Für jeden BVB-Interessierten hat der Name „Glasgow Rangers“ einen besonderen Klang. Schottlands Rekordmeister ist in den Play-offs zur K.o.-Runde am 17. und 24. Februar Borussia Dortmunds Gegner auf dem angestrebten Weg ins Achtelfinale der UEFA Europa League.

Ein halbes Jahr nach ihrem großen Erfolg im Hampden Park gegen den FC Liverpool kehrten die Borussen nach Glasgow zurück. Im Ibrox-Park stand das Zweitrunden-Hinspiel im Europapokal der Pokalsieger gegen die Rangers auf dem Spielplan. Der Titelverteidiger aus Dortmund war den 63.900 Zuschauern im Programmheft als „das Beste vom Besten des Kontinents“ angekündigt worden. Doch die Gastgeber waren an diesem 23. November 1966 noch besser. Trainer Heinz Murach benötigte nur drei Worte, um die hochklassigen 90 Minuten zusammenzufassen: „Waren die stark!“ Angriff auf Angriff rollte auf das Tor von Bernd Wessel zu. Bereits nach elf Minuten schoss Johansen das 1:0. Eine schlitzohrige Aktion von Held, der sich zuvor einer Abseitsposition durch Verlassen des Spielfeldes entzogen hatte, führte zum 1:1 durch Trimhold (31.). Dass Smith eine Viertelstunde vor Schluss das 2:1 markierte, ging aber vollauf in Ordnung.

Noch schwieriger als das Spiel gestaltete sich die Rückreise, die über London führte. Dichter Nebel ließ weder eine Landung in Heathrow noch in Gatwick zu. Jeweils eine Stunde lang drehte der Flugkapitän Kreise über diese Flughäfen, und beim Blick auf die Tankanzeige stellte er dann fest, dass es sinnvoll sei, Birmingham anzusteuern. Von dort fuhren die Borussen mit dem Bus nach London, wo sich am Wetter nichts geändert hatte: Nebel, der keine Landung erlaubt, lässt auch keinen Start zu, so dass es erst nach einer weiteren Übernachtung in der englischen Hauptstadt nach Deutschland zurückging, direkt nach Kaiserslautern, wo bereits am folgenden Tag zum nächsten Bundesligaspiel anzutreten war (1:1). 

Im Rückspiel hatten beide Angriffsreihen Probleme auf gefrorenem Boden. Schwarzgelb mühte sich, vor allem Held zerriss sich vor 36.500 Zuschauern, darunter geballte Bundesliga-Prominenz. Denn beiden Mannschaften eilte der Ruf voraus, den modernsten Fußball zu spielen. Doch auch in Überzahl – Watson humpelte kurz vor dem Pausenpfiff vom Feld – kamen die Borussen nur zu zwei Großchancen. Am Ende stand ein 0:0 und damit das Aus in Runde zwei.

Es war gleichbedeutend mit einem langen Abschied von Europas Bühne. Erst knapp 16 Jahre später kehrte Borussia Dortmund zurück. Und abermals hieß der Gegner Glasgow Rangers. 54.000 Fans strömten an einem lauwarmen September-Abend ins Westfalenstadion. Stehplätze waren seinerzeit erlaubt, und so entfaltete die Südtribüne jene Wucht, mit der sie die Mannschaft in der Vorsaison in den UEFA-Pokal gebrüllt hatte. Burgsmüller hätte Borussia allein in den ersten 45 Minuten dieses Hinspiels vorzeitig in die nächste Runde ballern können, doch der für seine Chancenverwertung berühmte Blondschopf ließ drei Gelegenheiten der Güte „tausendprozentig“ aus. Nach der Pause verpassten abermals Burgsmüller sowie Klotz und Zorc gute Möglichkeiten zum 1:0. Auf der anderen Seite rettete Huber für den bereits geschlagenen Torwart Immel.                                                                                                

So ging es mit einem 0:0 zum Rückspiel nach Glasgow, wo Schwarzgelb groß aufspielte, bereits nach zwei Minuten mit 2:0 hätte führen können, doch Torwart Stewart parierte glänzend gegen Eggeling und Keser. Rechtsverteidiger Huber trieb das Spiel an, doch kurz vor der Pause liefen die Borussen in einen Konter, Cooper besorgte das 1:0 (44.). Eine Viertelstunde vor Schluss verpasste Klotz die große Chance zum Ausgleich – ein 1:1 hätte das Weiterkommen bedeutet –, Dortmund entblößte in der Schlussphase die Deckung und musste in Spielminute 83 das 0:2 durch Johnstone quittieren. Was blieb? Die bis dato höchste Einnahme der Vereinsgeschichte von 850.000 D-Mark (435.000 €) aus dem Hinspiel.

Als Fußball-Dortmund im Sommer 1995 die erste Meisterschaft seit 1963 feiern durfte und der BVB erstmals in die Champions League einzog, führte das Los die Mannschaft erneut zu den Rangers. Diesmal schoss sie auch Tore, vier an der Zahl, gleichmäßig verteilt auf Hin- und Rückspiel, erzielt durch Herrlich zum 0:1 und Kree zum 1:2 im Ibrox-Park sowie durch Möller zum 1:1 und Riedle zum 2:1 im Westfalenstadion, doch in beiden Fällen stand am Ende ein 2:2. Auch wenn der BVB gegen die Rangers auch im fünften und sechsten Vergleich sieglos blieb, setzte er sich in der Gruppe durch und zog (neben dem kommenden Titelträger Juventus) ins Viertelfinale ein.

Die bislang letzten beiden Duelle gab es in den letzten Tagen des vergangenen Jahrtausends. Dass das Rückspiel eine derartige Dramaturgie entfalten sollte, war nach dem Hinspiel in Glasgow nicht zu erahnen. Der kicker übermittelte seiner Leserschaft: „Nach der Champions-League-Peinlichkeit von Porto gurkt die Borussia dank einer neuerlichen Demonstration fußballerischer Inkompetenz in Glasgow nun auch im UEFA-Cup dem Ausscheiden entgegen. Borussias Ausgangsposition verheißt jetzt Schlimmes: Noch nie in seiner langen Europapokal-Geschichte hat der BVB einen Zwei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel aufgeholt...“

Nun. Am Tag nach Nikolaus, am 7. Dezember 1999, war es dann so weit. Borussias „letztes Aufgebot“ mit nur 14 zur Verfügung stehenden Feldspielern sprühte vor Spiellaune, warf Aggressivität und Leidenschaft in die Waagschale, begeisterte die nur 38.000 Zuschauer, und die wiederum avancierten zum „zwölften Mann“. Bereits in der 28. Minute köpfte Ikpeba einen Eckball ins Tor. Fünf gute Chancen aufs 2:0 folgten, doch der zweite Treffer wollte nicht fallen. Nach 75 Minuten forderte der tiefe Rasen seinen Tribut. Die Kräfte schwanden. Nicht aber die Hoffnung.

Die Schlussphase:

  • Buts Freistoßflanke will der aufgerückte Torwart Lehmann mit der Hacke spielen. Doch der Ball springt wieder raus aus dem Sechzehner. Die Rangers haben das leere Tor vor sich, verdaddeln aber den Konter.
  • Drei Minuten Nachspielzeit sind angezeigt. Der nächste Freistoß segelt in den Strafraum, daraus ergibt sich die nächste Konterchance. Barbarez unterbindet sie. Die Rangers kloppen den Ball sinnfrei nach vorn.
  • 91 Minuten und 24 Sekunden sind auf der Uhr, als But von rechts flankt, Nijhuis am langen Fünfereck per Kopf ablegt. Lehmann schießt sich mit links ans Standbein, Bobic knallt die nicht beabsichtigte Vorlage zum 2:0 ins Tor.

Nachdem die Verlängerung torlos verläuft, folgt der Showdown:

Das Elfmeterschießen!

  • Bobic verwandelt halbhoch links.
  • Amoruso gleicht unten links zum 1:1 aus.
  • Nijhuis macht es ihm nach.
  • Van Bronckhorst visiert die Mitte an. Lehmann ist auf dem Weg in die vom Schützen aus gesehen linke Ecke, reißt die linke Hand hoch – und pariert.
  • Nerlinger probiert’s flach rechts. Myhre, für den verletzten Klos im Tor, hält.
  • Numann visiert die linke Ecke an – Lehmann ist zur Stelle.
  • Nachdem vor ihm drei Schützen vergeben haben, knallt Barbarez den Ball oben links in den Winkel. 3:1 für den BVB.
  • Alle Last liegt auf Claudio Reyna, der sich knapp drei Jahre später über die Geburt seines Sohnes Giovanni freuen wird, aber an diesem Abend der unglücklichste Mann auf dem Rasen ist: Reyna probiert es unten rechts, aber Lehmann pariert auch diesen Elfer!

Es ist der erste und bislang einzige Sieg gegen die Rangers, die nach ihrer Insolvenz vor knapp zehn Jahren seit 2018 wieder durchgängig international spielen, jedoch ausschließlich in der UEFA Europa League. 2019/20 und 2020/21 erreichten sie das Achtelfinale, scheiterten dort an Bayer Leverkusen bzw. Sparta Prag. In der laufenden Saison unterlagen sie in der 3. Qualifikationsrunde zur UEFA Champions League Malmö FF (Schweden) mit 1:2 und 1:2. In den Play-offs zur UEFA Europa League setzten sich die Rangers mit 1:0 und 0:0 gegen Alashkert Erewan (Armenien) durch. In der Gruppenphase gab es zunächst Niederlagen gegen Olympique Lyon (0:2) und Sparta Prag (0:1). Es folgten ein 2:0 und 1:1 gegen Bröndby IF. Mit einem 2:0 zuhause gegen Prag sicherten sie sich vorzeitig den zweiten Platz. Die letzte Partie bei Gruppensieger Lyon endete 1:1.

Rangers Football Club
Gegründet: 1872
Europapokalsieger der Pokalsieger: 1972
Meisterschaften: 55 (Rekord)
Pokalsiege: 33
League Cup: 27 (Rekord)
Ibrox Stadium: 50.817 Plätze

Text: Boris Rupert 
Fotos: imago images