 Minuten mit Götze für Kagawa, kurz darauf mit Castro für Dahoud – ließ sich nicht hängen und hatte in der 70. Minute den Torjubel bereits auf den Lippen: Nach Sahins Kopfballverlängerung kam Aubameyang im Fünfer zum Abschluss, scheiterte jedoch am sensationell reagierenden Lloris. Der Anschlusstreffer hätte womöglich eine spannende Schlussphase beschert, zumal Vertonghen in der Nachspielzeit Gelb-Rot sah, so aber steht Borussia Dortmund nach dem ersten Spieltag mit leeren Händen da – wie 1995 (1:3 gegen Juventus), 2002 (0:2 beim FC Arsenal) und 2013 (1:2 in Neapel). Damals gelang jedes Mal noch der Sprung in die nächste Runde.

Ausblick: 
In knapp zwei Wochen trifft Borussia Dortmund im Signal Iduna Park auf Real Madrid. Zuvor stehen drei Aufgaben in der Liga auf dem Plan: die Heimspiele gegen Köln und Mönchengladbach sowie kommende Woche Mittwoch das Gastspiel in Hamburg.

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