Es war die Szene des 22. Spieltags: Nach 64 Minuten im Spiel gegen Bayer Leverkusen unterbrach Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie, verschwand mit beiden Teams in den Katakomben der BayArena. Auch am Montag nach dem Spiel diskutiert Fußball-Deutschland über dieses Novum, das durch Bayer-04-Coach Roger Schmidt ausgelöst wurde. In Bezug auf Borussia Dortmund ist aber eine Tatsache viel wichtiger: Der BVB hat sich von dieser kuriosen Situation nicht aus der Ruhe bringen lassen und wieder einmal bewiesen, dass er auch unter schwierigsten Bedingungen bestehen kann. 

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Zwar nicht in dieser Szene, aber Kießling (l.) und Bender (vorne) waren direkt an der Szene vor dem Tor beteiligt.

Denn nicht nur die äußeren Bedingungen waren mit Wind und Regen am Sonntagnachmittag in Leverkusen äußerst widrig. Das Spiel tat bis zur 64. Minute sein Übriges dazu. Es war von Kampf geprägt, BVB-Sportdirektor Michael Zorc nannte es sogar „verkrampft“. Beide Teams waren taktisch exzellent eingestellt, neutralisierten sich so über weite Strecken der Partie. „Gegen Leverkusen kann es nur über den Kampf gehen“, sagte Matthias Ginter nach dem Spiel, „das haben wir angenommen.“ Ginter war es auch, der in der spielentscheidenden Szene im Mittelpunkt stand. Denn nach 64 Minuten kippte die Partie, nahm bis zum Ende richtig Fahrt auf.

„Völlig richtig bewertet“

Als Stefan Kießling am Strafraum des BVB das taktische Foul gegen Sven Bender beging, um den schnellen Konter zu verhindern, schnappte sich Ginter die Kugel und eigentlich hätte Felix Zwayer den Vorteil laufen lassen können. Er pfiff etwas zu früh, Ginter stoppte den Ball – und führte den fälligen Freistoß einige Meter zu weit vorne aus. Eine Szene, wie sie in jedem Spiel „100 Mal vorkommt“, so Ginter. Zudem ereignete sich die Situation auch noch weit in der Hälfte der Schwarzgelben, eigentlich also gar kein Aufreger, wäre das Resultat aus diesem Freistoß nicht trotzdem das 1:0 für den BVB gewesen. „Die Situation vor unserem Tor wurde meiner Meinung nach vom Schiedsrichter völlig richtig bewertet“, meinte Kapitän Mats Hummels dazu.

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Volles Stadion, leerer Platz: Für 09 Minuten verschwanden beide Teams in den Katakomben.

Trotzdem kam es zum Trubel an der Seitenlinie, der in der Spielunterbrechung mündete. Ratlosigkeit bei Zuschauern und Medienvertretern auf der Tribüne und vor dem Fernseher. Ungewissheit bei den Spielern des BVB, denen der Gang in die Katakomben den Rückenwind, den dieses Führungstor gegeben hätte, komplett nahm. „Das war natürlich speziell. Darauf kann man sich nicht vorbereiten“, so Matthias Ginter. „Wir mussten absolut wach bleiben, durften nicht abbauen.“

Mit Bravour standgehalten

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„Die Unterbrechung war ein Vorteil für Leverkusen“, sagte Thomas Tuchel nach dem Spiel

Bei den Leverkusenern hingegen setzte die Unterbrechung eine regelrechte „Jetzt-erst-recht-Mentalität“ frei, das oft beschworene Momentum schlug nach Wiederanpfiff der Partie sofort in Richtung der Werkself aus. „Die Unterbrechung war kompliziert und ein Vorteil für Leverkusen, das aus dem Gefühl einer Benachteiligung eine besondere Energie herstellen konnte in einem emotionalisierten Stadion“, analysierte Thomas Tuchel folgerichtig.

Doch der BVB hielt dieser Energie am Ende mit Bravour stand, verteidigte bis zum Schluss aufopferungsvoll, verkraftete sogar den verletzungsbedingte Ausfall von Sokratis, der – wie sich am Montag herausstellte – für drei Wochen ausfallen wird und hatte auch das nötige Quäntchen Glück auf seiner Seite, zum Beispiel als Chicharito in der 92. Minute freistehend das fast leere Tor nicht traf. Ein weiterer Arbeitssieg, der zeigt, dass Borussia Dortmund in dieser Saison eben nicht nur Tormaschine ist und Hurra-Fußball zelebrieren kann, sondern auch in einem Abnutzungskampf, wie eben gegen die Top-Mannschaft aus Leverkusen, besteht.

Wenn Porto ein Tor schießt...

„Wir haben die richtige Einstellung an den Tag gelegt. Nur so kann man dann auch drei Punkte mit nach Hause nehmen“, sagte Mats Hummels nach dem Spiel. Auf die richtige Einstellung wird es auch am Donnerstag ankommen, denn dann wartet in der UEFA Europa League mit dem FC Porto die nächste absolute Top-Mannschaft auf den BVB. Das 2:0 aus dem Hinspiel ist zwar beruhigend, schon ein Treffer der Portugiesen könnte aber ausreichen, um bei ihnen eine ähnliche Energie freizusetzen, wie bei Leverkusen am Sonntag. Borussia Dortmund scheint dafür gewappnet.
Dennis-Julian Gottschlich