Vor 80 Jahren spielte Holstein Kiel schon einmal ein Pokal-Halbfinale. Am Samstag wollen die Störche Geschichte schreiben. Alles über den Gegner, die Stärken und die (wenigen) Schwächen der Mannschaft.

Mit wenigen Toren weit vorn

Holstein Kiel ist die Mannschaft mit den wenigsten Torschüssen aller 18 Zweitligisten! Nur 308-mal zielte sie in Richtung gegnerisches Gehäuse. Lediglich elf Stürmertore stehen zu Buche. Die 43 Saisontreffer (zehntschwächster Wert der Liga) verteilen sich auf nur neun unterschiedliche Schützen.

Die beste Abwehr der 2. Liga

Die Defensive ist die große Stärke des Aufstiegskandidaten. Nur 27 Gegentore sind mit Abstand die wenigsten aller 18 Zweitligisten. Bochum und Fürth kassierten jeweils 36 Gegentreffer, Hamburg 38. Nach Hereingaben von außen ist die Abwehr kaum zu knacken (nur zwei Gegentore nach Flanken). Auch auskontern lässt sich die Mannschaft so gut wie nie (erst drei Gegentreffer). Wenn Schwächen auszumachen sind, dann eher auf der linken Abwehrseite. Hier ist der Anteil der Gegentreffer (10) dreimal so hoch wie über rechts (3). Stärkste Zweikämpfer sind Johannes van den Bergh und Jonas Meffert mit jeweils 59% an gewonnenen Duellen.

Die Dortmunder an der Förde

Dominik Reimann saß nach der Verletzung von Stammtorwart Ioannis Gelios (nur 24 Gegentore in 24 Partien, wehrte starke 72% der Bälle ab) zuletzt mal wieder auf der Bank. Der heute 23 Jahre alte Schlussmann gewann 2014 mit der U17 und 2016 mit der U19 von Borussia Dortmund die Deutsche B- und A-Jugend-Meisterschaft. Seit 2018 steht er bei Holstein Kiel unter Vertrag, absolvierte bislang 15 Zweitliga-Spiele. Ebenfalls aus der BVB-Jugend stammt Janni Serra...

Der umgeschulte Verteidiger

Drei Meisterschaften mit der Jugend von Borussia Dortmund feierte Janni Serra: 2015 mit der U16 sowie 2016 und 2017 mit der U19. Vom damaligen BVB-Trainer Hannes Wolf war der Innenverteidiger zu einem wuchtigen und treffsicheren Angreifer „umgeschult“ worden. In der Rückrunde der Saison 2017/18 spielte Serra auf Leihbasis für den VfL Bochum, anschließend wechselte er nach Kiel. In bislang 82 Zweitliga-Spielen für Holstein traf er 30-mal und leistete zu elf Treffern die Vorarbeit. Am Samstag, beim 3:1 in Osnabrück, benötigte der 23-Jährige bei seinem ersten Einsatz seit sieben Wochen keine lange Eingewöhnungszeit, traf früh zum 0:1. Sein neuntes Saisontor erzielte er am Dienstag in Nürnberg zum 1:1-Endstand – natürlich per Kopf. 20 Kopfbälle brachte der 1,93-Meter-Mann bereits aufs gegnerische Tor – so viele, wie kein anderer Zweitligaspieler. „In der Übergangszeit vom Jugend- zum Profibereich hat er bei uns leider viel Pech mit Verletzungen gehabt“, sagt Sportdirektor Michael Zorc. „Er hat dann eine sehr gute Entwicklung genommen und ist ein kopfballstarker und robuster Spieler.“

Zweimal in Quarantäne

Als die Kieler Anfang April aus ihrer Team-Quarantäne kamen, verloren sie zweimal – und mussten gleich wieder in die eigenen vier Wände. Diesmal meldeten sie sich mit einem Sieg (3:1 in Osnabrück) und einem Unentschieden (1:1 am Dienstag in Nürnberg) eindrucksvoll zurück im Aufstiegsrennen. Wegen der Nachholspiele und des Pokal-Halbfinales hat Holstein ein straffes Programm: Die Partie am vergangenen Samstag in Osnabrück war das erste von sechs Pflichtspielen in 17 Tagen.

Kiels Weg ins Halbfinale

Dem 7:1-Auftakt-Erfolg beim 1. FC Rielasingen-Arlen (Borussias Auftaktgegner 2017/18) folgte ein Coup, der ganz Deutschland bewegte: Am 13. Januar setzte sich der Zweitligist nach zweimaligem Rückstand und dem 2:2-Ausgleich erst in der Nachspielzeit im Elfmeterschießen mit 6:5 gegen Bayern München durch. Auch gegen Darmstadt 98 mussten die Störche ins Elfmeterschießen (7:6). Im Viertelfinale gab es dann ein klares 3:0 bei Rot-Weiss Essen.

Nie weiter als ins Halbfinale

Erfolge im Pokal sind rar gesät. Das Erreichen des Viertelfinales 2011/12 gegen Borussia Dortmund (0:4) war der größte Erfolg seit den 1940er Jahren. Im Halbfinale eines deutschen Pokalwettbewerbs standen die Störche zuvor nur einmal: Vor 80 Jahren, am 12. Oktober 1941, während des 2. Weltkriegs, musste Holstein Kiel ebenfalls im Ruhrgebiet antreten, unterlag Schalke 04 damals mit 0:6.

Erfolge in der Vergangenheit

Bei vier Punkten Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz, aber mit zwei Nachholspielen in der Hinterhand, hat der Klub beste Chancen auf den Aufstieg und damit erster Bundesligist Schleswig-Holsteins zu werden. Dabei steht ein Deutscher Meistertitel in der Vita, doch der datiert aus dem Jahr 1912 – 51 Jahre vor Gründung der Bundesliga. Hinzu kommen zwei Vizemeisterschaften (1910 und 1930).
Zusammengestellt von Boris Rupert