Während in Dortmund Silvesterraketen den Nachthimmel erleuchteten und eine Stadt den Einzug ihres Fußballvereins in das 72. Endspiel um den DFB-Vereinspokal feierte, spielten sich 600 Kilometer entfernt, in der Stätte des Triumphes, unglaubliche Szenen ab.

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Freut sich mit und über die Fans: Jürgen Klopp.

Es war kurz vor Mitternacht, als Jürgen Klopp nochmal aus den Katakomben der Allianz-Arena sprintete und zu den 8.000 mitgereisten Fans lief. Er ballte die Faust, riss den Arm nach oben und teilte mit den Anhängern seine Freude über den Finaleinzug: „Was die Leute abgezogen haben, war einmalig. Das gibt es nur in Dortmund.“

120 Minuten lang plus Nachspielzeit plus Elfmeterschießen gaben die BVB-Fans in der Heimstätte des alten und neuen Deutschen Fußballmeisters den Ton an. Sie gaben der Mannschaft Halt in der sehr langen Phase, in der ihre Elf merkwürdig mut- und ideenlos auftrat. 70 Minuten lang setzte sie wenig von dem um, was ihr der Trainer mit auf den Weg gegeben hatte. Nicht nur Nadelstiche sollte sie setzen, sondern auch Akzente. Doch es spielten nur die Bayern. Allein die taktische Marschroute, den Gegner nach außen zu drängen, Thiago und Lewandowski im Zentrum so selten wie möglich zum Zuge kommen zu lassen, ging auf. „In der ersten Halbzeit haben wir fußballerisch wirklich keinen guten Job abgeliefert, auch wenn es defensiv okay war“, räumte Kapitän Mats Hummels ein.

Auch wenn der Führungstreffer der Münchner in der 30. Minute durch Lewandowski von mehreren individuellen Fehlern der Schwarzgelben begünstigt war, spätestens aber nach einer Stunde hätte dieses Spiel entschieden sein können. Torhüter Mitch Langerak, der in seinem vierten Spiel gegen Bayern München zum vierten Mal als Sieger vom Platz ging, parierte überragend gegen Müller (48.) und Thiago (57.). Zudem nagelte Lewandowski die Kugel an die Querlatte, und hätte Schiedsrichter Gagelmann nach Schmelzers Berührung einen Handelfmeter pfeifen können.

„Müssen uns für unser Glück nicht schämen“

Im Gegensatz zu den Pokalfinals 2008 (mehrere kleinere, strittige Szenen) und 2014, als das nicht gegebene Hummels-Tor ein spielentscheidender Fehler war, hatte Borussia Dortmund in dieser Szene das Glück, das man braucht, um eine brenzlige Phase zu überstehen. „Für unser Glück in dieser Situation müssen wir uns nicht schämen“, meinte BVB-Präsident Dr. Reinhard Rauball.

Bei Langeraks Faustabwehr gegen Lewandowski nicht auf Strafstoß zu entscheiden, war allein schon deshalb richtig, weil der Münchner im Abseits gestanden hatte (117.). Dass er sich in dieser Szene verletzte und nach dem Spiel ins Krankenhaus musste, ließ allerdings keinen Borussen kalt. Über Facebook und Twitter übermittelte der BVB Genesungswünsche.

Als Mkhitaryan kam, drehte der BVB endlich auf

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Henrikh Mkhitaryan

Mit der Einwechselung von Henrikh Mkhitaryan in der 70. Minute kippte das Spiel. Dortmund wurde mutiger, riss das Heft des Handels an sich, glich fünf Minuten später nach schöner Kombination über Reus, Blaszczykowski und eben den eingewechselten Mkhitaryan durch Pierre-Emerick Aubameyang aus. „Wir brauchten eine Schlüsselszene und machen das Tor aus der kleinsten Chance des Spiels, als der Ball kaum noch zu erreichen war“, so Klopp: „Danach hatten wir tolle Möglichkeiten, die Manuel Neuer zunichte gemacht hat.“ Mkhitaryan (80.) und Reus (82./86.) scheiterten am Münchner Keeper.

In der Verlängerung erholten sich die in der Schlussphase wankenden Bayern wieder und übernahmen spätestens nach Kampls Hinausstellung (Gelb-Rote Karte nach Foulspiel, 108.) wieder das Kommando. Schweinsteiger köpfte freistehend über das Tor (102.) und fand im phantastischen Langerak seinen Meister, der in der 114. Minute zum dritten Mal an diesem Abend eine „Hundertprozentige“ entschärfte.

Kein Münchner trifft im Elfmeterschießen

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Mitch Langerak hält den Elfmeter von Mario Götze.

Was folgte, war das kurioseste Elfmeterschießen aller Zeiten. Lahm und Alonso rutschten beim Schuss aus, Langerak parierte gegen Götze. Und so mussten nur drei Dortmunder antreten: Gündogan und Kehl verwandelten souverän. Dass Neuer Hummels’ durchaus platzierten Schuss abwehren konnte, fiel nicht ins Gewicht, da Neuer anschließend selbst antrat, die Kugel an die Querlatte drosch – und das Elfmeterschießen damit vorzeitig beendete.

„Alle sind glücklich und erleichtert, dass wir aus dieser Saison doch noch richtig etwas rausholen können“, freut sich Mats Hummels. Heute Abend wird zwischen Arminia Bielefeld und dem VfL Wolfsburg der zweite Finalist für das Endspiel am 30. Mai im Berliner Olympiastadion ermittelt.

Nach der Rückkehr nach Dortmund ließ Jürgen Klopp das eigentlich angesetzte Training ausfallen und schickte seine Mannschaft zum Ausruhen nach Hause. Denn dieses Spiel hat Spuren hinterlassen, auch wenn die Hoffnung besteht, dass sie über die üblichen Belastungserscheinungen nicht hinausgehen könnten. Denn am Samstag steht schon das nächste „Halbfinale“ auf dem Spielplan: Bei der TSG Hoffenheim darf der BVB nicht verlieren, will er die Chancen auf Platz sieben wahren. Denn nach Europa geht es nur über die Liga – oder den Sieg im 72. Endspiel um den DFB-Pokal...
Boris Rupert

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