„09 Punkte nach drei Spielen, viel mehr kann man sich nicht wünschen“, sagte BVB-Kapitän Mats Hummels nach dem Spiel gegen Berlin, und bevor es für ihn und viele seiner Kollegen Anfang der Woche zu den Nationalmannschaften geht. Durchschnaufen ist angesagt. Zwar nicht für die Nationalspieler, aber für alle Anhänger des BVB. Denn Borussia begeistert wieder.

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Thomas Tuchel hat der Mannschaft eine neue Spielphilosophie eingeimpft. Was für alle Beteiligten (sowohl Spieler als auch Fans) neu ist, trägt aber schon so früh in dieser Saison erste Früchte. In allen acht bisherigen Pflichtspielen behauptete der BVB deutlich mehr Ballbesitz als der Gegner, diktierte die Begegnungen, gab das Tempo vor, wartete bisweilen sehr geduldig darauf, dass sich Lücken auftun und sich Chancen ergeben - bislang von großem Erfolg gekrönt.

Selbst gegen Hertha BSC, deren Matchplan es war, Borussia durch totale Defensive seiner Stärken zu berauben. „Wir wollten tief stehen und Dortmund so die Schnelligkeit nehmen“, erklärt BSC-Coach Pal Dardai nach dem Spiel. Das ging 27 Minuten lang gut. Doch der BVB dieser Tage wartet ab, spielt geduldig. Und wenn es aus dem Spiel heraus nicht klappt, dann muss halt ein Standard herhalten, um in Führung zu gehen. „Kopfballungeheuer“ wie Mats Hummels sind bei solchen Situationen immer prädestiniert für Treffer. 11 von 18 Bundesliga-Toren erzielte der BVB-Kapitän mit dem Kopf. Gegen Hertha traf er erstmals seit dem 1. März 2014 wieder im Signal Iduna Park (damals gegen Nürnberg).

„Auba“, „Miki“, Kagawa, Reus an 29 Toren direkt beteiligt

Borussia Dortmund ist unberechenbar. In Aubameyang, Ginter, Hummels, Kagawa, Mkhitaryan, Reus und Ramos haben bereits sieben verschiedene Spieler in nur drei Bundesliga-Spielen getroffen. Fast jeder scheint für ein Tor gut, wobei es insgesamt gesehen natürlich die Offensivabteilung ist, die die Gegner zum Teil schwindelig spielt. Besonders „Auba“, „Miki“, Shinji und Marco Reus kurbeln das Spiel immer wieder an. Sie waren an allen elf Bundesliga-Toren und an 29 von 30 Pflichtspieltoren direkt beteiligt. Gegen die Dortmunder Offensivabteilung ist derzeit kaum ein Kraut gewachsen. Selbst wenn man sich tief in die eigenen Hälfte zurückzieht, wie Hertha BSC oder auch der FC Ingolstadt vergangene Woche.

Das Team von Thomas Tuchel ist darauf vorbereitet. „Wir wissen, dass das oft passieren wird. Die Gegner werden sich häufig hinten reinstellen, und es wird oft schwierig werden“, analysiert Hummels. „Aber wir haben unsere Qualität in den letzten Spielen auf den Platz gebracht.“ Dann hilft auch alles tiefe Verteidigen nichts, denn der BVB kommt immer zu Chancen.

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Hinten steht meist die Null

Diese dann auch alle zu nutzen, ist einer der Punkte, an denen es weiterzuarbeiten gilt. Thomas Tuchel macht seinen Schützlingen deshalb aber keinen Vorwurf. Ganz im Gegenteil: „Ich habe mich gefreut, dass wir weiter nach vorne gespielt haben“, so der Coach. „Die Spieler wissen selbst, dass sie die Chancen reinmachen können.“

Neben der Offensivreihe, die in den letzten Wochen schon häufig im Fokus stand, sei an dieser Stelle aber auch die Defensive hervorgehoben. Als letzter aller Bundesligisten mussten die Schwarzgelben ein Gegentor hinnehmen – das aufgrund von Kalous Abseitsstellung eigentlich sogar irregulär war. Borussia hält hinten dicht und sorgt vorne für Furore.

Tabellenführung als schöner Nebeneffekt

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Und wer könnte da als Bindeglied besser als Synonym für die Leistungsexplosion stehen als die beiden Außenverteidiger. Matthias Ginter blüht als rechter Verteidiger regelrecht auf, gab in den letzten beiden Spielen zwei Vorlagen und erzielte ein Tor selbst. „Ich fühle mich als Rechtsverteidiger wohl“, gibt er unumwunden zu. Und Marcel Schmelzer? Der befindet sich ohnehin schon seit Saisonbeginn in Hochform, bringt Leistungen, die an die Jahre 2010 bis 2014 erinnern. Schon damals rückte er so in den Fokus der Nationalmannschaft, machte unter Joachim Löw 16 A-Länderspiele. Das letzte im März 2014.

Und der schöne Nebeneffekt dieses super Saisonstarts? Der BVB ist alleiniger Tabellenführer. „Eine Momentaufnahme, mehr nicht“, betont Thomas Tuchel. Marcel Schmelzer freut es trotzdem: „Das können wir jetzt zehn Tage lang genießen.“ Und Mats Hummels ergänzt: „Das ist eine gute Basis, um das Selbstvertrauen auch nach der Länderspielpause zu haben. Ich hoffe, dass wir in Hannover direkt daran anknüpfen.“
Dennis-Julian Gottschlich