1:0, 1:1, 2:1, 2:2, 3:2, 3:3, 3:4. Das Gastspiel von Borussia Dortmund am gestrigen Samstag in Leverkusen war die 1836. Bundesligapartie in der Vereinsgeschichte. Nur einmal zuvor in 54 Bundesliga-Jahren war es dem BVB gelungen, nach dreimaligem Rückstand als Sieger vom Platz zu gehen: in Spiel Nummer 955 am 22. September 1995.

Vor 26 Jahren spielten sich im Frankfurter Waldstadion wilde Szenen ab, nachdem Andreas Möller, Michael Zorc und Heiko Herrlich die dreimalige Führung der Eintracht ausgeglichen und Lars Ricken in der 82. Minute das 4:3 für den BVB erzielt hatte.

Auch wenn sie gestern Historisches geschafft haben in Leverkusen: Die große Partylaune brach bei den Spielern in der Kabine nicht aus. Eher still war es dort. Einerseits, weil „der Sieg viel Kraft gekostet“ hat, wie Marco Reus bemerkte. Andererseits, weil „wir nicht immer drei oder vier Tore schießen können“, wie der Kapitän ergänzte und damit auf vermeidbare Gegentore anspielte. Beim ersten und beim zweiten fehlten Konsequenz und Konzentration. Marco Rose freute sich über die Moral, die seine Mannschaft gezeigt hatte, über den Sieg und die damit verbundenen drei Punkte. Aber auch seine Freude klang verhalten. „Aus Trainersicht wünscht man sich das natürlich anders“, sagte er über das spektakuläre Spiel in Leverkusen und fügte an: „Wir bekommen zu viele Gegentore.“

13:9 lautet das Torverhältnis nach vier Spieltagen. Kein Team hat mehr Treffer erzielt. „Manchmal muss man auch mal einfach spielen“, kommentierte Nobby Dickel im Netradio das 1:1 durch Erling Haaland: „Ball nach außen, Flanke, Kopfball, Tor. So geht’s!“ Spektakulär fielen dagegen die Tore zwei und drei. Jeweils eine Augenweide! Zunächst verarbeitete Julian Brandt ein gar nicht so sauberes Haaland-Zuspiel in technischer Brillanz, nahm den Ball mit der Hacke mit, legte ihn sich ebenfalls mit der Hacke vor und jagte ihn aus vollem Lauf unter die Latte. Dann trat Raphael Guerreiro aus etwa 22 Metern an und zirkelte einen Freistoß in Perfektion über die Mauer in den Torwinkel. Tor Nummer vier war ein souverän, knallhart verwandelter Elfmeter.

„Es ist lange her, dass ich einen Freistoß verwandelt habe. Es war ein guter Moment fürs Team, zurückzukommen ins Spiel“, kommentierte Raphael Guerreiro seinen Treffer. Und Julian Brandt gab einen tiefen Einblick in sein Seelenleben: „Das 2:1 kurz vor der Halbzeit, in das ich involviert war, hat mich angefressen. Es war für mich ein Stück Genugtuung, der Mannschaft etwas zurückzugeben. Das Tor war extrem schön. Gleichzeitig ist eine extreme Last abgefallen.“

In der Bewertung waren sich beide Profis einig. „Für die Fans ist so ein Spiel super, gerade für den Coach ist es jedoch nervenaufreibend“, meinte Brandt. „Wir sollten zusehen, dass wir in den nächsten Spielen hinten sicherer stehen. Uns tun auch mal Spiele gut, in denen wir dominant auftreten und keine Gegentore kassieren. Glücklich sind wir trotzdem. Alles ist besser als zu verlieren.“ Und Guerreiro sagte: „Es ist immer gut fürs Selbstvertrauen, aber wir müssen defensiv besser arbeiten.“

Deshalb war das historische Spiel Nummer 1836 kein Anlass für ungetrübte Freude.
Boris Rupert